Die Hugenotten sind als französische Protestanten Ende des 17. Jahrhunderts wegen ihres Glaubens aus ihrem Heimatland vertrieben worden. Viele fanden in Kassel eine neue Heimat. Die im Jahr 1710 in Kassel erbaute Karlskirche ist ein Zeugnis aus dieser Zeit. Aber auch in vielen anderen Orten in Kurhessen-Waldeck hinterließen die Hugenotten Ihre Spuren. In unserem Thema auf ekkw.de haben wir Ihnen Informationen und Hintergründe rund um die Hugenotten zusammengestellt.
Die Hugenotten in der Landgrafschaft Hessen-Kassel

Die Hugenotten sind als französische Protestanten Ende des 17. Jahrhunderts wegen ihres Glaubens aus ihrem Heimatland vertrieben worden. Viele fanden in Kassel eine neue Heimat. Die im Jahr 1710 in Kassel erbaute Karlskirche ist ein Zeugnis aus dieser Zeit. Aber auch in vielen anderen Orten in Kurhessen-Waldeck hinterließen die Hugenotten Ihre Spuren. In unserem Thema auf ekkw.de haben wir Ihnen Informationen und Hintergründe rund um die Hugenotten zusammengestellt.
«Angekommen - wie aus Fremden Freunde werden» - so lautet das Motto des 300. Jubiläums der Kasseler Karlskirche. Ein historisches Datum gibt Antwort auf die hoch aktuelle Frage unserer Tage: Kann Integration gelingen, kann sie eine Bereicherung sein? Ja, sagt das Beispiel der Karlskirche: Die Geschichte der Aufnahme der protestantischen französischen Glaubensflüchtlinge - auch im Bereich der heutigen Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck - ist ein Beispiel für den gesellschaftlichen und religiösen Gewinn, der mit der Integration verbunden war.
Migranten bringen eigenes Denken, eine eigene Prägung mit in ihre neue Heimat. Das galt auch für die Hugenotten. Noch heute ist die Architektur der Karlskirche in ihrem Grundriss Ausdruck einer besonderen theologischen und geistlichen Tradition. Dieses Erbe ist in unseren Tagen nicht mehr aus der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck wegzudenken: Wir sind darauf stolz und zeigen es gern unseren Gästen. Die Landeskirche freut sich deshalb auch, in diesem Jahr Gastgeberin des 47. Deutschen Hugenottentages zu sein.
Das Jubiläum der Karlskirche soll zugleich Anlass sein, nicht allein auf ihre Anfänge zurückzublicken. Das vergangene Jahrhundert hat die Karlskirche und ihre Umgebung nachhaltig verändert: Die Spuren der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges ebenso wie städteplanerische Auswirkungen aus der Mitte und dem Ende des 20. Jahrhunderts sind schmerzlich sichtbar.
300 Jahre Geschichte bedeuten Wandel. Heute hat die Karlskirche ihren unverwechselbaren Platz als Gotteshaus in der Kasseler Innenstadt: durch den Gottesdienst, das Glockenspiel, jüngst auch als zentraler Ort für die Ausstellung der Evangelischen Kirche «Vision / Audition» anlässlich der documenta 12. Die Kasseler Karlskirche ist eine höchst lebendige 300jährige Jubilarin! Gott segne sie und alle, die sich ihr verbunden fühlen.
Herzlichst
Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
300 Jahre Karlskirche - Grußwort von Bischof Prof. Dr. Martin Hein
«Angekommen - wie aus Fremden Freunde werden» - so lautet das Motto des 300. Jubiläums der Kasseler Karlskirche. Ein historisches Datum gibt Antwort auf die hoch aktuelle Frage unserer Tage: Kann Integration gelingen, kann sie eine Bereicherung sein? Ja, sagt das Beispiel der Karlskirche: Die Geschichte der Aufnahme der protestantischen französischen Glaubensflüchtlinge - auch im Bereich der heutigen Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck - ist ein Beispiel für den gesellschaftlichen und religiösen Gewinn, der mit der Integration verbunden war.
Migranten bringen eigenes Denken, eine eigene Prägung mit in ihre neue Heimat. Das galt auch für die Hugenotten. Noch heute ist die Architektur der Karlskirche in ihrem Grundriss Ausdruck einer besonderen theologischen und geistlichen Tradition. Dieses Erbe ist in unseren Tagen nicht mehr aus der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck wegzudenken: Wir sind darauf stolz und zeigen es gern unseren Gästen. Die Landeskirche freut sich deshalb auch, in diesem Jahr Gastgeberin des 47. Deutschen Hugenottentages zu sein.
Das Jubiläum der Karlskirche soll zugleich Anlass sein, nicht allein auf ihre Anfänge zurückzublicken. Das vergangene Jahrhundert hat die Karlskirche und ihre Umgebung nachhaltig verändert: Die Spuren der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges ebenso wie städteplanerische Auswirkungen aus der Mitte und dem Ende des 20. Jahrhunderts sind schmerzlich sichtbar.
300 Jahre Geschichte bedeuten Wandel. Heute hat die Karlskirche ihren unverwechselbaren Platz als Gotteshaus in der Kasseler Innenstadt: durch den Gottesdienst, das Glockenspiel, jüngst auch als zentraler Ort für die Ausstellung der Evangelischen Kirche «Vision / Audition» anlässlich der documenta 12. Die Kasseler Karlskirche ist eine höchst lebendige 300jährige Jubilarin! Gott segne sie und alle, die sich ihr verbunden fühlen.
Herzlichst
Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
Der Protestantismus in Frankreich gründet sich auf die Lehren des Reformators Johannes Calvin (1509 - 1564), geboren in Noyon in der Picardie. Calvins Werdegang war eng mit dem Schicksal des frühen französischen Protestantismus verbunden. Ausgehend von der lutherischen Reformation entwickelte Calvin eine ganz eigenständige Gedankenwelt, die in der Institutio Christianae ihren Niederschlag gefunden hat. Im Gegensatz zu Luther widmete er den Fragen der rechtlichen Ordnung und der Gemeindezucht von Anfang an große Aufmerksamkeit und versuchte das Gemeinwesen zu verchristlichen. Calvin verstand Genf als einen Stützpunkt für den göttlichen Auftrag an der gesamten Christenheit und wirkte von dort ab 1536 und mit einer 3-jährigen Unterbrechung wieder ab 1541. Von hier wurden seine theologischen Werke über ganz Europa verbreitet, die auf die französischen Protestanten einen besonderen Einfluss ausübten. Das Wissen um die Gnade Gottes verlieh den Gläubigen unbegrenzte Kraft und unerschöpflichen Mut. Gewissenhafte Erfüllung der täglichen Pflichten und sinnvolle Nutzung des Tages empfanden sie als Dienst an Gottes Schöpfung.
