Aktuell: Holocaust-Gedenktag erinnert an Opfer des Nationalsozialismus

Am 27. Januar wurde in besonderer Weise der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ist 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den Tag festgelegt worden. Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz im heutigen Polen von sowjetischen Truppen befreit. 

Bischöfin Hofmann äußert sich in Sozialen Medien

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann sagt in einer in den Sozialen Medien verbreiteten Botschaft: «Vergessen ist der Anfang des Wiederholens. Darum: Erinnerung schützt vor Wiederholung des Holocaust.»

2023-01-30 37100

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Holocaust-Gedenktag erinnert an Opfer des Nationalsozialismus

Holocaust-Gedenktag erinnert an Opfer des Nationalsozialismus
In vielen Städten erinnern sogenannte Stolpersteine an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Unser Foto zeigt einen Stein auf der Friedrich-Ebert-Straße in Kassel. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Am 27. Januar wurde in besonderer Weise der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ist 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den Tag festgelegt worden. Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz im heutigen Polen von sowjetischen Truppen befreit. 

Bischöfin Hofmann äußert sich in Sozialen Medien

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann sagt in einer in den Sozialen Medien verbreiteten Botschaft: «Vergessen ist der Anfang des Wiederholens. Darum: Erinnerung schützt vor Wiederholung des Holocaust.»

(Foto: medio.tv/Schauderna, Gestaltung: Stübing)

Bundestag erinnert an verfolgte sexuelle Minderheiten

Der Deutsche Bundestag hat in seiner Holocaust-Gedenkstunde in diesem Jahr die Menschen in den Mittelpunkt gerückt, die von den Nationalsozialisten wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) betonte am Freitag im Parlament zugleich, für eine lebendige Erinnerungskultur sei es wichtig, «dass wir die Geschichten aller Verfolgten erzählen. Ihr Unrecht sichtbar machen. Ihr Leid anerkennen.»

Es könne keinen Schlussstrich geben, betonte Bas. Sich mit der deutschen Vergangenheit und der Shoah auseinanderzusetzen heiße auch, Antisemitismus in jeder Form, Rassismus und der Diskriminierung von Minderheiten entschieden entgegenzutreten. Sie erinnerte an die Auseinandersetzung um antisemitische Tendenzen auf der documenta 15 im vergangenen Jahr und den gewaltsamen Tod eines Transmannes am Christopher Street Day. Bas sagte, in sozialen Netzwerken werde in unerträglicher Weise gegen queere Menschen gehetzt. «Wir alle sind gefordert, gegen Diskriminierung aufzustehen. Eine freie, offene Gesellschaft ist keine Selbstverständlichkeit», sagte die Bundestagspräsidentin.

Auch die Holocaust-Überlebende Rozette Kats forderte in ihrer Rede dazu auf, alle Opfer der Nazis gleichermaßen in das Gedenken einzuschließen. «Jeder Mensch, der damals verfolgt wurde, verdient achtungsvolle Erinnerung», sagte die 80-Jährige. «Jeder Mensch, der heute verfolgt wird, hat Anspruch auf unsere Anerkennung und unseren Schutz», ergänzte sie mit Blick auf heutige Ausgrenzung und Gewalt gegen Homosexuelle. Die Aufzeichnung der Gedenkstunde kann hier angesehen werden.

Hintergrund

Der Begriff «Holocaust» leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet «Brandopfer». Er wird heute vor allem für den systematischen Völkermord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten verwendet. Juden sprechen oft auch von der «Schoah» - so lautet der hebräische Begriff für den Holocaust.

Bis zum Kriegsende wurden rund sechs Millionen Juden ermordet. In Auschwitz starben rund 1,1 Millionen Menschen. Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als «Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust» aus. Seit 2006 wird er weltweit an zahlreichen Orten begangen.

«Sag‘, dass es dir gut geht. - Eine jüdische Familienchronik»

Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus hatte Gedenkstätte und Museum Trutzhain (Schwalmstadt) zu einer Lesung mit Barbara Bišický-Ehrlich ein. Die Autorin wurde 1974 geboren. Sie wuchs als Kind tschechischer Emigranten in Frankfurt am Main auf wo sie bis heute mit ihren Kindern lebt. Die Gedenkstätte und das Museum Trutzhain gehören seit der Eröffnung 2003 zu den zentralen NS-Gedenkstätten in Hessen.

