epd: Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, propagiert eine Ökumene der Profile, der Wiener Professor Ulrich Körtner spricht von einer «Differenzökumene». Wohin tendiert Ihrer Meinung nach heute die Ökumene?
Bischof Hein: Für das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche trage ich dazu noch einen weiteren Begriff bei: eine «Ökumene der Ehrlichkeit». Wir sind in einer Phase, in der wir Bilanz ziehen. Wir müssen schauen: Haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten zu viel zugemutet und um einer vorgeblichen Gemeinschaft willen zu wenig darauf geachtet, was unser eigenes Anliegen ist? Haben wir bestehende Differenzpunkte kaschiert?
epd: Ist das geschehen?
Bischof Hein: In der Vorstellung waren wir weiter, als es in der konkreten Umsetzung der Fall ist. Wir stoßen an Grenzen bei den wesentlichen Fragen, bei denen seit zehn, zwanzig, zum Teil dreißig Jahren die Diskussion immer wieder neu begonnen wird. Sollten wir an dieser Stelle nicht deutlich sagen, dass wir uns von evangelischer Seite möglicherweise über die Bedeutung dieser Differenzpunkte getäuscht haben? Dann könnten wir von dieser Basis aus wieder ernsthaft ins Gespräch mit der katholischen Kirche eintreten. Dieser Dialog ist aber nur dann sinnvoll, wenn die andere Seite auch willens ist, eigene Positionen kritisch in Frage zu stellen. Entscheidende Differenzen zum Amt oder zur Ordination werden leider immer so verhandelt, dass die römische Kirche an uns Fragen stellt.
epd: Der im Vatikan für Ökumene-Fragen zuständige Kurienkardinal Walter Kasper spricht davon, dass sich der ökumenische Dialog in einer «Steilwand» befinde.
Bischof Hein: Die Steilwand richten nicht wir Evangelischen auf. In der Steilwand zu klettern wird uns von unseren katholischen Brüdern aufgenötigt. Es geht nicht darum, dass wir in einen permanenten Konkurrenzkampf eintreten. Das wäre kaum glaubwürdig in einer Öffentlichkeit, die nach dem gemeinsamen Zeugnis der Christen fragt. Aber wir haben keinen Grund, uns als Evangelische zu verstecken und uns für unsere Existenz entschuldigen zu müssen.
epd: Bedeutet das Reformationsjubiläum 2017 eine Zuspitzung?
Bischof Hein: Reformationsjubiläen sind in der Geschichte immer bedeutsam gewesen, vor allem das Jahr 1817 mit der Folge, dass die Unionskirchen eingeführt wurden. Es macht in der Kirche wieder Sinn, sich über die Frage zu verständigen: Warum sind wir evangelisch? - und dafür gute Gründe zu nennen. Wir tun das nicht aus einem Legitimationsdruck heraus, sich krampfhaft abgrenzen zu müssen, sondern wir entdecken neu, welchen Schatz wir in unserer evangelischen Tradition besitzen.
epd: Wie schätzen Sie das ökumenische Engagement von Papst Benedikt XVI. ein?
Bischof Hein: Der Papst hat in seinem Fernsehinterview eher ausweichend auf die Fragen nach der Ökumene geantwortet. Für den römischen Papst gibt es ein umfassendes evangelisches Gegenüber nicht. Er hat gleich zwischen den verschiedenen protestantischen Konfessionen differenziert: «divide et impera» («teile und herrsche», d. Red.). Dabei hat er primär auf anstehende gemeinsame ethische Richtlinien verwiesen und erst danach auf das gemeinsame Zeugnis des Glaubens. Es scheint mir, dass aus Sicht des Papstes der gemeinsame Bestand an Glaubensüberzeugungen gar nicht so groß ist, wenn er vorab auf eine Ökumene der Ethik und erst in zweiter Linie auf das gemeinsame Glaubenszeugnis wert legt. Das enttäuscht mich. Da waren wir schon einmal weiter.
epd: Sehen Sie den Weltkirchenrat als ein gemeinsames Gegenüber für den Vatikan?
