Volkmarsen (medio). Die Wunden sind noch nicht verheilt, noch immer gibt es viele Fragen: Am Mittwoch (24.2.) jährte sich die Amokfahrt von Volkmarsen, bei der ein damals 29-Jähriger sein Auto in die Zuschauermenge am Rande des Karnevalsumzugs lenkte. Insgesamt gibt es mehr als 150 Menschen, die körperliche und seelische Verletzungen davongetragen haben.
«Wir wissen, dass viele Menschen für den Rest ihres Lebens Spuren dieser Amokfahrt an sich tragen werden», sagte die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann. «Und trotzdem soll diese Erfahrung nicht so mächtig werden, dass kein Platz mehr ist für Freude, für Lebenslust, für Gemeinschaft.» Angst voreinander dürfe nicht das Miteinander beherrschen. «Dieses Vertrauen zueinander, dieses miteinander Mensch sein, das dürfen die Attentäter unserer Zeit nicht kaputt machen, nicht in Hanau, nicht in Volkmarsen, nicht in Wolfhagen», so die Bischöfin. «Menschen brauchen etwas oder jemanden, dem sie ihre ganzen unterschiedlichen Gefühle hinhalten können, sie übergeben können: Den Kummer, den Schmerz, die Dankbarkeit, dass niemand sein Leben lassen musste», so Fuldas Weihbischof Dr. Karlheinz Diez. «Für einen gläubigen Menschen geschieht dies besonders im Gebet zu Gott. Dort findet er Vertrauen und neue Kraft.»
Ökumenischer Gedenkgottesdienst in Volkmarsen
Evangelische und katholische Kirche erinnerten an Amokfahrt vor einem Jahr
Volkmarsen (medio). Die Wunden sind noch nicht verheilt, noch immer gibt es viele Fragen: Am Mittwoch (24.2.) jährte sich die Amokfahrt von Volkmarsen, bei der ein damals 29-Jähriger sein Auto in die Zuschauermenge am Rande des Karnevalsumzugs lenkte. Insgesamt gibt es mehr als 150 Menschen, die körperliche und seelische Verletzungen davongetragen haben.
«Wir wissen, dass viele Menschen für den Rest ihres Lebens Spuren dieser Amokfahrt an sich tragen werden», sagte die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann. «Und trotzdem soll diese Erfahrung nicht so mächtig werden, dass kein Platz mehr ist für Freude, für Lebenslust, für Gemeinschaft.» Angst voreinander dürfe nicht das Miteinander beherrschen. «Dieses Vertrauen zueinander, dieses miteinander Mensch sein, das dürfen die Attentäter unserer Zeit nicht kaputt machen, nicht in Hanau, nicht in Volkmarsen, nicht in Wolfhagen», so die Bischöfin. «Menschen brauchen etwas oder jemanden, dem sie ihre ganzen unterschiedlichen Gefühle hinhalten können, sie übergeben können: Den Kummer, den Schmerz, die Dankbarkeit, dass niemand sein Leben lassen musste», so Fuldas Weihbischof Dr. Karlheinz Diez. «Für einen gläubigen Menschen geschieht dies besonders im Gebet zu Gott. Dort findet er Vertrauen und neue Kraft.»




Aus Anlass des Jahrestages gab es am 24. Februar 2021 einen ökumenischen Gedenkgottesdienst in Volkmarsen, an dem neben Bischöfin Dr. Hofmann und Weihbischof Dr. Diez auch der hessische Ministerpräsidenten Volker Bouffier teilnahmen. An der Liturgie waren ferner Pfarrerin Britta Holk, Evangelische Kirchengemeinde Volkmarsen, sowie Pfarrer Martin Fischer, Pfarrgemeinde St. Marien, beteiligt. Zu den Fürbitten waren Vertreter von Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei und dem Ausrichter des damaligen Rosenmontagszugs, der Volkmarser Karnevalsgesellschaft, eingeladen. Außerdem beteiligten sich der Bürgermeister der Stadt, Hartmut Linnekugel, sowie eine Sprecherin der Opfer. Der Gottesdienst wurde live ins Internet übertragen.
