  |
|
 |
 |
 |
|
|
|
|
|
|
„Abstraktion" und „Verklärung des Gewöhnlichen" können
als zwei Hauptstränge der Moderne verstanden werden, die weiterhin künstlerische
Bedeutung haben. Beide erfordern einen besonderen Blick, der sich von Konventionen
löst und sich frei bewegt: über das Alltägliche hinaus oder zum
nicht Wahrgenommenen des Alltäglichen hin. Auch
der religiöse Raum lebt vom Blick nach oben und nach unten.
Drei Künstlerinnen und Künstler werden im Rahmen der von Karin Wendt
und Andreas Mertin konzipierten Ausstellung den religiösen Raum künstlerisch
befragen: ihn thematisieren, verstärken, ihm widersprechen
oder seine Begrenzungen durchbrechen. Es geht um elementare Interventionen in
drei Dimensionen des religiösen Raums: in den
Wortraum, den Lichtraum und den umbauten Raum.
- Martinskirche täglich geöffnet von 10
bis 18 Uhr
- Zur Ausstellung erscheint ein Katalog "Der freie Blick"
mit 21Farbabbildungen zum Preis von EUR 6,-
|
|
|

|
|
Virtueller Rundgang
|
|
|
(Klicken Sie auf einen Bereich im Bild, um den Rundgang zu starten.)
|
|

|
|
Die Kunstwerke
|
|
 |
BJØRN MELHUS
Der Künstler wird sich auf indirekte und subtile Weise mit dem Raum des Wortes
beschäftigen. Sein Thema sind die Medienwelten
und zugleich die durch Medien ermöglichten bzw. verursachten Spiegelungen
und Doppelungen.
In der Martinskirche wird es der „Talk als säkularisierte Beichte sein.
Inzwischen haben die Talkshows scheinbar Funktionen der mittelalterlichen Beichte
und die Talkmaster die der Seelsorger übernommen, nur dass dies nicht in
der Intimität eines Beichtstuhls, sondern in der Öffentlichkeit stattfindet.
Das medial gebrochene Bekenntnis wird noch einmal künstlerisch dekonstruiert.
Zugleich wird die Beerbung des Religiösen durch die Medien ironisch in die
Kirche zurückgetragen.
|
|
|
 |
|
|

|
 |
NICOLA STÄGLICH
Die Künstlerin wird die Kirche als Lichtraum ausloten und damit nicht zuletzt
auf die im Mittelalter ausgearbeitete Lichtmetaphysik anspielen. Nach
ihr kommt das Licht von außen und strahlt ins Innere; die Kirche
wird durch das göttliche Licht erhellt.
Nicola Stäglich setzt dagegen eigenwerte Farb- und Lichtakzente an architektonisch
markanten Stellen des Raumes. Sie erprobt, wie tief und wie dicht der durch ihre
Farbinterventionen erzeugte Lichtraum erscheint und wie er auf den religiösen
Kontext wirkt. So entstehen Bewegungstendenzen,
gleich dem Sehprozess, im dauernden Übergang zwischen fokussieren, festigen
und sich auflösen.
|
|
|
 |
|
|

|
 |
THOM BARTH
Der Künstler wird den Raum kritisch befragen,
indem er begehbare Kuben aus Montagefolien quer in die zentrale Achse des Kirchengebäudes
treiben wird. Seine mit Fragmenten der Alltagswelt bedruckten Folien wirken
dabei wie transparente Bild- oder Informationswände, die sich zugleich optisch
mit dem Raum verbinden bzw. ihn segmentieren.
Die Installation geht durch die Mauer und ein Kirchenfenster hindurch mitten in
den Kirchenraum hinein, so dass dieser in seiner hierarchischen Ausrichtung gestört
wird. Der Besucher kann sich dem religiösen Raum während der Ausstellung
auf zwei ganz unterschiedliche Weisen nähern. Entweder dringt er über
die Installation Thom Barths durch die Außenhaut in den Kirchenraum ein
und beobachtet das unter ihm liegende Kirchenschiff. Oder er geht auf vertrautem
Wege durch das Westportal der Martinskirche und lässt seinen Blick durch
die Installation nach oben leiten.
Der Künstler will die Kirche als umbauten Raum
brechen oder - das hängt von der Wahrnehmung ab - vielleicht auch bestätigen,
indem er ihn noch einmal umdeutet.
|
|
|
 |
|
|