Bischof Hein: Der Vatikan hat immer auf die bilateralen Kontakte Wert gelegt, mit der Orthodoxie, mit dem Lutherischen Weltbund oder mit den Anglikanern. Historisch gesehen ist das Interesse des gegenwärtigen Papstes stärker auf die Orthodoxie bezogen. Ich glaube, dass er die Reformation eher als einen Fehltritt der Kirchengeschichte einschätzt. Dagegen kommt ihm die Orthodoxie - trotz des Schismas von 1054 - sehr nahe, beispielsweise durch die gemeinsame Betonung der Liturgie. Der Weltkirchenrat ist für den Vatikan kein Gegenüber auf Augenhöhe - warum auch.
Der ÖRK vertritt rund eine halbe Milliarde Christen aus reformatorischer und orthodoxer Tradition, die römisch-katholische Kirche vertritt die doppelte Anzahl von Gläubigen. Die römische Kirche tut sich mit der Vielfalt des Weltkirchenrates mit seinen 350 Kirchen und unterschiedlichen Kulturen eher schwer.
epd: Der Weltkirchenrat wurde in der Vergangenheit beispielsweise durch seine Anti-
Apartheid-Politik öffentlich als politische Größe wahrgenommen. Heute erscheint der ÖRK als eine Institution, die sich vor allem mit kirchen- oder gar organisationsinternen Fragen beschäftigt. Wie geht es weiter?
Bischof Hein: Zwei politische Voraussetzungen, von denen der ÖRK bestimmt war, sind weggefallen. Das eine war die Apartheid-Frage in Südafrika, das andere der Ost-West-Konflikt. Daher ist der ÖRK auf der Suche nach einem neuen verbindenden oder auch polarisierenden Thema. Als solches scheint sich gegenwärtig die Globalisierung abzuzeichnen. Bei der ÖRK-Vollversammlung im Februar in Porto Alegre hat man in weiser Selbstbescheidung gesagt: Tue weniger, aber das, was Du tust, tue gut. Der ÖRK ist nicht die UNO und auch nicht die Welthandelsorganisation. Es geht darum zu fragen: Was macht ÖRK-Programme einzigartig und unaustauschbar?
epd: Wie kommt der ÖRK dahin?
Bischof Hein: Es ist ausgesprochen schwierig, hier Perspektiven zu entwickeln, weil sich die Welt sehr differenziert darstellt. Der ÖRK-Zentralausschuss soll bei seiner bevorstehenden Sitzung Ende August/Anfang September in Genf Programmlinien verabschieden. Hauptaspekte sind die Frage der ökumenischen Bewegung im 21. Jahrhundert, die Frage nach Einheit, Mission und Spiritualität. Andererseits gibt es die Frage, was es bedeutet, in dieser friedlosen Welt das Bekenntnis zum Frieden aufrecht zu erhalten, die Fragen nach Gerechtigkeit, Diakonie, dem Dialog und der Zusammenarbeit der Religionen.
epd: Müssen in diesem breiten Programm Schwerpunkte gesetzt werden?
Bischof Hein: Die Herausforderungen sind vielfältig und nicht einseitig fokussierbar. Der ÖRK kann eine Plattform sein, auf der weiterhin die unterschiedlichen Perspektiven in Kommunikation geraten und auf der vorweggenommen wird, wie das Zusammenleben in der Welt politisch gestaltet werden kann. Der ÖRK selbst ist der Testfall für die Tragfähigkeit dessen, was er verlautbart.
epd: In Porto Alegre sind im ÖRK schwer überbrückbare Differenzen in der Frage der Globalisierung zu Tage getreten, sowohl inhaltlich als auch in der Kommunikation. Wird der ÖRK eine gemeinsame Stimme finden?
Bischof Hein: Ich glaube, das braucht Zeit und Sachverstand. Es ist nicht damit getan, dass wir zur Globalisierung in absehbarer Zeit eine irgendwie geartete Stellungnahme abgeben. Wir müssen versuchen, auf Grund der unterschiedlichen Erfahrung mit Globalisierung im Norden und im Süden dieser Welt diesen Prozess in der Ökumene beispielhaft durchzuführen. Wenn es gelingt, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens unterschiedliche Positionen, die sich gegenwärtig noch auszuschließen scheinen, miteinander ins Gespräch zu bringen, wäre dieser Testfall ein Weg dafür, wie dies auch auf einer globaleren Ebene möglich wäre. Der ÖRK ist der Ort für die Erprobung einer Einheit der Kirchen, eine Plattform, über eine gerechtere Wirtschaftsordnung in der Welt nachzudenken, und auch dafür, Wege zum Frieden zu entwickeln. Wenn wir angesichts der Pluralität im ÖRK nicht in der Lage sind, beispielhaft voran zu gehen, brauchen wir das auch nicht von anderen zu erwarten.
epd: Wie kann der Weltkirchenrat effizienter arbeiten?
