THEMA Wunderbare Hoffungsbilder zu Ostern Bischöfin Dr. Beate Hofmann über das Wunder der Auferstehung In den letzten zwölf Monaten sind uns Sterben und die Sehnsucht nach Leben auf neue Weise nahege- kommen. War vor einem Jahr die Bedrohung durch das Corona-Virus noch eher abstrakt, so kennt inzwi- schen jede und jeder von uns jemanden, der Corona hatte oder sogar daran gestorben ist. Und auch die Sehnsucht nach Leben hat jetzt konkrete Bilder: Mal wieder unbeschwert mit Freunden oder der erweiterten Fami- lie feiern können, mal wieder ans Meer oder in die Berge fahren können, mal wieder ohne Sorgen den Tag beginnen und konkrete Perspektiven haben, wie das Leben weitergeht, auch wirtschaft- lich. Manche unter uns bangen um ihre wirtschaftliche Existenz, haben mühsam Aufgebautes in den letzten Monaten zusammen- stürzen sehen und sich von Lebensträumen verabschieden müs- sen. Andere kämpfen mit den Folgen der Erkrankung, sind immer noch müde, erschöpft, atemlos. Vieles ist gestorben in diesem Corona-Jahr: Menschen, Lebensmut, Hoffnungen, Pläne, Träume. Und jetzt feiern wir Ostern, mitten in diesem Scherbenhaufen, immerhin mit der Hoffnung auf Besserung durch den Impfstoff. Aber wir mussten auch in den letzten Monaten lernen: Das geht nicht von heute auf morgen, das dauert; das fordert von uns immer noch monatelanges Verzichten, Warten, Leben aus der Hoffnung, dass bald wieder eine Zeit kommt, in der wir uns un- besorgt begegnen und umarmen, miteinander singen und feiern, arbeiten, reisen oder einkaufen können. Wenn wir in diesen Tagen die Ostergeschichte lesen oder sie hören, dann wird deutlich: Der Tod und die Auferstehung von Jesus Christus waren zwar einmalige, umwälzende Erfahrungen, aber bis die Menschen um Jesus herum begriffen haben, was da geschehen ist, hat es auch gedauert. Zuerst sind die Menschen, die das leere Grab entdeckt haben, sogar weggelaufen. Sie ver- stehen nicht, was sie da sehen und es macht ihnen Angst. Und auch als Jesus zu ihnen kommt und mit ihnen spricht, erkennen sie ihn nicht. Sie können das Neue, Verwandelte noch nicht er- fassen, weil sie das Alte, Vertraute suchen. Und so ahnen wir: Auferstehung ist nicht die Fortsetzung des Bisherigen, sondern Verwandlung und radikale Veränderung. Die Bibel fasst diese Erfahrung in Bilder: Da ist das Bild vom Weizen- korn, das in die Erde fällt und stirbt und dadurch einen neuen Halm hervorbringt, der Körner trägt. Jedes Jahr wieder im Früh- ling werden wir Zeugen dieser wunderbaren Verwandlung. Was braun und erstorben wirkt, treibt neue Blätter und Blüten, und die Wiesen und Felder werden grün. Was wie tot war, erwacht zu neuem Leben und zu neuer Lebendigkeit – und sieht doch jedes Jahr etwas anders aus und erzählt uns von Neuem vom Wunder der Auferstehung. a n r e d u a h c S / v t . o d e m i : o t o F 8 blick in die kirche | MAGAZIN | April 2021 Das andere Bild für Auferstehung erzählt von der Raupe, die sich verpuppt und zum Schmetterling wird. Wer erkennt schon im Schmetterling noch die Raupe? Oder im Frosch die Kaulquappe? Solche Bilder nutzt auch Paulus im 1. Brief an die Gemeinde in Korinth, um Auferstehung und Verwandlung greifbar zu machen. Hier der Bibeltext aus 1. Korinther 15,35-44: „Es könnte aber jemand fragen: Wie werden die Toten auferstehen und mit was für einem Leib werden sie kommen? Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, einem jeden Samen seinen eigenen Leib. So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib." Mit und aus diesen Hoffnungsbildern leben Christinnen und Christen seit Jahrhunderten. Jedes Jahr Ostern schauen wir neu auf dieses Wunder von Verwandlung und Neuwerdung. Das stärkt unsere Kraft, schwierige Zeiten auszuhalten. Es hilft uns, den Tod eines lieben Menschen zu verarbeiten, weil wir wissen: Das irdische Leben dieses Menschen ist zu Ende, aber er oder sie wird verwandelt werden und bei Gott sein – anders, als wir uns das vorstellen können, aber lebendig, kraftvoll und herrlich, wie Paulus sagt. Diese Hoffnung auf Auferstehung hat nicht nur Wirkung im Angesicht des Todes, sie verändert auch das Leben jetzt. Ostern lädt uns ein, uns auf solche Verwandlungserfahrungen einzulas- sen. Das Leben nach Corona wird nicht sein wie das Leben vor Corona. Es wird anders sein. Viele von uns werden Spuren des Er- lebten an sich tragen, gesundheitlich, seelisch, ökonomisch. Man- ches, was vorher wichtig und unerlässlich schien, wird zweitran- gig oder verzichtbar. Und manches, was vorher selbstverständlich war, wird zur Feier einer „kleinen Auferstehung“: eine Einladung zu einem Fest, die Chorprobe, der Museumsbesuch, das offene Schwimmbad. Und so wünsche ich Ihnen viel Hoffnungskraft in dieser müh- seligen Zeit und viele kleine Auferstehungserfahrungen als Vor- geschmack auf das, worauf wir hoffen und vertrauen: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind“ (1. Kor 15,20). ● Dr. Beate Hofmann