Barbara Bišický-Ehrlich las aus ihrem Buch «Sag‘, dass es dir gut geht. - Eine jüdische Familienchronik.» Darin zeichnet sie als Chronistin ihrer eigenen Familiengeschichte ein mehrfaches Generationenportrait, angefangen bei ihren Urgroßeltern in der ehemaligen Tschechoslowakei, über die Zeit ihrer Großeltern und Eltern, bis hin zu ihren eigenen Erfahrungen als Enkelin von Holocaust-Überlebenden - ausgerechnet in der Bundesrepublik Deutschland. Bišický-Ehrlich erzählt eine Geschichte vom Leben zwischen den Extremen, mit unerwarteten Wendungen und Traumata, die den Kindern vererbt wurden. So geht  es um Gefahren, Bedrohungen und die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, über die die eine große Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit schwebt, heißt es in der Veranstaltungsankündigung.

Die Gedenkstätte  befindet sich am historischen Ort des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers STALAG IX A Ziegenhain. Erinnert wird vor allem an das Schicksal der Kriegsgefangenen unter dem NS-Regime, an ihre völkerrechtswidrige Behandlung und ihren Einsatz zur Zwangsarbeit. Weitere Informationen finden sich hier im Internet.

Drei Fragen an...

Expertin: Wissen über den Holocaust auch über Social Media vermitteln

Das Thema Holocaust hat nach Ansicht der Direktorin der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Deborah Schnabel, im Schulunterricht nicht das Gewicht, das es haben müsste. Wissen über die Verfolgung und Ermordung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus müsse heute auch über Social-Media-Kanäle vermittelt werden, sagte die Expertin für digitale Bildung. Die Fragen stellt eder  Evangelische Pressedienst (epd).

1
Der Holocaust liegt rund acht Jahrzehnte zurück. Wie kann Jugendlichen heute die Dimension des Holocaust vermittelt werden?

Deborah Schnabel: Acht Jahrzehnte mögen lang erscheinen - sie sind es aber nicht, wenn wir etwa bedenken, dass erst jüngst noch eine KZ-Sekretärin vor Gericht stand. Der Zivilisationsbruch des Holocaust wirkt auf vielen Ebenen in unserer heutigen Gesellschaft nach - auch in den Familien über Verbindungen zu Tätern und Opfern der NS-Verbrechen. In unserer Bildungsarbeit mit jungen Menschen ist für uns immer zentral, dass wir die Geschichte anknüpfen an die Gegenwart, an die Erfahrungen und die Lebenswelt der Jugendlichen. Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit sind noch immer fester Teil der Gesellschaft. Die Erfahrungen, die Jugendliche damit machen, ernst zu nehmen, ermöglicht ihnen einen anderen Zugang zur Geschichte, als der bloße Blick in Schulbücher.

2
Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, die die Judenverfolgung in der NS-Zeit erlebt haben. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Schnabel: Es ist wahr: Die letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehen. Es wird immer schwerer, die Erinnerung an die Shoah und das NS-Unrecht aus erster Hand zu vermitteln. Entgegen landläufiger Meinung hat das Thema in den Schulen durchaus nicht das Gewicht, das es erhalten müsste - gerade auch im Hinblick auf wachsenden Antisemitismus. Die Erinnerung für die junge Generation lebendig zu halten, bedeutet, das Wissen an die Orte dieser Generation zu tragen, in digitale Formate, Spiele, Videos. Wir sehen auf unseren Social-Media-Kanälen immer wieder, dass geschichtsbezogener Content auf hohes Interesse stößt.

3
Welche Rolle spielt dabei das Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank in der NS-Zeit?

Schnabel: Anne Frank ist und bleibt eine Identifikationsfigur für junge Menschen. Das erleben wir regelmäßig, wenn Schulklassen und andere Jugendgruppen zu uns ins Lernlabor «Anne Frank. Morgen mehr.» kommen und sich mit ihren individuellen Erfahrungen in Beziehung setzen zu den Gedanken und Gefühlen Anne Franks, die sie in ihrem Tagebuch festgehalten hat. Die Deutungszugänge ändern sich, was aber bleibt ist, dass junge Menschen sich von Annes Schicksal und ihren Worten inspiriert und bestärkt fühlen, sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen und aktiv gegen Diskriminierung und Ausgrenzung einzutreten. Für viele sind Anne Franks Geschichte und ihr Tagebuch ein Einstieg, um sich mit den NS-Verbrechen auseinanderzusetzen.

(25.01.2023, red/epd)


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Die Gedenkstunde des Deutschen Bundestags an die Opfer des Nationalsozialismus kann am Freitag ab 10 Uhr im Internet mitverfolgt werden:

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Die Gedenkstätte und das Museum Trutzhain gehören seit der Eröffnung 2003 zu den zentralen NS-Gedenkstätten in Hessen und finden sich im Internet unter:

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Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main kann auch im Internet besucht werden unter: