e h c a t S f o t s i r h C : o t o F Ganz alleine im Restaurant: Ein Glücksmoment THEMA ben, speziell auch mit dem Digitalen, das ja nur den Kopf belastet und nicht unseren Kör- per fordert. Heute appelliere ich: Wenn dein Körper dir signalisiert, dass du kaputt und müde bist, dann kümmere dich drum. Ich habe damals mehr auf meinen Kopf gehört als auf meinen Körper. Ich habe mich 24 Stunden, sieben Tage die Woche damit beschäftigt, wie ich mich besser aufstel- len kann, damit ich erfolgreich bleibe. ?Was hat Ihnen am meisten durch die Kri- se geholfen? Hannawald: Für mich war die Klinik die einzige Möglichkeit, meine Gefühlsebene hochzuholen. Es ist ein neutraler Ort. Wenn ich vor die Tür gegangen bin, waren da keine Erinnerungen an mein altes Leben. Ich hatte mit meinen El- tern und engsten Freunden ein Umfeld, das mir Rückhalt gegeben hat. Die können dich aber in so einer Situation nicht ins Leben zurückfüh- ren, da brauchst du professionelle Hilfe. Und ab einer gewissen Tiefe des Burnouts oder der Depression hilft nur eine Klinik. Dort habe ich mich nur um mich und meine Gefühle gekümmert, was viele Gespräche und viele Tränen bedeutete. Aber es hat sich reini- gend und ausgleichend angefühlt. Nach sechs Wochen war ich ein anderer Mensch. ?Sie haben auch kirchlich geheiratet. Hat der Glaube für Sie eine Bedeutung? Hannawald: Glaube ist für mich nicht unbe- dingt nur mit Kirche verbunden. Aber ich finde es gut, dass man in der Kirche Gemeinschaft lebt. Ich bin als Heide aufgewachsen, weiß aber, dass ich schon an etwas glaube. Das muss nicht Gott heißen, aber ich weiß, dass jemand auf mich aufpasst; das gibt mir ein gutes Gefühl. ?Am Ende eine Frage, die man sonst am Anfang stellt: Wie geht es Ihnen heute? Hannawald: Ich fühle mich ausgeglichen. Ich achte mehr auf mich und sehe das, was ich er- leben durfte, als Lehre für mein weiteres Leben. Ich weiß, dass ich keine halben Sachen mache und mich komplett fordere, wenn ich mich auf Dinge einlasse. Ich weiß nun aber auch, dass ich mehr darauf achten muss, dem Körper zu geben, was er braucht. Meine Basis ist meine Familie, sie ist mein Rückhalt und mein Nest. ● Fragen: Olaf Dellit Buchtipp Einen richtigen Glücksmoment be- schreibt die Autorin Marie Luise Ritter: Sie sitzt in einer mexikani- schen Altstadt in einem kleinen Restau- rant, isst Pasta und macht sich Notizen für ihr Buch. Und sie sitzt da ganz allein. Ritter ist, so beschreibt sie es, mit sich selbst ausgegangen. Die 31-Jährige hat solche Momente ganz bewusst gesucht und darüber ein Buch geschrieben. Sie ist alleine auf Rei- sen gegangen, wohnt alleine in Berlin und erzählt, wie schön das sein kann. Das bedeutet nicht, dass sie Einsamkeit nicht kennen würde – im Gegenteil: Bei einer Corona-Erkrankung hat sie das schmerzlich erleben müssen. Aber Ritter unterscheidet zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Und gerade auf Reisen knüpft sie vor allem deswe- gen neue, interessante Kontakte, weil sie nicht in einer festen Gruppe reist. Dabei sei sie gar nicht besonders extro- vertiert, sagt sie im Gespräch. Das Allein- reisen gebe ihr aber die Freiheit, neue Menschen kennenzulernen. Umgekehrt könne man sich auch in der Gesellschaft von vielen Menschen einsam fühlen. Ritter nennt als Beispiel eine Party, bei der man keine guten Ge- spräche finde und sich frage: „Was ma- che ich eigentlich hier?“ In ihrem unterhaltsam zu lesenden Buch macht die 31-Jährige aber auch deutlich, dass es eine gesellschaftliche Dimension hat, wenn jemand nicht in ei- ner Beziehung lebt. Dieser Zustand gelte als unnormal – und bei Frauen werde das wohl noch stärker so gesehen als bei Männern. Um glücklich alleine leben zu können, gelte es auch, sich von diesem Druck frei zu machen. „Manchmal scheint es, als wäre un- sere Welt nur für Menschen zu zweit geschaffen“, schreibt sie im Buch. Und weiter: „Wir geben unser Geld für Hoch- zeitsgeschenke und Babyzubehör aus, aber niemand hat mir bisher etwas zu meiner ersten Buchveröffentlichung i o d u t S n u a r B a i r a M : o t o F geschenkt, meiner Freundin Melina zur selbst gekauften Wohnung oder Elena zu den Preisen, die sie mit ihrer Arbeit im PR-Bereich schon gewonnen hat.“ Auch bei der Verabredung mit sich selbst – diesen Begriff nutzt Marie Lui- se Ritter sehr bewusst – sei es wichtig, nichts darauf zu geben, was andere den- ken. Es müsse einem egal sein, ob die anderen im Restaurant es vielleicht ko- misch finden, dass da eine Frau alleine am Tisch sitzt. Wenn es gelinge, den Res- taurantbesuch als „Date mit sich selbst“ zu betrachten, dann ändere sich das Be- wusstsein und diese Zeit werde kostbar. Ähnlich gilt das auch für das Allei- newohnen. Ritter erinnert sich an ih- re Großmutter, die das gute Geschirr mit dem Goldrand nur herausholte, wenn Gäste kamen. „Ich finde es ganz schlimm, wenn Leute nur für Besuch le- ben.“ Nein, auch die eigene Wohnung und das Leben darin müsse man für sich schön machen, bei ihr gibt es auch mal ein Drei-Gänge-Menü nur für sie alleine. Das bewusste Alleinsein, wie es Ma- rie Luise Ritter lebt, hat nicht nur Scho- koladenseiten, aber es ist ein Leben voller Eindrücke, Begegnungen und Überraschungen. Einsam ist es meistens nicht. ● Olaf Dellit Marie Luise Ritter: Vom Glück, allein zu sein, Piper, 17 Euro Homepage: www.luiseliebt.de Instagram: @luiseliebt BÜCHER ZU GEWINNEN Wir verlosen vier Exemplare des Buchs „Vom Glück, allein zu sein“. Schicken Sie uns zur Teilnahme bis zum 31. Oktober eine Postkarte oder eine E-Mail mit dem Stichwort „Glück“ an diese Adresse: Redaktion blick in die kirche Heinrich-Wimmer-Straße 4 34131 Kassel verlosung@blickindiekirche.de (Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.) blick in die kirche | MAGAZIN | Oktober 2023 5