Bibel: Kritische Bibelforschung wirbt bei Skeptikern für den Glauben

Ist die Bibel Gottes Wort oder fromme Dichtung? Dies versucht seit dem 19. Jahrhundert die kritische Bibelforschung herauszufinden. Theologen wollten aus den antiken Texten zunächst das objektive «Leben Jesu» herausfiltern. Zwar misslang dieses Vorhaben weitgehend, wie bereits der Theologe Albert Schweitzer (1875-1965) in seiner Geschichte der Leben-Jesu-Forschung nüchtern bilanzierte. Doch die neue Methode öffnete eine rationale Sicht auf das Neue Testament, mit der auch Skeptiker für den Glauben gewonnen werden sollten.

Die moderne Bibelforschung untersucht die biblischen Texte aus dem Blickwinkel von Historikern, Archäologen, Psychologen oder Sprachwissenschaftlern. Dabei wurde deutlich: Die Verfasser der Bibel hatten ein anderes Weltbild als der moderne Mensch, doch die zentrale Botschaft Jesu von der unmittelbaren Nähe Gottes zu den Menschen gilt unverändert. Mit dieser Sichtweise fand das Christentum Anschluss an die Moderne.

Auch mit dem am 1. Januar beginnenden «Jahr der Bibel» 2003 soll das Buch der Bücher Kirchendistanzierten nahe gebracht werden, so werben die Kirchen in Deutschland (www2003das jahrderbibel.de). Mit dieser missionarischen Aktion erfüllen sie eine ihrer wesentlichen Aufgaben: Die Verbreitung der Bibeltexte.

Von den Kirchenleitungen wird die rationalistische Auslegung der Bibel heute meist akzeptiert. Die Kirche verlangt keinen Glauben an die Bibel, erklärt die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD). Die Heilige Schrift spreche für sich selbst. Für Unzählige sei sie «Weg und Wahrheit» im «Leben und Sterben». Auch in der katholischen Kirche wird seit den 60er Jahren die von Protestanten «erfundene» historisch-kritische Bibelwissenschaft vom Lehramt grundsätzlich anerkannt.

Die Befreiung vom zwanghaften Buchstabenglauben verlief jedoch nicht ohne Streit. Als «Heide» und Zerstörer der Autorität der Bibel wurde etwa der evangelische Theologe David Friedrich Strauß (1808-1874) angegriffen. Nach dem Erscheinen seines die Epoche prägenden Buchs «Das Leben Jesu» (1835), in dem er das Neue Testament als mythisch und überwiegend unhistorisch interpretiert, wurde er als Professor in Zürich auf Druck konservativer Christen - darunter viele Pfarrer - zwangspensioniert.

Einer der Ersten, der die Bibel systematisch kritisch unter die Lupe nahm, war der Hamburger Professor für orientalische Sprachen, Hermann Samuel Reimarus (1699-1768). Nach einem Vergleich der Berichte über die Auferstehung Jesu kam er zu dem Schluss: Die Aussagen der vier Evangelisten weichen in dieser zentralen Frage des Christentums so weit voneinander ab, dass sie vor keinem Gericht der Welt Bestand hätten. Warum sollte die Menschheit darauf «Glauben und Hoffnung zur Seligkeit gründen»?

Streit um die Auferstehung Jesu gab es auch im 20. Jahrhundert. Mitte der 60er Jahre formierte sich gegen die kritische Theologie von Rudolf Bultmann (1884-1976) die Bekenntnisbewegung «Kein anderes Evangelium». Die äußerste Konsequenz des Werks von Bultmann, der sich selbst als Christ verstand, ist die Verneinung der leiblichen Auferstehung Christi.

Auch das Alte Testament wurde entzaubert. Schon lange ist bekannt, dass etwa die fünf Bücher Mose auf mehrere Quellen zurückgehen und das Jesajabuch mindestens von drei Verfassern stammt. Doch dies ist kein Argument gegen den Glauben. «Die historisch-kritische Forschung kann der Wahrheit dienen, aber die Wahrheit sagen kann sie nicht», bekräftigt die VELKD.

