Fischer: Wir sind kompetenter Veran- stalter von großen Events, die viele Tau- send Menschen begeistern und die Brücke zu Menschen schlagen, denen wir sonst nicht begegnen würden. Bei den Hessen- tagen etwa sind wir mit unseren Aktionen und Angeboten mit Tausenden Menschen niedrigschwellig in Kontakt gekommen. Das ist ein großer Schatz, der hoffentlich nach der Pandemie wieder zu voller Blü- te kommen wird. Bei aller Digitalisierung wird die Sehnsucht der Menschen nach realer Begegnung und Sinnerfahrung wie- der stark zunehmen. Darauf sind wir gut vorbereitet. ? Müssten wir als Kirche in einer Zeit, in der mehr als 50 Prozent der Deut- schen konfessionslos sind, nicht viel mehr kommunizieren als früher? Fischer: Gelingende Kommunikation setzt voraus, dass man die Wege geht und die Sprache spricht, die die Menschen ver- stehen. Und: dass die Menschen ein echtes Bedürfnis haben, etwas von uns zu hören. Wenn viele Menschen keiner Kirche mehr angehören wollen, ist zunächst einmal ernstzunehmen, dass sie ihre Bedürfnisse nach Glauben und Spiritualität an anderer Stelle verorten. Für uns als Kirche ist das nicht einfach zu ertragen, aber zunächst einmal ist es eine Problemanzeige und kei- ne dauerhafte Abkehr. »Ich spüre ein Bedürfnis nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens.« Ich spüre, dass das Bedürfnis nach Spiritualität, nach Sinnerfahrung, und das Bedürfnis nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens und des Sterbens nach wie vor ganz aktuell ist. Die Menschen ha- ben die gleichen religiösen Fragen, wie sie zu allen Zeiten gestellt wurden. An diese Fragen müssen wir andocken. Dazu müs- sen wir wahrnehmen, wo die Menschen sind und wie sie ihre Fragen stellen. Wenn wir die richtigen Kontaktflächen finden, haben wir gute Chancen, die Fragen mit unseren Antworten zusammenzubekom- men. ? Gleichzeitig muss in der Öffentlich- keitsarbeit, wie überall in der Lan- deskirche, gespart werden, auch bei Stellen. Die Quadratur des Kreises? Fischer: Das ist ein großer Wider- spruch: Auf der einen Seite wird von uns ständige Innovation erwartet, zum Bei- spiel neue Medien zu bespielen. Auf der anderen Seite sind wir seit zehn Jahren in einem andauernden Sparprozess und ver- lieren Ressourcen und Personal. Aber: Ich glaube, man kann – mit welchen Ressour- cen auch immer – Gutes und Spannendes bewirken. Insofern ist es besonders wichtig, dass wir in der Stabsstelle Kommunika- tion Freude an der Arbeit haben, auch wenn wir manchen Bereich aufgeben und Veränderungen herbeiführen müssen. Entscheidend ist die Freude an der Kom- munikation. Und wenn wir dann ande- re überzeugen, dass diese Arbeit für das Überleben unserer Kirche maßgeblich ist, wird es auch gelingen, mehr Ressourcen für diese Aufgabe bereitzustellen. ? Es gibt bei uns so viele Begriffe, die erklärungsbedürftig sind: Synode, Präses, Kooperationsraum – wie muss sich unsere Sprache verändern? Fischer: Ich glaube nicht, dass wir die Menschen mit zu vielen internen Prozessen beschäftigen sollten. Nur die wichtigsten innerkirchlichen Vokabeln müssen über- setzt werden. Ich wünsche mir aber, dass wir in der Sprache des Glaubens verständ- licher werden. Warum bin ich getauft, und was bedeutet das für mich? Oder: Was be- deutet es, mich selbst und meinen Nächs- ten zu lieben? Wenn wir das erfahrbar und spürbar machen, haben wir einen wesentli- chen Teil unserer Aufgabe erfüllt. INFOKASTEN Christian Fischer (60) ist Pfarrer und Journalist. Er hat in Frankfurt/Main, Mainz und Hamburg Evangelische Theologie studiert. Nach dem Vikariat in Maintal ließ sich Fischer zum Journa- listen ausbilden, unter anderem bei der Frankfurter Rundschau und beim Evange- lischen Pressedienst (epd). Später war er Medienbeauftragter im Sprengel Kassel, ab 1993 Privatfunkbeauftragter, ab 1999 Internetbeauftragter der Landeskirche. Im Jahr 2014 übernahm Fischer die Leitung des Medienhauses, seit 2020 leitet er die Stabsstelle Kommunikation. THEMA ?Bei kirchlichen Medien besteht eine Spannung zwischen kritischer Hal- tung und Loyalität. Wo steht da die Kommunikation unserer Landeskirche? Fischer: Wir sind ein integraler Be- standteil dieser Landeskirche, und unsere Grundaufgabe ist es, die Kommunikation des Evangeliums maßgeblich mitzugestal- ten. Dabei müssen wir immer genau hin- schauen, mit wem wir kommunizieren, das heißt, wir müssen an unsere Leserinnen und Leser denken, an unsere Nutzerinnen und Nutzer. Durch viele Rückmeldungen erfahren wir, dass wir einen guten Draht zu ihnen haben. Unsere Aufgabe ist es auch, diese Rückmeldungen an unsere Kirche zurück- zuspiegeln. Wenn wir merken, wir sind ir- gendwo auf dem Holzweg, müssen wir den Spiegel vorhalten – nicht als Besserwisser, sondern als die, die die Stimme der Außen- stehenden stark machen. ? Wir sprechen über Belastungen, Ver- änderungen und Anstrengungen. Wie macht die Arbeit trotzdem Spaß? Fischer: Kommunikation kann viel Freude bereiten, wenn man mit inspirier- ten Menschen zusammen ist. Damit meine ich nicht nur die Kolleginnen und Kolle- gen, sondern auch die Nutzerinnen und Nutzer, mit denen wir in permanentem Kontakt stehen. Wichtig ist, dass wir nicht allein arbeiten, sondern im Team. Wir soll- ten nicht so sehr in Kästchen denken, son- dern so arbeiten, dass jeder relativ gleich- berechtigt sagen kann, was er denkt und fühlt, und seine Stärken einbringt. Das sind gute Voraussetzungen, um Freude zu haben. Zugleich müssen wir bei Überlastungen schauen, wie wir sie ab- stellen können, zum Beispiel indem man sie auf mehr Schultern verteilt oder auch Dinge bleiben lässt. Wir werden nicht be- stehen können, indem wir immer mehr mit weniger Menschen machen. Wir wer- den klar sagen müssen, was wir nicht mehr machen können, auch wenn wir es wollten. ? Und schließlich ein Blick nach vorne: Wie wird die Kommunikation unse- rer Kirche in fünf Jahren aussehen? Fischer: Ich wünsche mir, dass unsere Kommunikation dann jünger, digitaler, ver- ständlicher, bildreicher und authentischer sein wird. ● Fragen: Olaf Dellit blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 4–2022 5