Bischof Hein: Ich glaube, dass allen Mitgliedern des Zentralausschusses klar ist: So wie bisher geht es nicht weiter. Verabschiedete Programme müssen befristet sein und nach einer gewissen Zeit ausgewertet werden. Man darf sich insgesamt nicht zu viel zumuten. Das sage ich auch selbstkritisch im Blick auf die «Dekade zur Überwindung der Gewalt». In diesem Zeitraum ist die Gewalt in der Welt eher gewachsen, als dass sie abgenommen hätte. Trotzdem heißt das nicht, dass wir uns von dieser Fragestellung verabschieden, sondern wir müssen fragen: Was ist der konkrete Auftrag der Kirchen in konkreten Konfliktfeldern?
epd: Hätte der ÖRK im Libanon-Krieg sein Potenzial stärker ausspielen können?
Bischof Hein: Das hätte ich mir gewünscht und frage mich, warum das nicht gelingt. Die ÖRK-Delegation war nicht so hochrangig zusammengesetzt, dass sie bei den staatlichen Stellen im Libanon und in Israel oder in der Öffentlichkeit auf große Resonanz gestoßen wäre. Es müssten dort Mitglieder aus dem Exekutivausschuss hinreisen, sich unvoreingenommen informieren und vor allem auch den Blick auf die Situation der Christen in diesen Ländern richten. Dieser Aspekt fällt meistens heraus - es wird nur der Konflikt zwischen der Hizbullah und Israel beschrieben. Im Libanon gibt es christliche Kirchen mit einer langen Tradition, die in diesem schwierigen Konfliktfeld leben. Es wäre die Aufgabe des ÖRK, dies in den Vordergrund zu stellen.
Das Interview führten Stephan Cezanne und Thomas Schiller vom epd am 28.08.2006.
Im Wortlaut:
Bischof Hein für effiziente und realistische Programme des Weltkirchenrates
epd: Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, propagiert eine Ökumene der Profile, der Wiener Professor Ulrich Körtner spricht von einer «Differenzökumene». Wohin tendiert Ihrer Meinung nach heute die Ökumene?
Bischof Hein: Für das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche trage ich dazu noch einen weiteren Begriff bei: eine «Ökumene der Ehrlichkeit». Wir sind in einer Phase, in der wir Bilanz ziehen. Wir müssen schauen: Haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten zu viel zugemutet und um einer vorgeblichen Gemeinschaft willen zu wenig darauf geachtet, was unser eigenes Anliegen ist? Haben wir bestehende Differenzpunkte kaschiert?
epd: Ist das geschehen?
Bischof Hein: In der Vorstellung waren wir weiter, als es in der konkreten Umsetzung der Fall ist. Wir stoßen an Grenzen bei den wesentlichen Fragen, bei denen seit zehn, zwanzig, zum Teil dreißig Jahren die Diskussion immer wieder neu begonnen wird. Sollten wir an dieser Stelle nicht deutlich sagen, dass wir uns von evangelischer Seite möglicherweise über die Bedeutung dieser Differenzpunkte getäuscht haben? Dann könnten wir von dieser Basis aus wieder ernsthaft ins Gespräch mit der katholischen Kirche eintreten. Dieser Dialog ist aber nur dann sinnvoll, wenn die andere Seite auch willens ist, eigene Positionen kritisch in Frage zu stellen. Entscheidende Differenzen zum Amt oder zur Ordination werden leider immer so verhandelt, dass die römische Kirche an uns Fragen stellt.
epd: Der im Vatikan für Ökumene-Fragen zuständige Kurienkardinal Walter Kasper spricht davon, dass sich der ökumenische Dialog in einer «Steilwand» befinde.
Bischof Hein: Die Steilwand richten nicht wir Evangelischen auf. In der Steilwand zu klettern wird uns von unseren katholischen Brüdern aufgenötigt. Es geht nicht darum, dass wir in einen permanenten Konkurrenzkampf eintreten. Das wäre kaum glaubwürdig in einer Öffentlichkeit, die nach dem gemeinsamen Zeugnis der Christen fragt. Aber wir haben keinen Grund, uns als Evangelische zu verstecken und uns für unsere Existenz entschuldigen zu müssen.
epd: Bedeutet das Reformationsjubiläum 2017 eine Zuspitzung?
