Berührungspunkte finden Was beschäftigt die Menschen, auf die ich sonntags im Gottesdienst nicht treffe, fragt sich Oberlandeskirchenrätin Dr. Gudrun Neebe, Bildungsdezernentin der Landeskirche THEMA T agtäglich begegne ich vielen Men- schen: im Auto auf der Straße, im Zug, beim Einkaufen am Abend. Das wird bei Ihnen ganz ähnlich sein. Wenn ich sie anlächle, lächeln die meis- ten zurück. Schön, denke ich dann. In den Schulen begegnen mir vie- le Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen, manchmal auch Schul- amtsdirektorinnen oder Ausbilder. Unsere evangelischen Kitas sind auch solche Be- gegnungsorte, an denen viele Menschen sich begegnen, Eltern, Kinder, Großeltern. Hier kommt man miteinander ins Ge- spräch. Und nicht zu vergessen die kirch- lichen Tagungsstätten, wo ebenfalls viele Begegnungen stattfinden. Manche suchen geradezu Begegnung an diesem Ort und Impulse, die sie gern mitnehmen. Was beschäftigt diese Menschen, was treibt sie um? Scheinbar gelingt es uns noch zu wenig, ihre Themen und Fragen aufzunehmen, den richtigen Ton zu treffen. Wenn wir Jesu Auftrag „Gehet hin“ ernst- nehmen, sollten diese Menschen mehr im Blick sein. Voneinander können wir lernen, wie das gehen kann, denn es gibt auch Or- te, an denen das richtig gut gelingt. Offene Kirchen werden häufiger unter der Woche aufgesucht von Menschen, die die Stille und/oder Gott suchen, als zum Gottesdienst, habe ich kürzlich gelesen. Ist Ihre Kirche offen für solche Gottsucher? „Gehet hin”, sagt Jesus. Ich höre: Be- gegnet den Menschen freundlich, offen und aufgeschlossen! Manchmal merke ich, dass Kollegen oder Kolleginnen entnervt reagieren. „Wann soll ich das denn auch noch machen”, fragen sie. Aber es geht gar nicht um das „auch noch“. Es geht nicht um mehr, sondern um anders. Vielleicht sollten wir gar nicht danach fragen, ob jemand der Kirche angehört, ob er Mitglied ist oder nicht. Freuen wir uns einfach, wenn wir Menschen begegnen, wenn Menschen uns ansprechen, wenn Menschen sich interessieren, ein Anliegen haben. Kleine und Große, Alte und Junge. Lächeln, losgehen, offen sein für andere. »Dass wir einander freundlich begegnen und zugewandt sind, ohne gleich zu sortieren und einzuteilen, darauf kommt es an.« Manchmal bedeutet das sicher eine Hal- tungsänderung. Ich muss mir einen Ruck geben. Das ist wichtig: • Sich freuen, wenn sich ein Jugendlicher für die Konfirmation interessiert und zum ersten Mal bewusst mit Kirche und Glauben in Kontakt kommt; • es kann beflügeln, dass Eltern fragen, ob ihr Kind gesegnet werden kann; • mit dem Kita-Team einen Familiengot- tesdienst planen, der Eltern und Kinder zum Mitfeiern einlädt und ihnen glei- chermaßen guttut; • Konfi-Eltern, Teamerinnen, Neuzugezo- gene oder Ausgetretene besuchen; • offen sein für sich anbahnende Gesprä- che; • Impulse mitnehmen fürs Nach- und Weiterdenken. Ich lasse mich rufen, anrufen, zurufen, herbeirufen an die unterschiedlichsten Or- te und bleibe doch ich, mit meinen Gaben und Begrenzungen. Diakonische Einrichtungen, Kranken- häuser, Chöre und auch Hobbys bieten viele Berührungspunkte mit Menschen. Nicht zu allen lassen sich Kontakte knüp- fen, nicht alle wünschen sich Bindung oder Beziehung. Ich und der oder die andere entscheiden über den Grad von Intensität. Nicht alle muss ich mögen, und nicht alle schätzen mich. Macht nichts, denn in Got- tes Haus gibt es viele Wohnungen, auch Ferienwohnungen und Tagungsstätten mit kurzer Verweildauer. Dass wir einan- der freundlich begegnen und zugewandt sind, ohne gleich zu sortieren und einzu- teilen, darauf kommt es an. l Gudrun Neebe a n r e d u a h c S / v t . o d e m i : o t o F Die Bildungskammer der Evangeli- schen Kirche von Kurhessen-Waldeck hat im Juli 2019 ein Arbeitspapier mit dem Titel „Verbindungen knüp- fen – Bindungen stärken” herausge- bracht. In der 68-seitigen Broschüre geht es um „kirchliche Bildungsarbeit in Zeiten zunehmender Konfessions- losigkeit”. In den einzelnen Kapiteln wird am Lebensalter eines Menschen entlang die kirchliche Arbeit mit Kin- dern, Jugendlichen, jungen Erwach- senen, Familien und älteren Erwach- senen in den Blick genommen. Viele Ideen für die Praxis sind enthalten. Vorangestellt ist eine Einleitung, die den Begriff „Konfessionslosigkeit” be- leuchtet. Bestellung der Broschüre per E-Mail unter: bildungsdezernat@ekkw.de Download: https://www.ekkw.de/ media_ekkw/downloads/ekkw_ver- bindungen_knuepfen_bindungen_ staerken_flyer_web.pdf blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 13