Livestream des Hessischen Rundfunks
Der Hessische Rundfunk übertrug den Gedenkgottesdienst per Livestream ins Internet. Eine Teilnahme an dem Gottesdienst vor Ort war aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich. Für jedes der über 150 namentlich gemeldeten Opfer wurde in der Kirche symbolisch ein Blumenstock aufgestellt. An einer Gedenkstele brachten Kinder mit Bildern und Basteleien ihre persönliche Erinnerung an die Amokfahrt zum Ausdruck.
Nach dem Gottesdienst waren die Seelsorgerinnen und Seelsorger der katholischen und evangelischen Pfarrgemeinden telefonisch erreichbar: im katholischen Pfarramt unter der Telefonnummer (05693) 209 und im evangelischen Pfarramt unter der Telefonnummer (05693) 358. (25.02.2021)
Pfarrerin Britta Holk: «Wir lassen es uns nicht nehmen. Die Freude soll wiederkommen.»
Aus heiterer Ausgelassenheit wurde Geschrei und Chaos - von einem Moment zum anderem, berichtet Pfarrerin Britta Holk. Sie war dabei als der 29-jährige Fahrer mit seinem Auto in die Zuschauermenge beim Rosenmontagszug in Volkmarsen fährt. Mit einer Freundin beobachtet sie den Umzug aus der Ferne.
Plötzlich kommen ihr Menschen entgegen und rufen panisch: «Da hinten ist etwas passiert». Instinktiv spürt sie, dass da ein Unglück geschehen ist. Die Pfarrerin läuft auf das Chaos zu. Überall wuseln Menschen, beschreibt sie die Szene. Ihr erster Impuls ist es zu helfen, doch dann erfährt sie, dass auch ihre Tochter betroffen ist. Ihre Tochter sitzt mitten zwischen zum Teil schwer verletzten Menschen. Eine Traube Menschen steht um sie herum. Holk ist nun nicht mehr Helferin, sondern nur noch Mutter, beschreibt sie selbst die Situation. Holk wird von der Helferin zur Betroffenen.
Zur Notfallseelsorge gleich nach der Gewalttat ist sie nicht in der Lage. Als Betroffene bekommt sie in der darauf folgenden Zeit aber eine besondere seelsorgerische Rolle, erfährt eine starke Nähe zu anderen Betroffenen und Opfern. Körperlich sind die meisten Menschen wieder genesen, doch «das markanteste sind die Verletzungen, die bleiben, nicht die körperlicher Art», erklärt die Pfarrerin. Der Jahrestag und die bevorstehende Prozessbeginn reißen jedoch Wunden auf und sind für die Menschen in Volkmarsen eine große Belastung. «Der Gedenktag ist höchstens ein Semikolon, wenn nicht sogar nur ein Komma, wo wir doch eigentlich einen Punkt setzen möchten.» Dennoch ist der Gottesdienst am Gedenktag wichtig. Es ist die einzige Möglichkeit coronakonform zu erinnern.
Die Kirche steht mitten im Ort. Die Menschen in Volkmarsen sind untereinander und mit der Kirche verbunden. «Wenn uns jemand helfen kann eine Richtung zu finden, dann ist es der Gott, an den wir glauben, der stark ist und der uns weiter hält», glaubt Pfarrerin Holk. Bei der Amokfahrt waren viele Kinder betroffen. Um vor allem ihnen eine Stimme in dem Gottesdienst zu geben wurden die Kinder aufgefordert in Pfarrämtern Dinge abzugeben, die sie mit dem Unfall verbinden und bewegen. Daraus soll ein Kunstwerk entstehen.
«Trotz allem ist und bleibt Volkmarsen närrisches Hoheitsgebiet», schließt Holk mit einem Lächeln. «Wir lassen es uns nicht nehmen. Die Freude soll wiederkommen.»
radio Internetradio:
Unfassbar diese Amokfahrt im nordhessischen Volkmarsen vor einem Jahr. Der Täter rast mit seinem Auto in den fröhlichen Rosenmontagszug und verletzt dabei über 150 Menschen, zum Teil schwer. Pfarrerin Britta Holk hat das plötzliche Unglück hautnah miterlebt, als sie sich den Umzug angeschaut hat. medio.tv-Reporter Torsten Scheuermann hat mit ihr gesprochen.