Nach Genfer Vorbild entstanden überall in Frankreich reformierte Gemeinden. 1559 hielt die reformierte Kirche in Frankreich ihre erste Generalsynode in Paris ab. Französische Adlige gaben ihr Rückhalt, so beispielsweise Admiral Coligny, der neben vielen anderen französischen Adligen dem Blutbad der Batholomäusnacht (23./24. August 1572) zum Opfer fiel.
Der Bourbone Heinrich von Navarra, der 1589 als Heinrich IV. den französischen Thron bestieg, galt neben Admiral Coligny als einer der Führer der Protestanten. Aus politischen Gründen trat er zum katholischen Glauben über, bestätigte aber seinen Glaubensgenossen im Edikt von Nantes (1589) die freie Religionsausübung und eine politische Sonderstellung, die in der Einräumung von Sicherheitsplätzen bestand.
Die Hugenotten mussten dennoch bald um ihre Privilegien kämpfen und verloren 1628 mit der Eroberung von La Rochelle durch Kardinal Richelieu ihre Sicherheitsplätze. Unter Ludwig dem XIV. (1643-1715) kam es zu schweren Verfolgungen, die in der Aufhebung des Edikts von Nantes am 23. Oktober 1685 gipfelten. Über 200.000 Hugenotten flüchteten ins Ausland, besonders nach Holland und Deutschland. Neben anderen deutschen Fürsten wie dem Kurfürst von Brandenburg hatte der hessische Landgraf Karl (1654-1730) die französischen Refugiés mit einer «Freiheitskonzession und Begnadigung für die Fremden Manufacturiers etc.” vom 18. April 1685 zur Ansiedlung in die Landgrafschaft Hessen-Kassel eingeladen.
Die Bezeichnung «Hugenotte» war zunächst als spöttisches Schimpfwort gemeint und bedeutet wohl «Eidgenosse» (eiguenot). Ab 1520 war sie für die Anhänger der Reformation in Genf gebräuchlich. In der Zeit der Hugenottenkriege und -verfolgungen im 17. Jahrhundert wurde der Begriff zu einem Ehrentitel für die verfolgten Protestanten Frankreichs.
Ansiedlung der Hugenotten
Die Französischen Glaubensflüchtlinge (Refugiés) kamen zunächst in zwei Auswanderungswellen 1685-1687 und 1698 nach Kassel. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1698 nennt 168 Familiennamen, die Gesamtzahl der Flüchtlinge wird auf rund 1.400 Personen geschätzt. 1720/22 kam eine dritte Flüchtlingswelle in die Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Die Herkunft der ersten Einwanderer (1685-1687) waren die Dauphiné, Pragelas, Languedoc, Poitou und Vivarais. Die zweite Flüchtlingsgruppe (1698) stammte fast ausschließlich aus Metz. Sie wurden zunächst in Baracken im Stadtgraben in der Nähe der Fulda untergebracht. Einige fanden auch bei Franzosen Aufnahme, die bereits in Kassel wohnten.
Schwierige Aufnahme Um die Aufnahme der Einwanderer finanzieren zu können, wurde in allen Gemeinden der Landgrafschaft eine Kollekte für die Flüchtlinge erhoben. Sogar in den Niederlanden wurde für die französischen Flüchtlinge gesammelt. Die Verwaltung dieser Kollekten lag in den Händen von Daniel Grandidier aus Sedan, der auch selbst Flüchtlingsfamilien in seinem Haus aufnahm. Er lebte seit 1664 in Kassel, wo er in der Entengasse ein Geschäft für Schnitt- und Kurzwaren sowie Seidenstrümpfe führte.
Zu den Einwanderern gehörten Juristen, Offiziere, Ärzte, Geistliche, Kaufleute sowie verschiedene Handwerker, darunter Handschuhmacher, Strumpf- und Bortenwirker, Gerber, Färber, Perückenmacher und vor allem Gärtner. Landgraf Karl errichtete zur Beschäftigung der Einwanderer eine Manufaktur zur Woll- und Lederfabrikation. Er beabsichtigte die Rohmaterialien aus der regionalen Schafzucht mit Hilfe der fortschrittlichen französischen Techniken weiterverarbeiten und verfeinern zu können. Da sich die feinen französischen Waren jedoch auf dem nordhessischen Markt nicht gut absetzen ließen, verließen zahlreiche Handwerker und Händler die Landgrafschaft schon nach kurzer Zeit wieder. Die Produktion in der Manufaktur musste eingestellt werden. Die Befreiung der französischen Handwerker vom Zunftzwang sowie die Erteilung des Braurechtes im Jahr 1690 erregte Unmut bei der einheimischen Bevölkerung.
Während des Feldzuges gegen Frankreich 1688 begegnete den Neuankömmlingen Misstrauen und es kam zu schweren Ausschreitungen gegen sie. Die einheimischen Wolltuchmacher beschwerten sich 1686 über sinkende Einnahmen und die Schneider 1709 über die «Pfuscher», die ihnen die Kundschaft wegnahmen.
Trotz des mangelnden wirtschaftlichen Erfolgs der französischen Handwerker und Händler bereicherten ihre mitgebrachten Kenntnisse und Fertigkeiten jedoch die Wissenschaft und das Kunsthandwerk der Landgrafschaft. Zahlreiche prominente Vertreter wurden weit über den Bereich Kassels hinaus bekannt.
(Text-Quelle: «Karlskirche Kassel - Ein historischer Rückblick», Herausgegeben von Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Mitte, Karlskirche Kassel, Autor: Claus Dieter Suß)
Wie die die Hugenotten nach Hessen-Kassel kamen
Der Protestantismus in Frankreich gründet sich auf die Lehren des Reformators Johannes Calvin (1509 - 1564), geboren in Noyon in der Picardie. Calvins Werdegang war eng mit dem Schicksal des frühen französischen Protestantismus verbunden. Ausgehend von der lutherischen Reformation entwickelte Calvin eine ganz eigenständige Gedankenwelt, die in der Institutio Christianae ihren Niederschlag gefunden hat. Im Gegensatz zu Luther widmete er den Fragen der rechtlichen Ordnung und der Gemeindezucht von Anfang an große Aufmerksamkeit und versuchte das Gemeinwesen zu verchristlichen. Calvin verstand Genf als einen Stützpunkt für den göttlichen Auftrag an der gesamten Christenheit und wirkte von dort ab 1536 und mit einer 3-jährigen Unterbrechung wieder ab 1541. Von hier wurden seine theologischen Werke über ganz Europa verbreitet, die auf die französischen Protestanten einen besonderen Einfluss ausübten. Das Wissen um die Gnade Gottes verlieh den Gläubigen unbegrenzte Kraft und unerschöpflichen Mut. Gewissenhafte Erfüllung der täglichen Pflichten und sinnvolle Nutzung des Tages empfanden sie als Dienst an Gottes Schöpfung.
Nach Genfer Vorbild entstanden überall in Frankreich reformierte Gemeinden. 1559 hielt die reformierte Kirche in Frankreich ihre erste Generalsynode in Paris ab. Französische Adlige gaben ihr Rückhalt, so beispielsweise Admiral Coligny, der neben vielen anderen französischen Adligen dem Blutbad der Batholomäusnacht (23./24. August 1572) zum Opfer fiel.
Der Bourbone Heinrich von Navarra, der 1589 als Heinrich IV. den französischen Thron bestieg, galt neben Admiral Coligny als einer der Führer der Protestanten. Aus politischen Gründen trat er zum katholischen Glauben über, bestätigte aber seinen Glaubensgenossen im Edikt von Nantes (1589) die freie Religionsausübung und eine politische Sonderstellung, die in der Einräumung von Sicherheitsplätzen bestand.
Die Hugenotten mussten dennoch bald um ihre Privilegien kämpfen und verloren 1628 mit der Eroberung von La Rochelle durch Kardinal Richelieu ihre Sicherheitsplätze. Unter Ludwig dem XIV. (1643-1715) kam es zu schweren Verfolgungen, die in der Aufhebung des Edikts von Nantes am 23. Oktober 1685 gipfelten. Über 200.000 Hugenotten flüchteten ins Ausland, besonders nach Holland und Deutschland. Neben anderen deutschen Fürsten wie dem Kurfürst von Brandenburg hatte der hessische Landgraf Karl (1654-1730) die französischen Refugiés mit einer «Freiheitskonzession und Begnadigung für die Fremden Manufacturiers etc.” vom 18. April 1685 zur Ansiedlung in die Landgrafschaft Hessen-Kassel eingeladen.
Die Bezeichnung «Hugenotte» war zunächst als spöttisches Schimpfwort gemeint und bedeutet wohl «Eidgenosse» (eiguenot). Ab 1520 war sie für die Anhänger der Reformation in Genf gebräuchlich. In der Zeit der Hugenottenkriege und -verfolgungen im 17. Jahrhundert wurde der Begriff zu einem Ehrentitel für die verfolgten Protestanten Frankreichs.
Ansiedlung der Hugenotten
Die Französischen Glaubensflüchtlinge (Refugiés) kamen zunächst in zwei Auswanderungswellen 1685-1687 und 1698 nach Kassel. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1698 nennt 168 Familiennamen, die Gesamtzahl der Flüchtlinge wird auf rund 1.400 Personen geschätzt. 1720/22 kam eine dritte Flüchtlingswelle in die Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Die Herkunft der ersten Einwanderer (1685-1687) waren die Dauphiné, Pragelas, Languedoc, Poitou und Vivarais. Die zweite Flüchtlingsgruppe (1698) stammte fast ausschließlich aus Metz. Sie wurden zunächst in Baracken im Stadtgraben in der Nähe der Fulda untergebracht. Einige fanden auch bei Franzosen Aufnahme, die bereits in Kassel wohnten.
Schwierige Aufnahme Um die Aufnahme der Einwanderer finanzieren zu können, wurde in allen Gemeinden der Landgrafschaft eine Kollekte für die Flüchtlinge erhoben. Sogar in den Niederlanden wurde für die französischen Flüchtlinge gesammelt. Die Verwaltung dieser Kollekten lag in den Händen von Daniel Grandidier aus Sedan, der auch selbst Flüchtlingsfamilien in seinem Haus aufnahm. Er lebte seit 1664 in Kassel, wo er in der Entengasse ein Geschäft für Schnitt- und Kurzwaren sowie Seidenstrümpfe führte.
Zu den Einwanderern gehörten Juristen, Offiziere, Ärzte, Geistliche, Kaufleute sowie verschiedene Handwerker, darunter Handschuhmacher, Strumpf- und Bortenwirker, Gerber, Färber, Perückenmacher und vor allem Gärtner. Landgraf Karl errichtete zur Beschäftigung der Einwanderer eine Manufaktur zur Woll- und Lederfabrikation. Er beabsichtigte die Rohmaterialien aus der regionalen Schafzucht mit Hilfe der fortschrittlichen französischen Techniken weiterverarbeiten und verfeinern zu können. Da sich die feinen französischen Waren jedoch auf dem nordhessischen Markt nicht gut absetzen ließen, verließen zahlreiche Handwerker und Händler die Landgrafschaft schon nach kurzer Zeit wieder. Die Produktion in der Manufaktur musste eingestellt werden. Die Befreiung der französischen Handwerker vom Zunftzwang sowie die Erteilung des Braurechtes im Jahr 1690 erregte Unmut bei der einheimischen Bevölkerung.
Während des Feldzuges gegen Frankreich 1688 begegnete den Neuankömmlingen Misstrauen und es kam zu schweren Ausschreitungen gegen sie. Die einheimischen Wolltuchmacher beschwerten sich 1686 über sinkende Einnahmen und die Schneider 1709 über die «Pfuscher», die ihnen die Kundschaft wegnahmen.
Trotz des mangelnden wirtschaftlichen Erfolgs der französischen Handwerker und Händler bereicherten ihre mitgebrachten Kenntnisse und Fertigkeiten jedoch die Wissenschaft und das Kunsthandwerk der Landgrafschaft. Zahlreiche prominente Vertreter wurden weit über den Bereich Kassels hinaus bekannt.
(Text-Quelle: «Karlskirche Kassel - Ein historischer Rückblick», Herausgegeben von Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Mitte, Karlskirche Kassel, Autor: Claus Dieter Suß)
Die von den Glaubensflüchtlingen mitgebrachte französische Kirchenordnung basierte auf weitgehender Selbstständigkeit der Gemeinden. Nach calvinistischem Verständnis wurde jede Gemeinde von einem Presbyterium, einem Kirchenvorstand, geleitet.