Die Wahrheit der Bibel erweise sich in ihrem Gebrauch: im Beten, im Gottesdienst sowie als Trostbuch im Leid, bekräftigen lutherische Theologen: «Dafür ist sie geschrieben.» In spirituellen Fragen, so der Religionswissenschaftler Brian Wilson aus den USA, können Wissenschaft und Rationalismus sowieso nicht alle Antworten geben. Heutiger Glauben wird daher bestimmt durch ein «dynamisches Gleichgewicht moderner und vormoderner Elemente». Dies ist Wilson zufolge auch ein Kennzeichen des postmodernen Christentums. (Ein Artikel von Stephan Cezanne, epd)

2018-08-23 955

Gottes Wort oder fromme Dichtung?
Kritische Bibelforschung wirbt bei Skeptikern für den Glauben

Ist die Bibel Gottes Wort oder fromme Dichtung? Dies versucht seit dem 19. Jahrhundert die kritische Bibelforschung herauszufinden. Theologen wollten aus den antiken Texten zunächst das objektive «Leben Jesu» herausfiltern. Zwar misslang dieses Vorhaben weitgehend, wie bereits der Theologe Albert Schweitzer (1875-1965) in seiner Geschichte der Leben-Jesu-Forschung nüchtern bilanzierte. Doch die neue Methode öffnete eine rationale Sicht auf das Neue Testament, mit der auch Skeptiker für den Glauben gewonnen werden sollten.

Die moderne Bibelforschung untersucht die biblischen Texte aus dem Blickwinkel von Historikern, Archäologen, Psychologen oder Sprachwissenschaftlern. Dabei wurde deutlich: Die Verfasser der Bibel hatten ein anderes Weltbild als der moderne Mensch, doch die zentrale Botschaft Jesu von der unmittelbaren Nähe Gottes zu den Menschen gilt unverändert. Mit dieser Sichtweise fand das Christentum Anschluss an die Moderne.

Auch mit dem am 1. Januar beginnenden «Jahr der Bibel» 2003 soll das Buch der Bücher Kirchendistanzierten nahe gebracht werden, so werben die Kirchen in Deutschland (www2003das jahrderbibel.de). Mit dieser missionarischen Aktion erfüllen sie eine ihrer wesentlichen Aufgaben: Die Verbreitung der Bibeltexte.

Von den Kirchenleitungen wird die rationalistische Auslegung der Bibel heute meist akzeptiert. Die Kirche verlangt keinen Glauben an die Bibel, erklärt die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD). Die Heilige Schrift spreche für sich selbst. Für Unzählige sei sie «Weg und Wahrheit» im «Leben und Sterben». Auch in der katholischen Kirche wird seit den 60er Jahren die von Protestanten «erfundene» historisch-kritische Bibelwissenschaft vom Lehramt grundsätzlich anerkannt.

Die Befreiung vom zwanghaften Buchstabenglauben verlief jedoch nicht ohne Streit. Als «Heide» und Zerstörer der Autorität der Bibel wurde etwa der evangelische Theologe David Friedrich Strauß (1808-1874) angegriffen. Nach dem Erscheinen seines die Epoche prägenden Buchs «Das Leben Jesu» (1835), in dem er das Neue Testament als mythisch und überwiegend unhistorisch interpretiert, wurde er als Professor in Zürich auf Druck konservativer Christen - darunter viele Pfarrer - zwangspensioniert.

Einer der Ersten, der die Bibel systematisch kritisch unter die Lupe nahm, war der Hamburger Professor für orientalische Sprachen, Hermann Samuel Reimarus (1699-1768). Nach einem Vergleich der Berichte über die Auferstehung Jesu kam er zu dem Schluss: Die Aussagen der vier Evangelisten weichen in dieser zentralen Frage des Christentums so weit voneinander ab, dass sie vor keinem Gericht der Welt Bestand hätten. Warum sollte die Menschheit darauf «Glauben und Hoffnung zur Seligkeit gründen»?

Streit um die Auferstehung Jesu gab es auch im 20. Jahrhundert. Mitte der 60er Jahre formierte sich gegen die kritische Theologie von Rudolf Bultmann (1884-1976) die Bekenntnisbewegung «Kein anderes Evangelium». Die äußerste Konsequenz des Werks von Bultmann, der sich selbst als Christ verstand, ist die Verneinung der leiblichen Auferstehung Christi.

Auch das Alte Testament wurde entzaubert. Schon lange ist bekannt, dass etwa die fünf Bücher Mose auf mehrere Quellen zurückgehen und das Jesajabuch mindestens von drei Verfassern stammt. Doch dies ist kein Argument gegen den Glauben. «Die historisch-kritische Forschung kann der Wahrheit dienen, aber die Wahrheit sagen kann sie nicht», bekräftigt die VELKD.

Die Wahrheit der Bibel erweise sich in ihrem Gebrauch: im Beten, im Gottesdienst sowie als Trostbuch im Leid, bekräftigen lutherische Theologen: «Dafür ist sie geschrieben.» In spirituellen Fragen, so der Religionswissenschaftler Brian Wilson aus den USA, können Wissenschaft und Rationalismus sowieso nicht alle Antworten geben. Heutiger Glauben wird daher bestimmt durch ein «dynamisches Gleichgewicht moderner und vormoderner Elemente». Dies ist Wilson zufolge auch ein Kennzeichen des postmodernen Christentums. (Ein Artikel von Stephan Cezanne, epd)


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