besinnung: ich sehe euch im licht foto: fotolia i ch sehe euch im licht“, schreibt eine freundin. sie will uns trösten. und wir brauchen gerade trost. ein schatten hat sich auf die familie gelegt. das dunkel kommt aus allen ecken. doch dieser satz ist wunderbar. „ich sehe euch im licht.“ das bild geht mit mir durch die tage und macht sie heller. es ist kein wunsch, der sich vielleicht nicht erfüllt. kein guter rat, was wir jetzt am besten tun sollen. ich lese dieses wort, und sofort stel- len sich bilder ein. wir stehen zusammen im licht. es fühlt sich warm an. was uns angst macht, wird kleiner. wir sehen ei- nander an. alle sind da. keiner fehlt. zugegeben: ich persönlich bin auch sonst süchtig nach licht. kalt darf es draußen sein, regnen darf es auch. aber wochenlang nebel wie jetzt im november und dezember, eine dicke wolkendecke, trübes wetter, nie richtig tag, das macht mich mürbe. und ich weiß, es geht ande- ren ähnlich. helle tage dagegen sind wie ein lebenselixier. licht wirkt wunder schon zwei stunden licht wirken wun- der. nur einmal in die sonne gehen, und die stimmung steigt. „wende dein gesicht der sonne zu, dann fallen die schatten hin- ter dich“, sagt ein afrikanisches sprichwort. auch die bibel weiß, ein blick zur sonne kann so sein, als würde man gott selbst se- hen, der doch unsichtbar ist. wie heißt es beim segen am ende des gottesdienstes? „gott lasse sein angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.“ wer immer nur im hellen lebt, weiß das kaum zu schätzen. kostbar wird das licht erst, wenn es einem fehlt. 40 tage lang hatte es bei der sintflut geregnet aus einem bleischweren himmel. die bosheit der menschen hatte diese katastrophe heraufbeschworen. fast wäre alles leben auf der erde in einem finsteren rachen verschwunden. dann ist es vorbei, die sonne bricht durch. ein regenbogen leuchtet auf. das licht ist noch nicht rein und hell, sondern gebrochen und gerade darin überirdisch schön in all seinen farben. das zeichen des friedens. dazu gottes versprechen: „solange die erde steht, soll nicht aufhö- ren saat und ernte, frost und hitze, som- mer und winter, tag und nacht.“ nicht umsonst wird beim propheten jesaja das licht einer gruppe von mi- granten versprochen. es sind israeliten, die verschleppt wurden aus ihrer heimat und nun das fremde land kalt und dunkel erle- ben: „das volk, das im finsteren wandelt, sieht ein großes licht und über denen, die da wohnen im finsteren lande, scheint es hell.“ – mit aller leidenschaft wendet sich gott denen zu, die es brauchen. er sieht die, die keiner sieht. gott durchbricht die logik, die in al- ler welt gilt und von bert brecht auf den punkt gebracht wurde: „denn die einen sind im dunkeln, und die andern sind im licht, und man siehet die im lichte, die im dunkeln sieht man nicht.“ selbst wenn ein mensch völlig am en- de ist und keinen größeren wunsch hat, als im dunkeln zu versinken, lässt gott ihn nicht allein. „spräche ich, finsternis möge mich decken und nacht statt licht um mich sein, so wäre finsternis nicht finster bei dir und die nacht leuchtete wie der tag“ (psalm 139,11). damit ist sicher nicht das künstliche licht gemeint, das in unseren städten den rhythmus von tag und nacht stört. damit sind auch nicht die grellen scheinwerfer gemeint, die in man- chen gefängniszellen nie ausgehen und wie eine folter bis in den letzten winkel dringen. die bibel weiß, dass es ein segen ist, wenn es abends langsam dunkel wird und man beten kann: „dein ist der tag, und dein ist die nacht“ oder „ich liege und schlafe ganz im frieden“ (psalm 4,9). – das licht gottes, das einem auch in der nacht leuchten kann wie der tag, ist seine nähe und treue, ist seine unsichtbare zu- wendung. ist etwas, worauf man vertrau- en, wo man sich hineinbetten kann. so wie dietrich bonhoeffer es in seinem lied von den guten mächten singt: „wir wissen es, dein licht scheint in der nacht.“ es war eine geniale idee, das fest zur geburt jesu auf die dunkelsten tage des jahres zu legen. jetzt ist unser bedürfnis nach licht am größten. nie werden unsere städte und häuser heller geschmückt als in diesen wochen. je kürzer die tage, des- to mehr licht. in den kirchen fängt es sparsam an im advent, eine kerze nach der anderen. dann aber zum fest die lichterfülle: der christbaum, die krippe, der herrnhuter stern. und im zentrum steht die weih- nachtsgeschichte – mit all ihrem glanz! auch darin ist es zuerst noch nacht. die familie wird herumgestoßen, landet im dunklen und kalten stall. hatten sie denn ein öllämpchen dabei? oder sind sie allein unter den sternen gegangen? für die schwangere war es jedenfalls ein gefährlicher weg. die klarheit des herrn leuchtete vielleicht haben die hirten ihre sturm- lichter mitgebracht. dann aber öffnet sich der himmel, die schwarze decke über der welt reißt für einen augenblick auf – „die klarheit des herrn leuchtete um sie“, ein ganz fremdes, wunderbares leuchten strahlt wie aus einer anderen welt. und es ist kein kaltes licht, das da wie ein blau- er blitz aufleuchtet, es ist ein licht voller wärme. es geht von dem kind aus, das ge- boren ist: jesus, der später von sich sagen wird: „ich bin das licht der welt.“ das licht kommt als kind zur welt. es braucht menschen, braucht liebe, braucht krippenwärme. und es braucht nicht nur etwas, es sieht auch, was wir brauchen. es gibt, es schenkt, es ruft hervor: es macht warme hände und warme herzen, es weckt liebeswärme. das licht spiegelt sich wider in den gesichtern, die es anschauen. das licht macht licht, macht leicht, macht hell und froh. das ist wirklich ein wunder. hier und ich sehe euch im licht propst helmut wöllenstein über dunkle tage und den glanz der weihnachtsgeschichte foto: fotolia 4 blick in die kirche | für mitarbeitende | 1–2017 thema