Nach längeren Auseinandersetzungen gewährte Landgraf Karl den Flüchtlingen die Verwendung ihrer Kirchenverfassung. Im Gegenzug versprachen diese, sich allen kirchlichen Ordnungen zu fügen. Im Unterschied zu den Landgemeinden behielt die Kasseler Gemeinde das Recht eines eigenen Ältestenrates, der direkt dem Landgrafen unterstellt war. Ebenso war sie von der geistlichen Inspektion der Prediger ausgenommen, die seit 1724 für alle französischen Pfarrer der Landgemeinden eingeführt worden war. Ab 1706 war es üblich je sechs Vertreter für die französische Gemeinde aus der Altstadt und der Oberneustadt zu wählen.
Die Presbyter dokumentierten ihre verantwortungsvolle Stellung, indem sie ihr Plätze rund um den Abendmahlstisch der Kirche ein nahmen und auch über das Recht der Gemeindeglieder zur Teilnahme am Abendmahl wachten.
Während der ersten Jahre war eine der wichtigsten Tätigkeiten des Presbyteriums, Abschwörungen von Gemeindegliedern entgegen zu nehmen, die unter Druck an einer katholischen Messe teilgenommen hatten. Die Ausübung der Kirchenzucht war dreistufig geordnet: 1. Zensur als brüderliche Ermahnung, 2. Suspension als zeitweiliger Ausschluss vom Abendmahl und 3. Exkommunikation.
Gottesdienst
Der Gottesdienst der französischen Gemeinden zeichnete sich durch große Nüchternheit und Schlichtheit aus. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand die Wortverkündigung. Neben der Predigt spielte der Psalmengesang eine wesentliche Rolle. Der Gottesdienstbesuch war hohe Pflicht für jedes Gemeindeglied. Schon kleine Kinder wurden zum Kirchgang angehalten. Der Ausschluss vom Gottesdienst traf einen Hugenotten härter als eine Gefängnisstrafe. Neben dem Hauptgottesdienst am Sonntagvormittag kamen die Gemeindeglieder zu einem zweiten Gottesdienst am Sonntagnachmittag zusammen, in dem die Predigt über den Katechismus im Mittelpunkt stand. Auch der Wochengottesdienst am Mittwoch war ein Predigtgottesdienst.
Nach Psalmgesang und Gebet folgte die Predigt. Sie bildete den Schwerpunkt des reformierten Gottesdienstes. Gebet und Psalmgesang schlossen sich erneut an.
Viermal im Jahr hatte eine jeder Hugenotte zum Abendmahl zu gehen: an Ostern, am Johannestag, Michaelis und vor oder nach Weihnachten. Zur Abendmahlsfeier wurden durch die Kirchenältesten kleine Marken «méreau» (Metallmünzen) mit der Aufschrift «admissible» (zugelassen) ausgegeben. Am Sonntag wurden die Marken beim Betreten des Parketts eingesammelt.
Zu jeder Abendmahlsfeier wurden die zehn Gebote verlesen. Beim Sündenbekenntnis, der sogenannten «Offenen Schuld» knieten Pfarrer und Gemeinde nieder. Danach traten die Personen, die sich gegen die Ordnungen der Kirche und des Bekenntnisses vergangen hatten, unter die Kanzel und baten um Wiederaufnahme in den Frieden der Kirche. In den ersten Jahren waren dies vor allem solche Gläubige, die unter Zwang an der katholischen Messe teilgenommen hatten.
Taufen und Trauungen sollten öffentlich vor der Gemeinde stattfinden. Haustrauungen waren ab 1706 gegen eine Gebühr möglich. Für Kranken- und Hausabendmahle, die eigentlich der Kirchenordnung widersprachen, war es erforderlich, dass sich vier bis fünf Personen beteiligten. Auch Nottaufen waren möglich, allerdings ebenfalls mit dem Hinweis, dass diese der Ordnung widersprechen.
Leichenbegräbnisse
Wegen der üblichen hohen Bestattungskosten der Zeit erlaubte der Landgraf ab 1687 der Gemeinde eigene Leichenbegräbnisse nach französischem Muster in aller Einfachheit - ohne Sarg, nur in Leichentücher gehüllt - abzuhalten. Dies wurde von der Gemeinde als besondere Gnade angesehen. Die französischen Pfarrer nahmen zunächst nur auf besonderen Wunsch am Leichenzug teil. Entgegen französischem Vorbild wurden bedeutende Persönlichkeiten ab 1713 auch in der Kirche beigesetzt.
Barmherzigkeit
Die Sorge für Alte, Kranke und Waise lag den Hugenotten besonders am Herzen. Daher wurde jeder Gottesdienst mit dem Gruß «geht in Frieden und vergesst die Armen nicht» geschlossen. Der Gottesdienst fand also seine Fortsetzung in der Barmherzigkeit im Alltag. Die Gemeinde kannte Diakone «diacres», die für die Fürsorge der Armen verantwortlich waren. Für jeden Hugenotten war die Abgabe eines beträchtlichen Teils seiner Einkünfte zur Unterstützung der Armenpflege selbstverständlich. Neben diesen Kollekten im Gottesdienst waren auch Vermächtnisse «Legate» an die Gemeinde üblich. Die Spenden wurden in einer Armenkasse verwahrt.
Jeder Arme, der Unterstützung wünschte, erhielt ein «billet» durch seinen Pfarrer. Dies setzte eine gottesfürchtige Gesinnung und eine «ordentliche» Lebensführung
voraus. Die Unterstützung sollte nicht der Faulheit dienen. Die Höhe der Unterstützung war begrenzt und betrug zwischen einem halben und einem ganzen Taler. Höhere Unterstützungen waren nur mit Zustimmungen von zwei bis drei Gemeindeältesten möglich. Eine Liste der ständigen Almosenempfänger wurde angelegt, die von Zeit zu Zeit überprüft wurde. Ebenso durften sich Bedürftige nach dem Gottesdienst melden, um sofort aus der Kollekte eine Unterstützung zu erhalten. Da Kassel für durchreisende Flüchtlinge eine wichtige Station war, wurden auch diese unterstützt, allerdings nur wenn sie ein entsprechendes Zeugnis eines Geistlichen vorlegten. Auch die Landgemeinden erhielten Unterstützungen durch die Kasseler Gemeindekasse. Diese bestanden meist aus Brot, Kleidung, Holz und Kohlen, Psalmen und Gesangbüchern, Zahlung von Beerdigungskosten und Darlehen zur Anschaffung von Handwerkszeug.
In der Oberneustadt gab es mehrere Armenhäuser und ein Hospital in der Georgenstraße gegenüber der Kirche, wo ein Pfleger und ein Wundarzt «chirurgien» beschäftigt waren, die Arzneien lieferte die Hofapotheke kostenlos. Das Hospital, das von 1690 bis 1692 errichtet worden war, wurde 1773 an den Messeplatz in der Fünffensterstraße verlegt. Die 15 bis 20 Plätze dort waren sehr begehrt und wurden durch das Presbyterium vergeben. Frauen aus der Gemeinde verteilten als Diakonissen «diaconesses» hier regelmäßig Kleidung und Bettwäsche. Außerdem erhielt jeder Bewohner Brot, Fleisch und Bier.
Der Chemiker Georg André Lenoir gab mit 6,5 Millionen Goldmark die größte Stiftung, die je für wohltätige Zwecke gemacht wurde. Er bestimmte das Geld für die Gründung eines Waisenhauses in Fürstenhagen und die Versorgung von 200 mittellosen Waisenkindern.
(Text-Quelle: «Karlskirche Kassel - Ein historischer Rückblick», Herausgegeben von Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Mitte, Karlskirche Kassel, Autor: Claus Dieter Suß)
Hintergrund: Die französisch-reformierte Gemeinde
Die von den Glaubensflüchtlingen mitgebrachte französische Kirchenordnung basierte auf weitgehender Selbstständigkeit der Gemeinden. Nach calvinistischem Verständnis wurde jede Gemeinde von einem Presbyterium, einem Kirchenvorstand, geleitet.
Nach längeren Auseinandersetzungen gewährte Landgraf Karl den Flüchtlingen die Verwendung ihrer Kirchenverfassung. Im Gegenzug versprachen diese, sich allen kirchlichen Ordnungen zu fügen. Im Unterschied zu den Landgemeinden behielt die Kasseler Gemeinde das Recht eines eigenen Ältestenrates, der direkt dem Landgrafen unterstellt war. Ebenso war sie von der geistlichen Inspektion der Prediger ausgenommen, die seit 1724 für alle französischen Pfarrer der Landgemeinden eingeführt worden war. Ab 1706 war es üblich je sechs Vertreter für die französische Gemeinde aus der Altstadt und der Oberneustadt zu wählen.
Die Presbyter dokumentierten ihre verantwortungsvolle Stellung, indem sie ihr Plätze rund um den Abendmahlstisch der Kirche ein nahmen und auch über das Recht der Gemeindeglieder zur Teilnahme am Abendmahl wachten.
Während der ersten Jahre war eine der wichtigsten Tätigkeiten des Presbyteriums, Abschwörungen von Gemeindegliedern entgegen zu nehmen, die unter Druck an einer katholischen Messe teilgenommen hatten. Die Ausübung der Kirchenzucht war dreistufig geordnet: 1. Zensur als brüderliche Ermahnung, 2. Suspension als zeitweiliger Ausschluss vom Abendmahl und 3. Exkommunikation.
Gottesdienst
Der Gottesdienst der französischen Gemeinden zeichnete sich durch große Nüchternheit und Schlichtheit aus. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand die Wortverkündigung. Neben der Predigt spielte der Psalmengesang eine wesentliche Rolle. Der Gottesdienstbesuch war hohe Pflicht für jedes Gemeindeglied. Schon kleine Kinder wurden zum Kirchgang angehalten. Der Ausschluss vom Gottesdienst traf einen Hugenotten härter als eine Gefängnisstrafe. Neben dem Hauptgottesdienst am Sonntagvormittag kamen die Gemeindeglieder zu einem zweiten Gottesdienst am Sonntagnachmittag zusammen, in dem die Predigt über den Katechismus im Mittelpunkt stand. Auch der Wochengottesdienst am Mittwoch war ein Predigtgottesdienst.
Nach Psalmgesang und Gebet folgte die Predigt. Sie bildete den Schwerpunkt des reformierten Gottesdienstes. Gebet und Psalmgesang schlossen sich erneut an.
Viermal im Jahr hatte eine jeder Hugenotte zum Abendmahl zu gehen: an Ostern, am Johannestag, Michaelis und vor oder nach Weihnachten. Zur Abendmahlsfeier wurden durch die Kirchenältesten kleine Marken «méreau» (Metallmünzen) mit der Aufschrift «admissible» (zugelassen) ausgegeben. Am Sonntag wurden die Marken beim Betreten des Parketts eingesammelt.
Zu jeder Abendmahlsfeier wurden die zehn Gebote verlesen. Beim Sündenbekenntnis, der sogenannten «Offenen Schuld» knieten Pfarrer und Gemeinde nieder. Danach traten die Personen, die sich gegen die Ordnungen der Kirche und des Bekenntnisses vergangen hatten, unter die Kanzel und baten um Wiederaufnahme in den Frieden der Kirche. In den ersten Jahren waren dies vor allem solche Gläubige, die unter Zwang an der katholischen Messe teilgenommen hatten.
Taufen und Trauungen sollten öffentlich vor der Gemeinde stattfinden. Haustrauungen waren ab 1706 gegen eine Gebühr möglich. Für Kranken- und Hausabendmahle, die eigentlich der Kirchenordnung widersprachen, war es erforderlich, dass sich vier bis fünf Personen beteiligten. Auch Nottaufen waren möglich, allerdings ebenfalls mit dem Hinweis, dass diese der Ordnung widersprechen.
Leichenbegräbnisse
Wegen der üblichen hohen Bestattungskosten der Zeit erlaubte der Landgraf ab 1687 der Gemeinde eigene Leichenbegräbnisse nach französischem Muster in aller Einfachheit - ohne Sarg, nur in Leichentücher gehüllt - abzuhalten. Dies wurde von der Gemeinde als besondere Gnade angesehen. Die französischen Pfarrer nahmen zunächst nur auf besonderen Wunsch am Leichenzug teil. Entgegen französischem Vorbild wurden bedeutende Persönlichkeiten ab 1713 auch in der Kirche beigesetzt.
Barmherzigkeit
Die Sorge für Alte, Kranke und Waise lag den Hugenotten besonders am Herzen. Daher wurde jeder Gottesdienst mit dem Gruß «geht in Frieden und vergesst die Armen nicht» geschlossen. Der Gottesdienst fand also seine Fortsetzung in der Barmherzigkeit im Alltag. Die Gemeinde kannte Diakone «diacres», die für die Fürsorge der Armen verantwortlich waren. Für jeden Hugenotten war die Abgabe eines beträchtlichen Teils seiner Einkünfte zur Unterstützung der Armenpflege selbstverständlich. Neben diesen Kollekten im Gottesdienst waren auch Vermächtnisse «Legate» an die Gemeinde üblich. Die Spenden wurden in einer Armenkasse verwahrt.
Jeder Arme, der Unterstützung wünschte, erhielt ein «billet» durch seinen Pfarrer. Dies setzte eine gottesfürchtige Gesinnung und eine «ordentliche» Lebensführung
voraus. Die Unterstützung sollte nicht der Faulheit dienen. Die Höhe der Unterstützung war begrenzt und betrug zwischen einem halben und einem ganzen Taler. Höhere Unterstützungen waren nur mit Zustimmungen von zwei bis drei Gemeindeältesten möglich. Eine Liste der ständigen Almosenempfänger wurde angelegt, die von Zeit zu Zeit überprüft wurde. Ebenso durften sich Bedürftige nach dem Gottesdienst melden, um sofort aus der Kollekte eine Unterstützung zu erhalten. Da Kassel für durchreisende Flüchtlinge eine wichtige Station war, wurden auch diese unterstützt, allerdings nur wenn sie ein entsprechendes Zeugnis eines Geistlichen vorlegten. Auch die Landgemeinden erhielten Unterstützungen durch die Kasseler Gemeindekasse. Diese bestanden meist aus Brot, Kleidung, Holz und Kohlen, Psalmen und Gesangbüchern, Zahlung von Beerdigungskosten und Darlehen zur Anschaffung von Handwerkszeug.
In der Oberneustadt gab es mehrere Armenhäuser und ein Hospital in der Georgenstraße gegenüber der Kirche, wo ein Pfleger und ein Wundarzt «chirurgien» beschäftigt waren, die Arzneien lieferte die Hofapotheke kostenlos. Das Hospital, das von 1690 bis 1692 errichtet worden war, wurde 1773 an den Messeplatz in der Fünffensterstraße verlegt. Die 15 bis 20 Plätze dort waren sehr begehrt und wurden durch das Presbyterium vergeben. Frauen aus der Gemeinde verteilten als Diakonissen «diaconesses» hier regelmäßig Kleidung und Bettwäsche. Außerdem erhielt jeder Bewohner Brot, Fleisch und Bier.
Der Chemiker Georg André Lenoir gab mit 6,5 Millionen Goldmark die größte Stiftung, die je für wohltätige Zwecke gemacht wurde. Er bestimmte das Geld für die Gründung eines Waisenhauses in Fürstenhagen und die Versorgung von 200 mittellosen Waisenkindern.
(Text-Quelle: «Karlskirche Kassel - Ein historischer Rückblick», Herausgegeben von Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Mitte, Karlskirche Kassel, Autor: Claus Dieter Suß)
Im Haus von Henri Grandidier am Entenanger wurde am 28. Oktober 1685 ein erster Gottesdienst abgehalten. Ab November 1684 durfte die französische Gemeinde in der Brüderkirche ihre Gottesdienste feiern. Später wurde ihnen auch die Schlosskirche überlassen und ab 1691 wurden dreimal wöchentlich Betstunden in der Oberneustadt abgehalten.
Als im Jahr 1697 alle Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Frankreich durch den Frieden von Rijswijk zunichte gemacht wurden, entstand der Wunsch nach Errichtung eigener Kirchen. Um die Jahreswende 1696/97 reichte die noch junge französische Gemeinde der Oberneustadt beim Landgrafen eine Bittschrift ein, ihnen den Neubau einer eigenen Kirche zu gestatten. Ein Bauplatz für die Kirche war in der Stadtplanung von Anfang an vorgesehen.
Der französische Architekt und Hofbaumeister Paul du Ry (1640-1714) wurde mit Planung und Durchführung eines Kirchenbaus beauftragt. Landgraf Karl legte am 3. August 1698, seinem 45. Geburtstag, den Grundstein für die Oberneustädter Kirche, wie die Karlskirche bis 1906 hieß. Zur Feier des Tages wurden zwei unterschiedliche Medaillen hergestellt, von denen eine etwas später in die Fundamente des Hauptportals gelegt wurde, das damals zur Frankfurter Straße hin lag.
Die Kirche wurde am 5. Oktober 1706 vollendet und am 12. Februar 1710 von Paul Joly aus Metz, dem «Pasteur» der französischen Altstadtgemeinde, in den Dienst genommen. Die Kosten des Baus wurden zum größten Teil vom Bauherrn, dem Landgrafen Karl, getragen.
Die Karlskirche und Ihre Geschichte
Im Haus von Henri Grandidier am Entenanger wurde am 28. Oktober 1685 ein erster Gottesdienst abgehalten. Ab November 1684 durfte die französische Gemeinde in der Brüderkirche ihre Gottesdienste feiern. Später wurde ihnen auch die Schlosskirche überlassen und ab 1691 wurden dreimal wöchentlich Betstunden in der Oberneustadt abgehalten.
Als im Jahr 1697 alle Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Frankreich durch den Frieden von Rijswijk zunichte gemacht wurden, entstand der Wunsch nach Errichtung eigener Kirchen. Um die Jahreswende 1696/97 reichte die noch junge französische Gemeinde der Oberneustadt beim Landgrafen eine Bittschrift ein, ihnen den Neubau einer eigenen Kirche zu gestatten. Ein Bauplatz für die Kirche war in der Stadtplanung von Anfang an vorgesehen.
Der französische Architekt und Hofbaumeister Paul du Ry (1640-1714) wurde mit Planung und Durchführung eines Kirchenbaus beauftragt. Landgraf Karl legte am 3. August 1698, seinem 45. Geburtstag, den Grundstein für die Oberneustädter Kirche, wie die Karlskirche bis 1906 hieß. Zur Feier des Tages wurden zwei unterschiedliche Medaillen hergestellt, von denen eine etwas später in die Fundamente des Hauptportals gelegt wurde, das damals zur Frankfurter Straße hin lag.
Die Kirche wurde am 5. Oktober 1706 vollendet und am 12. Februar 1710 von Paul Joly aus Metz, dem «Pasteur» der französischen Altstadtgemeinde, in den Dienst genommen. Die Kosten des Baus wurden zum größten Teil vom Bauherrn, dem Landgrafen Karl, getragen.
Architektur
Die Architektur des «Temple», wie die Hugenotten ihre Kirchen nannten, orientierte sich an einigen Vorgängerbauten in Frankreich, namentlich am «Temple Neuf» von Montauban, der leider nicht erhalten geblieben ist. Der Bau wurde als gestrecktes Achteck mit innen ringsum nach außen ansteigenden Bankreihen errichtet. Die Kanzel befand sich an der Nordwestseite über dem Pult des «Lecteur». Statt des Altars stand in der Mitte des Raumes ein einfacher Abendmahlstisch. Der Stuhl des Landgrafen befand sich gegenüber der Kanzel an der Südostseite.