Künstler treibt «Keil» in Kirche - Mit gewagten Installationen
stellt
sich die Evangelische Kirche dem Dialog mit Kunst
Von Christian Prüfer (epd)
|
|
Kassel (epd). Der Eindruck täuscht. Auf dem gerüstähnlichen
Gebilde vor der zentral gelegenen Kasseler Martinskirche werden derzeit keine
Bauarbeiten ausgeführt, es handelt sich vielmehr um die Installation eines
Kunstwerkes. Darauf deuten zum einen die Treppen hin, bei normalen Gerüsten
nicht üblich sind. Und außerdem führt auf dem Gerüst ein
Weg durch ein abmontiertes Kirchenfenster in Kirchenraum hinein.
Aus sechs Metern Höhe, sagt Andreas Mertin, Kurator der von der Evangelischen
Landeskirche von Kurhessen-Waldeck verantworteten Ausstellung, werden Besucher
ab dem 9. Juni einen Blick auf den Altar und den Rest der Kirche werfen können.
Dabei müssten sie allerdings durch eine mit Alltagsmotiven bedruckte, rosarote
Folie schauen. Ein Betreten des Kirchenbodens von der Installation selbst aus
sei nicht möglich, der Weg führe wieder nach außen zurück.
Entworfen hat diese Arbeit der Künstler Thom Barth. Die Ausstellung wird
parallel zur Documenta11 (8. Juni bis 15. September) in Kassel zu besichtigen
sein. |
|
|
|
|
«Die Kirche setzt sich mit diesen Interventionen der Kunst aus», schildert
Ernst Wittekindt, Vorsitzender der Projektgruppe des «Der freie Blick»
genannten Unternehmens, die dahinter stehende Absicht. Man habe, ergänzt
Andreas Mertin, in den Wortraum, den Raum des Lichtes und den umbauten Raum künstlerische
Interventionen haben wollen.
Während es sich bei Barths Arbeit um einen Eingriff in den umbauten Raum
handele, hat der Videokünstler Bjorn Melhus einen Eingriff in den Wortraum
- und damit mitten in das Allerheiligste der Evangelischen Kirche - vorbereitet.
Auf dem Altar und an weiteren Stellen hat er einen Fernseher aufgebaut, auf dem
in einer Endlosschleife ein achtminütiges Video läuft. «The oral
thing» bestehe aus in einer Art Talkshow in Szene gesetzten Sprachfragmenten
aus real existierenden US-Talkshows, erklärt Andreas Mertin. «Der Talk
als säkularisierte Beichte wird in die Kirche zurückgetragen»,
interpretiert er diese künstlerische Arbeit. Auch während der Gottesdienste
solle der Videoclip laufen, allerdings sei dann der Ton ausgeblendet. |
|
|
Für die Intervention in den Raum des Lichtes hat sich die Künstlerin
Nicola Stäglich die Empore ausgesucht. Deren Wände hat sie mit neongelber
Farbe versehen, die den sakralen Raum erheblich verändert. Dass diese Interventionen
nicht bei allen Gemeindemitgliedernbejubelt werden, ist Kurator Mertin klar. «Niemand
findet ein Kunstwerk auf den ersten Blick toll, dann wäre es Kitsch»,
erklärt er im Hinblick auf eine Gruppe in der Gemeinde, die sich zu dem Unternehmen
kritisch geäußert habe.
Der Kirchenvorstand aber, so Klaus Röhring, Öffentlichkeitsreferent
der Landeskirche, habe dem Unternehmen zuvor zugestimmt. Ursprünglich sollten
die Kunstwerke am Freitag der Öffentlichkeit präsentiert werden, doch
durch unerwartete behördliche Auflagen habe sich die Errichtung des Werkes
von Thom Barth verzögert. |
|
|
|
© by medio!
|
|