Hilfe bei sexualisierter Gewalt: Aktiv werden gegen sexualisierte Gewalt

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck stellt sich dem Thema sexualisierte Gewalt. Wir wissen, dass solche Gewalt auch in unserem Bereich geschehen ist und weiterhin geschehen kann. Wir wissen, dass dies schweres Unrecht ist, das die Würde und das Recht der Betroffenen auf Selbstbestimmung verletzt und oft ein ganzes Leben lang schädigt. Unsere Kirche will zum Schutzort für Menschen mit diesen Erfahrungen werden. Das ist ein langer Weg, aber die ersten Schritte sind getan.

Wo finde ich Hilfe?

Betroffene von sexualisierter Gewalt oder deren Angehörige und Freunde können sich auf unterschiedlichen Wegen Hilfe oder Beratung holen:

2024-01-22 29209

Prävention – Intervention – Hilfe
Aktiv werden gegen sexualisierte Gewalt

Aktiv werden gegen sexualisierte Gewalt

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck stellt sich dem Thema sexualisierte Gewalt. Wir wissen, dass solche Gewalt auch in unserem Bereich geschehen ist und weiterhin geschehen kann. Wir wissen, dass dies schweres Unrecht ist, das die Würde und das Recht der Betroffenen auf Selbstbestimmung verletzt und oft ein ganzes Leben lang schädigt. Unsere Kirche will zum Schutzort für Menschen mit diesen Erfahrungen werden. Das ist ein langer Weg, aber die ersten Schritte sind getan.

Wo finde ich Hilfe?

Betroffene von sexualisierter Gewalt oder deren Angehörige und Freunde können sich auf unterschiedlichen Wegen Hilfe oder Beratung holen:

Gewalt gegen Frauen

Das Hilfetelefon «Gewalt gegen Frauen» ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. 
Telefon: 116 016 
Online-Beratung

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Das Hilfetelefon «Nummer gegen Kummer» ist ein bundesweites Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche. Dort können auch ganz schwerwiegende Situationen wie sexueller Missbrauch oder Suizidgedanken thematisiert werden.
Telefon: 116 111
Online-Beratung

Unabhängiges Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch 

Das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch unterstützt Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt erlitten haben, sowie Angehörige, Fachkräfte und alle Menschen, die Fragen zum Thema haben oder sich Sorgen um ein Kind machen.
Telefon: 0800 22 55 530
Online-Beratung

Kirchliche Anlaufstellen

Neben den genannten unabhängigen Hilfsangeboten bietet die evangelische Kirche eigene Anlaufstellen für Menschen, die von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche oder der Diakonie betroffen sind oder waren. 

Fachstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt der EKKW

Bei der Fachstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck können sich Betroffene sexualisierter Gewalt im Bereich der Landeskirche melden, egal wie lange das Ereignis schon zurückliegt. Es können sich aber auch Menschen melden, die sexualisierte Gewalt beobachtet haben. 
Telefon: (0151) 1675 2077 oder (0561) 9378 404
Kontaktaufnahme per E-Mail

Ansprechstellen in der Region

In der Region der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck gibt es weitere Fachberatungs- und Interventionsstellen bei sexualisierter Gewalt. Außerdem bieten die regionalen Diakonischen Werke psychologische Beratung an.
Zur Übersicht der Kontaktmöglichkeiten

Zentrale Anlaufstelle.help!

Die zentrale Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie bietet unabhängige Information und Beratung. Auf Wunsch wird an kirchliche und diakonische Ansprechstellen weitervermittelt oder alternative und unabhängige Beratungsangebote empfohlen.
Telefon: 0800 50 40 112
Kontaktaufnahme per E-Mail

So geht die EKKW mit dem Thema sexualisierte Gewalt um

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat in den vergangenen Jahren viele Schritte unternommen, um sexualisierte Gewalt in ihren Gemeinden und Einrichtungen zu verhindern und Menschen, denen sexualisierte Gewalt in kirchlichen Zusammenhängen widerfahren ist, zu unterstützen. Gleichzeitig setzt sie viel daran, das Thema aufzuarbeiten und unterstützte auch das unabhängige Forschungsvorhaben ForumM, mit dem die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland wissenschaftlich untersucht wurde.

Wichtige Fragen und Antworten:

Wir wissen, dass es auch in unserer Landeskirche sexualisierte Gewalt gab und gibt. Menschen wurde Unrecht getan und Leid zugefügt, das ihr ganzes Leben gezeichnet hat. Das ist für unsere Kirche zutiefst beschämend und empörend. 

