Film des Monats: Film des Monats

Film des Monats September 2023: Die Mittagsfrau

Jurybegründung:
 

Helene und ihre Schwester Martha sind in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Bautzen aufgewachsen. Der Vater ist nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, die Mutter hat sich in den Wahn geflüchtet, ist nicht mehr ansprechbar. Die kluge, vitale Helene will ausbrechen – und tut eine reiche Tante in Berlin auf, die beide Schwestern zu sich nimmt. Im Partyrausch der Zwanziger, im liberalen Großstadtmilieu blühen die jungen Frauen auf; Helene verliebt sich, jobbt in einer Apotheke, arbeitet auf ein Medizinstudium hin. Dann stirbt ihr Freund bei einer Demonstration. Und die Mehrheit der Deutschen wählt den Faschismus. Da ihre Mutter Jüdin ist, wird es für Martha und Helene gefährlich. Martha entschließt sich mit ihrer Lebensgefährtin zur Flucht. Helene bleibt, des Studiums wegen. Die Entscheidung, aus Tarnungsgründen einen Nazi-Offizier zu heiraten, ist fatal. Wilhelm denkt stramm autoritär und macht Helene praktisch zur Gefangenen. Als sie schwanger wird, spitzt sich die Situation zu: Sie will das Kind vom „Feind in ihrem Bett“ nicht. 

Auf Basis der Bestsellervorlage von Julia Franck ist der österreichischen Autorenfilmerin Barbara Albert eine eindrucksvolle Verbindung aus Frauenporträt und Zeitbild gelungen. Die Handlung des Films umfasst die zwanziger bis fünfziger Jahre. Und obwohl weder der Krieg noch die KZs ins Bild kommen, entfaltet sich von Anfang an eine Atmosphäre der beständigen Gefährdung – unterbrochen von Akten der Solidarität unter Frauen, die Albert immer wieder in einem verfremdeten, grobkörnigen Stil entrückt und poetisiert. Thema des Films ist nicht nur das schiere Überleben unter unmenschlichen Bedingungen. Vielmehr zeigt Albert präzise, was autoritäre, patriarchale Strukturen mit der Psyche und den Körpern von Frauen machen. Mala Emde spielt mit großer Verve und auch in den heiklen Szenen überzeugend eine Protagonistin, die unter anderen Lebensbedingungen ihren Intellekt und ihre Sexualität genießen könnte und überdies als Krankenschwester oder Ärztin eine Berufung zur klassischen „Care-Arbeit“ verspürt. Wie die Moral und Widerstandskraft dieser Frau unter toxischen Verhältnissen fast zerbrechen, zeigt der Film auf drastisch-sinnliche Weise. Darin ist „Die Mittagsfrau“ sehr aktuell.

Film-Credits:
Deutschland, Schweiz, Luxemburg 2023
Produzent: Oliver Schündler, Boris Ausserer, Anne Walser, Nicolas Steil, Katarzyna Ozga
Regie: Barbara Albert
Drehbuch: Meike Hauck, Barbara Albert, nach der Romanvorlage von Julia Franck
Kamera: Filip Zumbrunn
Schnitt: Sophie Blöchlinger
Musik: Kyan Bayani
Darsteller: Fabienne Elaine HollwegeMala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn, Liliane Amuat, Laura Louisa Garde, Eli Wasserscheid, Finjen Kiefer
Format: DCP, Farbe, deutsche Fassung,
Verleih: Wild Bunch Germany GmbH, Holzstraße 30, 80469 München, Tel.: +49 89 444 55 66 44, Fax: +49 89 444 55 66 59, office@wildbunch-germany.dehttp://www.wildbunch-germany.de/
Kinostart:28.9.2023

Trailer (youtube)

 

2023-09-01 37613

Evangelische Medienzentrale
Film des Monats

Bild: Wild Bunch Germany GmbH

Film des Monats September 2023: Die Mittagsfrau

Jurybegründung:
 

Helene und ihre Schwester Martha sind in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Bautzen aufgewachsen. Der Vater ist nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, die Mutter hat sich in den Wahn geflüchtet, ist nicht mehr ansprechbar. Die kluge, vitale Helene will ausbrechen – und tut eine reiche Tante in Berlin auf, die beide Schwestern zu sich nimmt. Im Partyrausch der Zwanziger, im liberalen Großstadtmilieu blühen die jungen Frauen auf; Helene verliebt sich, jobbt in einer Apotheke, arbeitet auf ein Medizinstudium hin. Dann stirbt ihr Freund bei einer Demonstration. Und die Mehrheit der Deutschen wählt den Faschismus. Da ihre Mutter Jüdin ist, wird es für Martha und Helene gefährlich. Martha entschließt sich mit ihrer Lebensgefährtin zur Flucht. Helene bleibt, des Studiums wegen. Die Entscheidung, aus Tarnungsgründen einen Nazi-Offizier zu heiraten, ist fatal. Wilhelm denkt stramm autoritär und macht Helene praktisch zur Gefangenen. Als sie schwanger wird, spitzt sich die Situation zu: Sie will das Kind vom „Feind in ihrem Bett“ nicht. 

Auf Basis der Bestsellervorlage von Julia Franck ist der österreichischen Autorenfilmerin Barbara Albert eine eindrucksvolle Verbindung aus Frauenporträt und Zeitbild gelungen. Die Handlung des Films umfasst die zwanziger bis fünfziger Jahre. Und obwohl weder der Krieg noch die KZs ins Bild kommen, entfaltet sich von Anfang an eine Atmosphäre der beständigen Gefährdung – unterbrochen von Akten der Solidarität unter Frauen, die Albert immer wieder in einem verfremdeten, grobkörnigen Stil entrückt und poetisiert. Thema des Films ist nicht nur das schiere Überleben unter unmenschlichen Bedingungen. Vielmehr zeigt Albert präzise, was autoritäre, patriarchale Strukturen mit der Psyche und den Körpern von Frauen machen. Mala Emde spielt mit großer Verve und auch in den heiklen Szenen überzeugend eine Protagonistin, die unter anderen Lebensbedingungen ihren Intellekt und ihre Sexualität genießen könnte und überdies als Krankenschwester oder Ärztin eine Berufung zur klassischen „Care-Arbeit“ verspürt. Wie die Moral und Widerstandskraft dieser Frau unter toxischen Verhältnissen fast zerbrechen, zeigt der Film auf drastisch-sinnliche Weise. Darin ist „Die Mittagsfrau“ sehr aktuell.

Film-Credits:
Deutschland, Schweiz, Luxemburg 2023
Produzent: Oliver Schündler, Boris Ausserer, Anne Walser, Nicolas Steil, Katarzyna Ozga
Regie: Barbara Albert
Drehbuch: Meike Hauck, Barbara Albert, nach der Romanvorlage von Julia Franck
Kamera: Filip Zumbrunn
Schnitt: Sophie Blöchlinger
Musik: Kyan Bayani
Darsteller: Fabienne Elaine HollwegeMala Emde, Max von der Groeben, Thomas Prenn, Liliane Amuat, Laura Louisa Garde, Eli Wasserscheid, Finjen Kiefer
Format: DCP, Farbe, deutsche Fassung,
Verleih: Wild Bunch Germany GmbH, Holzstraße 30, 80469 München, Tel.: +49 89 444 55 66 44, Fax: +49 89 444 55 66 59, office@wildbunch-germany.dehttp://www.wildbunch-germany.de/
Kinostart:28.9.2023

Trailer (youtube)

 

Name Jury der ev. Filmarbeit
  • Hintergrund: Jury der evangelischen Filmarbeit
  • Die Jury der Evangelischen Filmarbeit ist ein unabhängiges Gremium. Evangelische Werke, Verbände und Einrichtungen benennen in vierjährigem Turnus die Mitglieder der Jury; diese wählen zusätzlich zwei Pfarrer hinzu. Sie hat bis heute über 750 Spiel- und lange Dokumentarfilme als Filme des Monats ausgezeichnet, die sich durch ihre herausragende Qualität zur Diskussion anbieten Sie macht damit Programmgestalter, Kinobesitzer und Medienverantwortliche auf diese Filme aufmerksam. Gleichzeitig weist sie das Publikum auf den Besuch dieser Filme hin und regt zur Beschäftigung mit der Thematik der Filme des Monats an, um den Zuschauer zur eigenständigen Beurteilung zu ermutigen.

    Die Jury zeichnet Filme aus, die dem Zusammenleben der Menschen dienen, zur Überprüfung eigener Positionen, zur Wahrnehmung mitmenschlicher Verantwortung und zur Orientierung an der biblischen Botschaft beitragen. Sie berücksichtigt dabei die filmästhetische Gestaltung, den ethischen Gehalt und die thematische Bedeutsamkeit des Films. Keiner dieser Aspekte darf allein ausschlaggebend sein; sie sollen vielmehr in ihrer wechselseitigen Beziehung bewertet werden. Bei der Auswahl der Filme bemüht sich die Jury um Aktualität.

    Filme des Monats informieren, machen Zeitprobleme sichtbar und erfahrbar und geben Impulse zu verantwortlichem Handeln. Sie spiegeln aktuelle Entwicklungen der Filmkultur.

  • Zur Internetseite der Jury der ev. Filmarbeit & Film des Monats