Ungewöhnlich für eine Hugenottenkirche waren die mächtige Kuppel, der auffällige Treppenhausvorbau mit Segmentgiebel und Portal und die Orgel im Inneren. Offensichtlich hat der Landgraf selbst die Anregungen hierzu gegeben. Die von du Ry ursprünglich geplante Laterne als Bekrönung der Kuppel wurde nicht ausgeführt. Stattdessen wurde ein kleiner achteckiger Glockenturm aufgesetzt, den man 1892 durch einen strittigen Aufsatz ersetzte. Wohl aus Platzmangel wurde im Jahre 1730 eine untere, 1874 eine obere Empore in Form von einfachen Holzbühnen eingebaut.
Das sonst beschieferte Dach war in seinem oberen Teil mit Blei gedeckt, das 1754 durch einen Kupferbelag ersetzt wurde. Gleichzeitig wurde die Kirche weiß gestrichen. Auch das Innere erhielt wenig später einen weißen Anstrich. Die Kuppel war von Innen mit einem Sternenhimmel bemalt.
Die Karlskirche wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zunächst schwer beschädigt und brannte während des Bombardements in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1943 bis auf die Grundmauern aus. Die wertvollen alten Altargeräte konnten geborgen werden. Beim Abbruch der Reste des Treppenhausvorbaus nach Kriegsende fand man die zur Grundsteinlegung 1698 geprägte Gedenkmedaille.
1952 avisiert Landeskirchenbaurat Maurer gegenüber der Oberen Denkmalbehörde in Wiesbaden die Ausschreibung eines Wettbewerbes zum Wiederaufbau der Karlskirche. Er schlägt vor, die Kuppel nicht wiederaufzubauen und das Hauptportal aufgrund der verbreiterten Frankfurter Straße zur Wilhelmstraße hin zu verlegen. Dort befand sich früher die Kanzel, bzw. der Altar. Nach der Durchführung des Architektenwettbewerbs wird im Januar 1954 der Kasseler Architekt Walter Seidel mit dem Bau beauftragt.
Im Frühjahr 1957 wird die Karlskirche fertiggestellt und am Palmsonntag, dem 14. April 1957, findet der feierliche Einweihungsgottesdienst statt.
Erst im August wird die Firma Bosch (Kassel) mit dem Bau der Orgel beauftragt. Diese wird am 26. April 1959 eingeweiht.
(Text-Quelle: «Karlskirche Kassel - Ein historischer Rückblick», Herausgegeben von Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Mitte, Karlskirche Kassel, Autor: Dr. Christoph Lange)
Von Jens Bayer-Gimm (epd)
Frankfurt a.M. (epd). Er ist 1.800 Kilometer lang und zieht sich von Le Poët-Laval in den südfranzösischen Alpen bis hin zum nordhessischen Bad Karlshafen an der Weser. Der Hugenotten- und Waldenserpfad ist die Route, auf der vor mehr als 300 Jahren Zehntausende Protestanten aus Südfrankreich und Waldenser aus den italienisch-piemontesischen Alpentälern wegen der Unterdrückung ihres Glaubens flohen. In diesen Wochen werden die ersten Teilstrecken des Europäischen Kulturfernwanderwegs in Hessen eröffnet.
Auslöser war der französische «Sonnenkönig»: Ludwig XIV. verbot 1685 die Ausübung des evangelischen Glaubens in seinem Reich. Daraufhin flüchteten rund 200.000 Protestanten trotz eines Verbots ins Ausland. Auf Schleichwegen durch die Alpen führten die Routen der Hugenotten und Waldenser ins evangelische Genf. Von dort konnten die Flüchtlinge offen auf der Straße über Bern und Zürich bis Schaffhausen reisen, weiter durch das evangelische Württemberg und Nordbaden in die evangelischen Territorien Hessens.
Die weiße Silhouette eines wandernden Hugenotten mit Rock, Schlapphut und Stock vor einer blauen Scheibe bildet das Logo des Vereins «Hugenotten- und Waldenserpfad». Dem Verein gehören Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden, Wander- und Kulturvereine sowie Unternehmen an. Die Mitglieder wollen in Kooperation mit europäischen Partnern die 800 Kilometer lange Wegstrecke in Deutschland auszeichnen sowie Gasthäuser und Hotels für eine Zusammenarbeit gewinnen.
«Das Hugenottenbild stammt von einem historischen Kupferstich und Erkennungsmünzen, mit denen sich die verfolgten Protestanten auf ihren geheimen Zusammenkünften auswiesen», erklärt Renate Buchenauer, Koordinatorin des Vereins. Die Mitarbeiter markieren den Wanderpfad mit der blauen Scheibe, die die historische Erkennungsmünze (méreau) symbolisiert, und einer geschwungenen grünen Linie für den Pfad.
In den vergangenen Wochen sind die ersten Teilstrecken des Wanderpfades in Hessen eröffnet worden. Der Routenabschnitt «Lahn-Dill-Taunus» führt vom Waldenserort Bad Homburg-Dornholzhausen zum Hugenottenort Greifenthal und nach Greifenstein bei Wetzlar. Auf den Gemarkungen von Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt und Ober-Ramstadt bei Darmstadt sind Routenabschnitte eröffnet worden, die an die Waldensergründungen von Walldorf und der zu Ober-Ramstadt gehörenden Dörfer Rohrbach, Wembach und Hahn erinnern. Jüngst wurde der Abschnitt von Frankenau (Landkreis Waldeck-Frankenberg) durch den Burgwald nach Marburg eröffnet. In den nächsten Wochen soll eine Strecke im Odenwald folgen.
Die Errichtung des Fernwanderwegs passt für Barbara Dölemeyer in die heutige Zeit: «Das Pilgern in einem weiten Sinne, also die Verbindung von Wandern mit kulturellen Erkenntnissen, ist in Mode gekommen», sagt die Gießener Professorin für Rechtsgeschichte, die sich in die Geschichte der protestantischen Flüchtlinge vertieft hat.
Der Hugenotten- und Waldenserpfad führe zu zahlreichen schönen Fachwerkhäusern und Kirchen, die etwa in den nordhessischen Orten Gottstreu, Gewissenruh und Schöneberg noch französische Inschriften tragen.
Wo die Flüchtlinge ansässig wurden, werden mancherorts noch heute bei größeren Feiertagen Gottesdienste auf Französisch gehalten. In dem von Hugenotten gegründeten Ort Kelze in Nordhessen wird alljährlich am ersten Sonntag im Mai das Mayencefest gefeiert: Dreijährige Mädchen in Tracht, gekrönt von einer Blumenkrone, ziehen von Haus zu Haus und singen das Mayencelied.
Die Ansiedlung der südeuropäischen Flüchtlinge führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung: «Sie kamen aus kulturell höherstehenden Ländern», erklärt Dölemeyer. Die Hugenotten brachten neue Obst- und Gemüsepflanzen mit und führten Techniken der Gold- und Silberschmiedekunst, des Uhrmacherhandwerks, der Seidenherstellung und Textilmanufakturen ein.
Der Vorsitzende des Vereins «Hugenotten- und Waldenserpfad», Herbert Hunkel, engagiert sich aus persönlicher Verbundenheit: Der Bürgermeister der von Hugenotten gegründeten Kleinstadt Neu-Isenburg bei Frankfurt hat seine Abstammung bis zu protestantischen Vorfahren aus dem südfranzösischen Languedoc zurückverfolgt. «Der Pfad ist gut, um die Natur zu erleben, um lokale Besonderheiten zu entdecken, und um auf die Bedeutung von Glaubensfreiheit und Toleranz aufmerksam zu werden», wirbt er.
Wandern auf dem Hugenotten- und Waldenserpfad - Erste Routenabschnitte in Hessen eröffnet
Von Jens Bayer-Gimm (epd)
Frankfurt a.M. (epd). Er ist 1.800 Kilometer lang und zieht sich von Le Poët-Laval in den südfranzösischen Alpen bis hin zum nordhessischen Bad Karlshafen an der Weser. Der Hugenotten- und Waldenserpfad ist die Route, auf der vor mehr als 300 Jahren Zehntausende Protestanten aus Südfrankreich und Waldenser aus den italienisch-piemontesischen Alpentälern wegen der Unterdrückung ihres Glaubens flohen. In diesen Wochen werden die ersten Teilstrecken des Europäischen Kulturfernwanderwegs in Hessen eröffnet.
Auslöser war der französische «Sonnenkönig»: Ludwig XIV. verbot 1685 die Ausübung des evangelischen Glaubens in seinem Reich. Daraufhin flüchteten rund 200.000 Protestanten trotz eines Verbots ins Ausland. Auf Schleichwegen durch die Alpen führten die Routen der Hugenotten und Waldenser ins evangelische Genf. Von dort konnten die Flüchtlinge offen auf der Straße über Bern und Zürich bis Schaffhausen reisen, weiter durch das evangelische Württemberg und Nordbaden in die evangelischen Territorien Hessens.
Die weiße Silhouette eines wandernden Hugenotten mit Rock, Schlapphut und Stock vor einer blauen Scheibe bildet das Logo des Vereins «Hugenotten- und Waldenserpfad». Dem Verein gehören Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden, Wander- und Kulturvereine sowie Unternehmen an. Die Mitglieder wollen in Kooperation mit europäischen Partnern die 800 Kilometer lange Wegstrecke in Deutschland auszeichnen sowie Gasthäuser und Hotels für eine Zusammenarbeit gewinnen.
«Das Hugenottenbild stammt von einem historischen Kupferstich und Erkennungsmünzen, mit denen sich die verfolgten Protestanten auf ihren geheimen Zusammenkünften auswiesen», erklärt Renate Buchenauer, Koordinatorin des Vereins. Die Mitarbeiter markieren den Wanderpfad mit der blauen Scheibe, die die historische Erkennungsmünze (méreau) symbolisiert, und einer geschwungenen grünen Linie für den Pfad.
In den vergangenen Wochen sind die ersten Teilstrecken des Wanderpfades in Hessen eröffnet worden. Der Routenabschnitt «Lahn-Dill-Taunus» führt vom Waldenserort Bad Homburg-Dornholzhausen zum Hugenottenort Greifenthal und nach Greifenstein bei Wetzlar. Auf den Gemarkungen von Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt und Ober-Ramstadt bei Darmstadt sind Routenabschnitte eröffnet worden, die an die Waldensergründungen von Walldorf und der zu Ober-Ramstadt gehörenden Dörfer Rohrbach, Wembach und Hahn erinnern. Jüngst wurde der Abschnitt von Frankenau (Landkreis Waldeck-Frankenberg) durch den Burgwald nach Marburg eröffnet. In den nächsten Wochen soll eine Strecke im Odenwald folgen.
Die Errichtung des Fernwanderwegs passt für Barbara Dölemeyer in die heutige Zeit: «Das Pilgern in einem weiten Sinne, also die Verbindung von Wandern mit kulturellen Erkenntnissen, ist in Mode gekommen», sagt die Gießener Professorin für Rechtsgeschichte, die sich in die Geschichte der protestantischen Flüchtlinge vertieft hat.
Der Hugenotten- und Waldenserpfad führe zu zahlreichen schönen Fachwerkhäusern und Kirchen, die etwa in den nordhessischen Orten Gottstreu, Gewissenruh und Schöneberg noch französische Inschriften tragen.
Wo die Flüchtlinge ansässig wurden, werden mancherorts noch heute bei größeren Feiertagen Gottesdienste auf Französisch gehalten. In dem von Hugenotten gegründeten Ort Kelze in Nordhessen wird alljährlich am ersten Sonntag im Mai das Mayencefest gefeiert: Dreijährige Mädchen in Tracht, gekrönt von einer Blumenkrone, ziehen von Haus zu Haus und singen das Mayencelied.
Die Ansiedlung der südeuropäischen Flüchtlinge führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung: «Sie kamen aus kulturell höherstehenden Ländern», erklärt Dölemeyer. Die Hugenotten brachten neue Obst- und Gemüsepflanzen mit und führten Techniken der Gold- und Silberschmiedekunst, des Uhrmacherhandwerks, der Seidenherstellung und Textilmanufakturen ein.
Der Vorsitzende des Vereins «Hugenotten- und Waldenserpfad», Herbert Hunkel, engagiert sich aus persönlicher Verbundenheit: Der Bürgermeister der von Hugenotten gegründeten Kleinstadt Neu-Isenburg bei Frankfurt hat seine Abstammung bis zu protestantischen Vorfahren aus dem südfranzösischen Languedoc zurückverfolgt. «Der Pfad ist gut, um die Natur zu erleben, um lokale Besonderheiten zu entdecken, und um auf die Bedeutung von Glaubensfreiheit und Toleranz aufmerksam zu werden», wirbt er.
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