Aus diesem Wissen entsteht die Verpflichtung, dass wir uns dem Thema stellen. Dabei stehen die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt: Wir hören sie und unterstützen sie individuell; ihnen gegenüber fühlen wir uns verpflichtet. Die Verantwortung, die daraus erwächst, ist uns bewusst. Wir sind ihr leider bisher nicht immer gerecht geworden. Aufarbeitung muss daher ehrlich im Blick auf unser eigenes Versagen stattfinden – dies auch im Blick auf täterschützende Strukturen. Wir stehen ein für die konsequente Aufklärung und Ahndung zurückliegender Taten. Und wir machen uns stark für klare Aufarbeitungsstrukturen.

Grundlage für weitere Aufarbeitungsschritte ist die bundesweite, unabhängige ForuM-Studie, an deren Finanzierung sich alle Landeskirchen und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beteiligt haben. Sie wird am 25. Januar öffentlich vorgestellt. Mehr zu Studie unter www.forum-studie.de

Im Jahr 2019 hat die Landeskirche eine Fachstelle eingerichtet, bei der viele Fäden zusammenlaufen. Ansprechpartnerin ist Pfarrerin Sabine Kresse (Telefon: (0151) 1675 2077 oder (0561) 9378 404, E-Mail: praevention@ekkw.de).

Daneben bemüht sich die EKKW um die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit. Neben der Zuarbeit für die ForuM-Studie hat sie weitere Anstrengungen für die Aufarbeitung unternommen.

Um Interessenkonflikte zu vermeiden, hat die EKKW 2019 die Unabhängige Anerkennungskommission (UAK) berufen, in der keine Kirchenmitarbeitenden sitzen. Sie besteht aus einem Richter im Ruhestand, einer Traumatherapeutin und der ehemaligen Leiterin von Pro Familia Kassel. Diese Fachleute prüfen Fälle und überlegen gemeinsam mit den Betroffenen, welche Unterstützung diese benötigen. Das kann eine finanzielle Hilfe sein, aber auch psychologische Unterstützung. Jeder Fall ist anders. Zu den Mitgliedern mit Kontaktmöglichkeiten...

Außerdem klärt die UAK, ob Fälle noch rechtlich verfolgt werden können. Bis Ende 2023 hat die Kommission 21 Menschen betreut, die im Kontext unserer Landeskirche sexualisierte Gewalt erleben mussten. An 15 Betroffene wurde eine Anerkennungszahlung in unterschiedlicher Höhe geleistet, insgesamt 481.000 Euro. Uns ist bewusst, dass das keine Wiedergutmachung sein kann, denn gutzumachen sind die Taten nicht. Es geht vielmehr um die Anerkennung erlittenen Unrechts. 

Sieben pensionierte Kriminalbeamte und -beamtinnen haben entsprechenden Akten im Landeskirchenamt durchforstet. Dazu gehörten Disziplinarakten, aber auch rund 1.400 Personalakten von aktiven sowie noch lebenden, im Ruhestand befindlichen Pfarrpersonen. Diese Arbeit war auch die Grundlage dafür, dass 34 Fragebögen über Verdächtige und Täter in die ForuM-Studie eingeflossen sind. Was noch aussteht, ist eine Durchsicht aller Akten von verstorbenen Pfarrpersonen. Weitere Fälle wurden durch die Recherche bekannt. Da sich die Studie jedoch auf minderjährige Betroffene konzentriert, flossen diese dort nicht ein. Sie sind aber Grundlage unserer eigenen Aufklärungsarbeit.

Zum Bericht über die Recherchearbeiten...
Zu Fragen und Antworten, wie die Aktenrecherche in der EKKW ablief...

Ein Altfall aus unserer Landeskirche wird zudem in einem eigenen Forschungsprojekt der Universität Kassel aus unabhängiger, wissenschaftlicher Perspektive erforscht. Dabei soll es unter anderem um die Frage gehen, inwiefern Strukturen der Kirche die Täter schützten bzw. die Gewalt begünstigten. 

Für die ForuM-Studie wurden die Disziplinarakten von Pfarrpersonen sowie weitere einschlägige Unterlagen gesichtet. Gemeldet wurden 34 beschuldigte Personen, die bei der EKKW angestellt sind oder waren; für die Studie waren Fälle bis zum Jahr 2020 angefordert. Dabei handelt es sich um Fälle von sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen. Gemeldet wurden zudem 76 Fragebögen von betroffenen Personen, wobei diese Zahl nicht der tatsächlichen Anzahl der Betroffenen entspricht. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. Die EKKW ermutigt betroffene Personen daher, sich zu melden, z.B. bei der Unabhängigen Anerkennungskommission.

Durch die Recherche kamen mehr Fälle ans Licht, unter anderem mit erwachsenen Betroffenen. Aufgrund der in der Aktenreche ermittelten sowie der laufenden und geschätzten Fälle ist nach jetzigem Kenntnisstand von 40 bis 50 Tatpersonen auszugehen. Hochgerechnet auf 800 Kirchengemeinden und Einrichtungen der Landeskirche hat es somit in jeder 20. Gemeinde bzw. Einrichtung mindestens einen Täter bzw. eine beschuldigte Person und eine oft unbekannte Anzahl von Betroffenen gegeben.

Das Thema sexualisierte Gewalt ist mit Angst und Scham besetzt. Es gibt Betroffene, die sich vor einer Retraumatisierung schützen möchten. Für andere kann der Weg in die Öffentlichkeit indes befreiend sein. Hinzu kommt eine Mischung aus Ansehen, Status und Beliebtheit: Sie führt oft dazu, dass man Vertrauenspersonen solche Taten nicht zutraut und/oder sich ein Mantel des Schweigens über das Thema legt. 

Manchmal wird Betroffenen erst später klar, dass sie in dem, was sie für eine besondere Freundschaft hielten, in Wirklichkeit missbraucht wurden. Mitunter sprechen auch befreundete Menschen nicht über einen Missbrauch, den sie von einem gemeinsamen Bekannten oder Freund erfahren haben. 

Im Alter der Loslösung ziehen Jugendliche Erwachsene ungern ins Vertrauen «Und wenn sie es werden, gilt leider oft die Vermutung, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Eigene Bilder über eine Person werden nicht infrage gestellt, so dass Betroffene abgewiesen und nicht ernst genommen werden», berichtet die landeskirchliche Koordinatorin Sabine Kresse.  

Die EKKW nimmt jeden Verdachtsfall ernst und geht ihm nach. Jeder Fall wird der Kirchenleitung und bei strafrechtlicher Relevanz den staatlichen Stellen gemeldet (es sei denn, die Betroffenen untersagen das). Damit wird eine unabhängige, gründliche und sachbezogene Prüfung der Vorwürfe ermöglicht. Geht es um Kinder und Jugendliche, müssen oft auch das Jugendamt oder Fachberatungsstellen einbezogen werden, um das Kindswohl zu schützen. 

Bei Vorwürfen gegen kirchliche Mitarbeitende werden diese in der Regel bis zum Ende eines Verfahrens vom Dienst freigestellt. Arbeits- und disziplinarrechtliche Schritte werden unabhängig vom Strafrecht geprüft. Sanktionen können auch verhängt werden, wenn ein Fall strafrechtlich bereits verjährt ist oder ein staatsanwaltschaftliches Verfahren eingestellt wird. Unsere Landeskirche erwartet von ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein dem Auftrag der Kirche entsprechendes Verhalten. Das kann bedeuten, dass eine sexuelle Belästigung nicht staatlich bestraft wird, aber trotzdem arbeitsrechtliche Konsequenzen hat. Sollte es hingegen zu falschen Verdächtigungen kommen, muss es eine Rehabilitation geben. 

Es gibt eine Vielzahl von Ansprechstellen, wenn man einen Verdacht hat oder gar selbst sexualisierte Gewalt erleben musste. Hier ist eine Übersicht unabhängiger und kirchlicher Stellen.

Die haupt-, ehren- und nebenamtlichen Mitarbeitenden der EKKW wurden oder werden seit 2020 geschult, um sexualisierte Gewalt bzw. die Risiken ihrer Entstehung zu erkennen und Betroffenen professionelle Unterstützung zu vermitteln. Sie haben eine Selbstverpflichtungserklärung auf einen Verhaltenskodex unterzeichnet. Seit 2020 gab bereits mehr als 2000 Schulungen für die Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die Beschäftigten im Landeskirchenamt, in der Kirchenmusik und in der Jugendarbeit. Auch zwei Drittel der Kirchenvorstände wurden durch einen Stab von rund 30 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschult. Wie so eine Schulung abläuft, können Sie hier nachlesen...

Die Landeskirche bemüht sich nach Kräften, Risiken zu minimieren, wachsam und aufmerksam zu sein. Erste Erfolge sind sichtbar: Die Zahl von Beratungsanfragen, aber auch die Meldung von Verdachtsfällen hat seit Beginn der Schulungen zugenommen. Zugleich wissen wir, dass trotz aller Bemühungen weiterhin sexualisierte Gewalt geschehen kann. Dann ist es wichtig, dass es Strukturen für die Aufklärung und Verfolgung, vor allem aber die Unterstützung Betroffener, gibt. 

Das Thema sexualisierte Gewalt kommt zunehmend heraus aus der Tabuzone. Eben das wollen wir nach Kräften unterstützen. 


arrow_forward Aufarbeitung & Anerkennung:

Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Raum von Kirche und Diakonie geschieht wissenschaftlich und durch die Anerkennung des Leids von Menschen, die in unserer Kirche in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt erlitten haben. Dazu hier weitere Informationen und Kontakt zur unabhängigen Anerkennungskommission: