Neu erschienen Ich bin nur einma- lig – Portraits von Menschen mit Down- Syndrom, mit Fotos von Britt Schilling. 19,80 Euro unter www.touchdown21. info/buch Matthias Hilbert: Fromme Eltern – unfromme Kinder? Lebensgeschichten großer Zweifler, edition chrismon, 20 Euro SERVICE Elke Strauchen- bruch: Luthers Hochzeit. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2017. 15 Euro Fotos und Fragen Achtmal Leben Luthers Hochzeit Ein Foto und fünf Fragen – das ist das Konzept dieses Buches. Mehr als 100 Men- schen mit Down-Syndrom hat die Fotogra- fin Britt Schilling bei einer Veranstaltung in Bonn in Porträtaufnahmen festgehal- ten, und ihnen wurden, wenn sie nicht noch zu jung waren, dieselben fünf Fragen vorgelegt. Neben den durchweg gelungen Bildern bestechen die unredigierten Ant- worten – mal poetisch, mal philosophisch, mal einfach menschlich und auch mal wit- zig. Auf die Frage „Was wollen Sie der Welt über sich sagen?“ kamen so unterschiedli- che Antworten wie: „Es gibt viele von uns. Wie Sonnenschein.“, „Man darf mit seinen Wünschen auch mal nach den Sternen greifen.“, „Ich will nicht abgetrieben wer- den, sondern auf der Welt bleiben.“ Oder ganz schlicht: „Ich will der Welt nichts sa- gen.“ Ein Foto, fünf Fragen – ein wunder- schönes Buch. Olaf Dellit Eigentlich durchkreuzt Autor Matthias Hilbert schon auf den ersten Seiten sein eigenes Konzept. Denn der fromme Schuh- händler Heinz-Horst Deichmann ist offen- bar alles andere als ein Zweifler gewesen. Auf Friedrich Dürrenmatt, dem das zweite Porträt des Buches gewimdet ist, dafür umso mehr. Auch wenn die Auswahlkrite- rien nicht ganz deutlich werden, sind in diesem Buch acht spannende Lebensläufe versammelt, immer mit dem Fokus auf ih- re Glaubensentwicklung. Diese sehr unter- schiedlichen Geschichten sind interessant und auch gut zu lesen, ob nun vom Kom- munismus-Vordenker Friedrich Engels, von der Pfarrerstochter und Terroristin Gudrun Ensslin oder vom Malergenie Vincent van Gogh. Besonders häufig sind übrigens Schriftsteller vertreten: neben Dürrenmatt Hermann Hesse, John Grisham und Julien Green. Olaf Dellit Der ehemalige Mönch heiratet die ent- laufene Nonne: Martin Luthers Hochzeit mit Katharina von Bora war eine der spektakulärsten Eheschließungen der Ge- schichte. Die Kulturhistorikerin Elke Strau- chenbruch aus Wittenberg hat lesenswer- te Fakten, Bilder und Details zum Thema gesammelt. Darüber hinaus stellt sie aber auch Fragen zur Motivation der handeln- den Personen: War die Hochzeit bloße Pro- vokation? Galt sie der Befriedigung sexu- eller Bedürfnisse? War sie ein Bekenntnis zur Ehe? Hat die Reformatoren-Hochzeit Einfluss auf unsere heutige Feierkultur? Besonders interessant ist die Darstellung der Alltagsgeschichte. Die Leser erfahren anhand historischer Quellen viel über Trau- riten, Hochzeitsnacht (mit öffentlichem Beilager!) und „Küssewochen”, über Rats- geschenke und das Festessen der Luthers. Lothar Simmank Gerhard Marcel Martin: Lebensräume – Gottesräume. Kohl- hammer, Stuttgart 2017. 49 Euro „Demut, Respekt, Freund- lichkeit und eine abgründi- ge Freiheit …“ ... brauche die Kirche heute, wenn sie öffentlich auftrete und an Themen wie „Vergebung, Trost, Schuld, Gnade“ festhal- te, sagt G. M. Martin, der von 1982 bis 2007 an der Universität Marburg lehrte. Aufsätze aus 47 Jahren geben eine Über- sicht seines akademischen Wirkens und machen einerseits die Entwicklung der Praktischen Theologie und des Autors deutlich. Andererseits finden Pfarrerinnen und kirchliche Mitarbeiter in den enzyklo- pädisch angelegten Beiträgen reichlich Anregung für ihre Praxis: Seelsorgliche Themen wie Angst, Liebe, spirituelle Ge- sundheit, Heilkraft des Wortes finden ihre Vertiefung in den Vorträgen des Autors. Mit Gottesdienst, Liturgie und Predigt kann die Kirche auf dem „freien Markt von Kultur-, Sozial- und Religionsangebo- ten“ für Martin heute nur bestehen, wenn sie sich auf die Alltagsrealität der Men- schen einstellt. Stichworte wie Vertiefung, Verlangsamung, Intensivierung, Mut zur Leerstelle, zum „armen Theater“ markieren eine künftige Praxis. Dazu braucht es die Wahrnehmung der spirituellen und ästhe- tischen Dimension, Ritualkompetenz und Bühnenpräsenz. Mit der maßgeblich von ihm initiierten Entwicklung des „Biblio- dramas“ postuliert Martin nicht nur Bewe- gung, sondern bringt selbst Körper, Seele und Geist in Bewegung. Das Buch führt durch Lebens- und Got- tesräume in enormer thematischer Vielfalt: Spiel, Fest, Glück, Lachen, Nacktheit, Ero- tik, Ekstase, Mystik, Apokalyptik, den Dia- log mit Theater, Tanz, Film, Literatur und Buddhismus, Judentum, Schamanismus, Magie. Doch so weit der Bogen gespannt wird, so klar sind die Texte: Häufig steht eine Fragestellung zu Beginn und eine Schlussfolgerung am Ende – ohne dass die Spannung komplexer Wirklichkeiten aufgelöst würde. Helmut Wöllenstein blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 5–2017 31