Bischof Hein: Reformationsjubiläen sind in der Geschichte immer bedeutsam gewesen, vor allem das Jahr 1817 mit der Folge, dass die Unionskirchen eingeführt wurden. Es macht in der Kirche wieder Sinn, sich über die Frage zu verständigen: Warum sind wir evangelisch? - und dafür gute Gründe zu nennen. Wir tun das nicht aus einem Legitimationsdruck heraus, sich krampfhaft abgrenzen zu müssen, sondern wir entdecken neu, welchen Schatz wir in unserer evangelischen Tradition besitzen.
epd: Wie schätzen Sie das ökumenische Engagement von Papst Benedikt XVI. ein?
Bischof Hein: Der Papst hat in seinem Fernsehinterview eher ausweichend auf die Fragen nach der Ökumene geantwortet. Für den römischen Papst gibt es ein umfassendes evangelisches Gegenüber nicht. Er hat gleich zwischen den verschiedenen protestantischen Konfessionen differenziert: «divide et impera» («teile und herrsche», d. Red.). Dabei hat er primär auf anstehende gemeinsame ethische Richtlinien verwiesen und erst danach auf das gemeinsame Zeugnis des Glaubens. Es scheint mir, dass aus Sicht des Papstes der gemeinsame Bestand an Glaubensüberzeugungen gar nicht so groß ist, wenn er vorab auf eine Ökumene der Ethik und erst in zweiter Linie auf das gemeinsame Glaubenszeugnis wert legt. Das enttäuscht mich. Da waren wir schon einmal weiter.
epd: Sehen Sie den Weltkirchenrat als ein gemeinsames Gegenüber für den Vatikan?
Bischof Hein: Der Vatikan hat immer auf die bilateralen Kontakte Wert gelegt, mit der Orthodoxie, mit dem Lutherischen Weltbund oder mit den Anglikanern. Historisch gesehen ist das Interesse des gegenwärtigen Papstes stärker auf die Orthodoxie bezogen. Ich glaube, dass er die Reformation eher als einen Fehltritt der Kirchengeschichte einschätzt. Dagegen kommt ihm die Orthodoxie - trotz des Schismas von 1054 - sehr nahe, beispielsweise durch die gemeinsame Betonung der Liturgie. Der Weltkirchenrat ist für den Vatikan kein Gegenüber auf Augenhöhe - warum auch.
Der ÖRK vertritt rund eine halbe Milliarde Christen aus reformatorischer und orthodoxer Tradition, die römisch-katholische Kirche vertritt die doppelte Anzahl von Gläubigen. Die römische Kirche tut sich mit der Vielfalt des Weltkirchenrates mit seinen 350 Kirchen und unterschiedlichen Kulturen eher schwer.
epd: Der Weltkirchenrat wurde in der Vergangenheit beispielsweise durch seine Anti-
Apartheid-Politik öffentlich als politische Größe wahrgenommen. Heute erscheint der ÖRK als eine Institution, die sich vor allem mit kirchen- oder gar organisationsinternen Fragen beschäftigt. Wie geht es weiter?
Bischof Hein: Zwei politische Voraussetzungen, von denen der ÖRK bestimmt war, sind weggefallen. Das eine war die Apartheid-Frage in Südafrika, das andere der Ost-West-Konflikt. Daher ist der ÖRK auf der Suche nach einem neuen verbindenden oder auch polarisierenden Thema. Als solches scheint sich gegenwärtig die Globalisierung abzuzeichnen. Bei der ÖRK-Vollversammlung im Februar in Porto Alegre hat man in weiser Selbstbescheidung gesagt: Tue weniger, aber das, was Du tust, tue gut. Der ÖRK ist nicht die UNO und auch nicht die Welthandelsorganisation. Es geht darum zu fragen: Was macht ÖRK-Programme einzigartig und unaustauschbar?
epd: Wie kommt der ÖRK dahin?
Bischof Hein: Es ist ausgesprochen schwierig, hier Perspektiven zu entwickeln, weil sich die Welt sehr differenziert darstellt. Der ÖRK-Zentralausschuss soll bei seiner bevorstehenden Sitzung Ende August/Anfang September in Genf Programmlinien verabschieden. Hauptaspekte sind die Frage der ökumenischen Bewegung im 21. Jahrhundert, die Frage nach Einheit, Mission und Spiritualität. Andererseits gibt es die Frage, was es bedeutet, in dieser friedlosen Welt das Bekenntnis zum Frieden aufrecht zu erhalten, die Fragen nach Gerechtigkeit, Diakonie, dem Dialog und der Zusammenarbeit der Religionen.
epd: Müssen in diesem breiten Programm Schwerpunkte gesetzt werden?
Bischof Hein: Die Herausforderungen sind vielfältig und nicht einseitig fokussierbar. Der ÖRK kann eine Plattform sein, auf der weiterhin die unterschiedlichen Perspektiven in Kommunikation geraten und auf der vorweggenommen wird, wie das Zusammenleben in der Welt politisch gestaltet werden kann. Der ÖRK selbst ist der Testfall für die Tragfähigkeit dessen, was er verlautbart.
epd: In Porto Alegre sind im ÖRK schwer überbrückbare Differenzen in der Frage der Globalisierung zu Tage getreten, sowohl inhaltlich als auch in der Kommunikation. Wird der ÖRK eine gemeinsame Stimme finden?
Bischof Hein: Ich glaube, das braucht Zeit und Sachverstand. Es ist nicht damit getan, dass wir zur Globalisierung in absehbarer Zeit eine irgendwie geartete Stellungnahme abgeben. Wir müssen versuchen, auf Grund der unterschiedlichen Erfahrung mit Globalisierung im Norden und im Süden dieser Welt diesen Prozess in der Ökumene beispielhaft durchzuführen. Wenn es gelingt, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens unterschiedliche Positionen, die sich gegenwärtig noch auszuschließen scheinen, miteinander ins Gespräch zu bringen, wäre dieser Testfall ein Weg dafür, wie dies auch auf einer globaleren Ebene möglich wäre. Der ÖRK ist der Ort für die Erprobung einer Einheit der Kirchen, eine Plattform, über eine gerechtere Wirtschaftsordnung in der Welt nachzudenken, und auch dafür, Wege zum Frieden zu entwickeln. Wenn wir angesichts der Pluralität im ÖRK nicht in der Lage sind, beispielhaft voran zu gehen, brauchen wir das auch nicht von anderen zu erwarten.
epd: Wie kann der Weltkirchenrat effizienter arbeiten?
Bischof Hein: Ich glaube, dass allen Mitgliedern des Zentralausschusses klar ist: So wie bisher geht es nicht weiter. Verabschiedete Programme müssen befristet sein und nach einer gewissen Zeit ausgewertet werden. Man darf sich insgesamt nicht zu viel zumuten. Das sage ich auch selbstkritisch im Blick auf die «Dekade zur Überwindung der Gewalt». In diesem Zeitraum ist die Gewalt in der Welt eher gewachsen, als dass sie abgenommen hätte. Trotzdem heißt das nicht, dass wir uns von dieser Fragestellung verabschieden, sondern wir müssen fragen: Was ist der konkrete Auftrag der Kirchen in konkreten Konfliktfeldern?
epd: Hätte der ÖRK im Libanon-Krieg sein Potenzial stärker ausspielen können?
Bischof Hein: Das hätte ich mir gewünscht und frage mich, warum das nicht gelingt. Die ÖRK-Delegation war nicht so hochrangig zusammengesetzt, dass sie bei den staatlichen Stellen im Libanon und in Israel oder in der Öffentlichkeit auf große Resonanz gestoßen wäre. Es müssten dort Mitglieder aus dem Exekutivausschuss hinreisen, sich unvoreingenommen informieren und vor allem auch den Blick auf die Situation der Christen in diesen Ländern richten. Dieser Aspekt fällt meistens heraus - es wird nur der Konflikt zwischen der Hizbullah und Israel beschrieben. Im Libanon gibt es christliche Kirchen mit einer langen Tradition, die in diesem schwierigen Konfliktfeld leben. Es wäre die Aufgabe des ÖRK, dies in den Vordergrund zu stellen.
Das Interview führten Stephan Cezanne und Thomas Schiller vom epd am 28.08.2006.
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Informationen zum Ökumenischen Rat der Kirchen finden Sie im Internet unter: