Mittwoch: Nachgefragt...

Landeskirchenrat Horst Rühl stellte sich den Fragen von Radioredakteur Torsten Scheuermann am 21.11.2014 in Kassel.

Scheuermann: Herr Rühl, seit zwei Jahren spricht die Diakonie in Hessen mit einer Stimme und  die Fusion der Diakonischen Werke von Kurhessen-Waldeck und Hessen-Nassau ist vollzogen. Wie beurteilen Sie den Prozess?

Rühl: Die Außenwirkung ist jetzt als Diakonie Hessen sehr viel deutlicher und  stärker. Innerhalb der Ligaverbände spielen wir eine viel stärkere Rolle. Es macht sich auch in Besetzungen von Gremien durch unsere hohe Kompetenz in den fachlichen Bereichen deutlich. Viele der Liga-Arbeitskreise sind mit unseren Leitungskräften bestückt. Wir prägen so ein Stück der Wohlfahrtspolitik in Hessen.

Scheuermann: Ist durch die Fusion auch eine stärkere Wahrnehmung bei der hessischen Landesregierung festzustellen?

Rühl: Wenn ich auf die Landesregierung blicke, merken wir ganz deutlich, dass zwei Dinge gleichzeitig passiert sind. Wir haben fusioniert und wir haben eine neue Koalition im Land Hessen. Durch diese beiden Veränderungen wird bemerkbar, dass wir weitaus stärker ins Gespräch kommen. Zum Beispiel werden jetzt ganz kurzfristig zwischen uns und den beiden Staatssekretären im Sozialministerium Kontakte vereinbart. Wir diskutieren Themen, die uns und auch die Staatssekretäre sehr umtreiben, zum Beispiel die Flüchtlingsfrage. Und das bringt uns sehr stark zusammen. Hier sind die politisch Verantwortlichen sehr an dem, was wir an Willkommensarbeit auch in den Kirchengemeinden leisten, hochgradig interessiert. Und natürlich auch daran, wie wir die Flüchtlingspolitik in Zukunft weiter gestalten können.

Scheuermann: Immer mehr Flüchtlinge kommen auch nach Hessen. Wie beurteilen Sie die derzeitige Flüchtlingspolitik?

Rühl: Wenn wir innerhalb Europas schauen, hat Deutschland in der Flüchtlingspolitik erst mal eine gute Position. 20.000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen ist ein wichtiger Punkt und ist auch keine geringe Zahl, wenn man es mit anderen Staaten vergleicht. Aber wenn wir vor Ort schauen, zum Beispiel in Syrien, da nehmen die benachbarten Staaten mehrere Millionen Flüchtlinge auf. In Europa müssen wir uns fragen, ob wir das Mittelmeer als unser gemeinsames Meer betrachten, für das wir eine gemeinsame Verantwortung als Europäische Gemeinschaft tragen. So wie die Aktion auch in Italien hieß, „Mare Nostrum“. Dann können wir nicht einfach sagen, Flüchtlinge kommen in Italien, in Ungarn oder in Spanien an und interessieren uns erst mal nicht. Sondern dann müssen wir Lösungen haben, wie wir entweder die Situationen in diesen Fluchtländern erheblich verbessern, auch durch europäische Mittel, oder wir müssen zulassen, dass Menschen weiter wandern können und dann ein faires Asylverfahren in den mittel- und nordeuropäischen Ländern erhalten. Also auch bei uns in Deutschland.

Scheuermann: Auch die Diakonischen Werke helfen den Flüchtlingen hier in Hessen vor Ort. Was brauchen diese Menschen, wenn Sie hier ankommen?

Rühl: Wir beraten die Flüchtlinge nach der Erstaufnahme und in Rechtsfragen, wir stehen ihnen zu Seite in all den Lebensfragen, die jetzt anstehen, die für sie gelöst werden müssen. Und weil wir wahrgenommen haben, dass die Flüchtlingsberatung an ihre Grenzen kommt, haben wir versucht, genau diese unabhängigen Beratungen zu stärken, denn da sind wir anders aufgestellt als andere Verbände. Wir legen Wert auf eine bewusst unabhängige Beratung, die den Menschen den Raum gibt, zu ihrem Recht zu kommen.
Für die Flüchtlinge hier vor Ort, die bei uns ankommen, brauchen wir Rahmenbedingungen, die ihnen keine weiteren Traumatisierungen zufügen, sondern sie sicher wohnen und leben lassen. Wir merken, dass wir bestimmte Standards brauchen, wie z. B. Flüchtlingsunterkünfte ausgestaltet sein sollten. Wir müssen zusehen, dass wir eine möglichst hohe Integration ermöglichen. Menschen, die integriert sind oder die durch bestimmte Wohnformen eine größere Chance haben, sich integrieren zu können, sind kein sozialer Sprengstoff, sondern tragen zu einer sozialen friedlichen Kultur bei. Das sind wichtige Punkte, die wir mit den politisch Verantwortlichen in den Kommunen, aber auch auf Landesebene erreichen wollen.

Scheuermann: Was fordern Sie für die Flüchtlingsarbeit hier vor Ort?

Rühl: Ich bin sehr, sehr dankbar, dass der Rat der kurhessischen Landeskirche und unser Kollegium eine Summe von 300.000 Euro auf drei Jahre zur Stärkung der Flüchtlingsberatung eingesetzt hat. Damit helfen wir ganz konkret, weil  ein großer Bedarf in der Flüchtlingsberatung da ist. Damit Menschen hier erstens würdig willkommen geheißen werden können, zweitens auch die Chance haben, die nötige rechtliche Betreuung zu bekommen und damit den möglichen Rechtsrahmen auch ausnutzen zu können, um zu ihrem Recht zu kommen. Mein Antrag an die Synode wird sein, dass wir den Rechtshilfefonds  nochmals deutlich stärken. Für die nächsten Jahre  mit weiteren 150.000 Euro. Diese Summen, 300.000 Euro und nochmal 150.000 Euro, sind für eine  etwas kleinere und finanzschwächere Kirche erhebliche Beträge, mit denen sie sich für die Flüchtlinge sehr deutlich einsetzt.

Scheuermann: Vielen Dank für das Interview!

(21.11.2014)

2014-11-26 14976


Nachgefragt...

 
Foto: Landeskirchenrat Horst Rühl während der Pressekonferenz zur Herbsttagung am vergangenen Freitag. (Foto: medio.tv/Schauderna) Landeskirchenrat Horst Rühl während der Pressekonferenz zur Herbsttagung am vergangenen Freitag. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Landeskirchenrat Horst Rühl stellte sich den Fragen von Radioredakteur Torsten Scheuermann am 21.11.2014 in Kassel.

Scheuermann: Herr Rühl, seit zwei Jahren spricht die Diakonie in Hessen mit einer Stimme und  die Fusion der Diakonischen Werke von Kurhessen-Waldeck und Hessen-Nassau ist vollzogen. Wie beurteilen Sie den Prozess?

Rühl: Die Außenwirkung ist jetzt als Diakonie Hessen sehr viel deutlicher und  stärker. Innerhalb der Ligaverbände spielen wir eine viel stärkere Rolle. Es macht sich auch in Besetzungen von Gremien durch unsere hohe Kompetenz in den fachlichen Bereichen deutlich. Viele der Liga-Arbeitskreise sind mit unseren Leitungskräften bestückt. Wir prägen so ein Stück der Wohlfahrtspolitik in Hessen.

Scheuermann: Ist durch die Fusion auch eine stärkere Wahrnehmung bei der hessischen Landesregierung festzustellen?

Rühl: Wenn ich auf die Landesregierung blicke, merken wir ganz deutlich, dass zwei Dinge gleichzeitig passiert sind. Wir haben fusioniert und wir haben eine neue Koalition im Land Hessen. Durch diese beiden Veränderungen wird bemerkbar, dass wir weitaus stärker ins Gespräch kommen. Zum Beispiel werden jetzt ganz kurzfristig zwischen uns und den beiden Staatssekretären im Sozialministerium Kontakte vereinbart. Wir diskutieren Themen, die uns und auch die Staatssekretäre sehr umtreiben, zum Beispiel die Flüchtlingsfrage. Und das bringt uns sehr stark zusammen. Hier sind die politisch Verantwortlichen sehr an dem, was wir an Willkommensarbeit auch in den Kirchengemeinden leisten, hochgradig interessiert. Und natürlich auch daran, wie wir die Flüchtlingspolitik in Zukunft weiter gestalten können.

Scheuermann: Immer mehr Flüchtlinge kommen auch nach Hessen. Wie beurteilen Sie die derzeitige Flüchtlingspolitik?

Rühl: Wenn wir innerhalb Europas schauen, hat Deutschland in der Flüchtlingspolitik erst mal eine gute Position. 20.000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen ist ein wichtiger Punkt und ist auch keine geringe Zahl, wenn man es mit anderen Staaten vergleicht. Aber wenn wir vor Ort schauen, zum Beispiel in Syrien, da nehmen die benachbarten Staaten mehrere Millionen Flüchtlinge auf. In Europa müssen wir uns fragen, ob wir das Mittelmeer als unser gemeinsames Meer betrachten, für das wir eine gemeinsame Verantwortung als Europäische Gemeinschaft tragen. So wie die Aktion auch in Italien hieß, „Mare Nostrum“. Dann können wir nicht einfach sagen, Flüchtlinge kommen in Italien, in Ungarn oder in Spanien an und interessieren uns erst mal nicht. Sondern dann müssen wir Lösungen haben, wie wir entweder die Situationen in diesen Fluchtländern erheblich verbessern, auch durch europäische Mittel, oder wir müssen zulassen, dass Menschen weiter wandern können und dann ein faires Asylverfahren in den mittel- und nordeuropäischen Ländern erhalten. Also auch bei uns in Deutschland.

Scheuermann: Auch die Diakonischen Werke helfen den Flüchtlingen hier in Hessen vor Ort. Was brauchen diese Menschen, wenn Sie hier ankommen?

Rühl: Wir beraten die Flüchtlinge nach der Erstaufnahme und in Rechtsfragen, wir stehen ihnen zu Seite in all den Lebensfragen, die jetzt anstehen, die für sie gelöst werden müssen. Und weil wir wahrgenommen haben, dass die Flüchtlingsberatung an ihre Grenzen kommt, haben wir versucht, genau diese unabhängigen Beratungen zu stärken, denn da sind wir anders aufgestellt als andere Verbände. Wir legen Wert auf eine bewusst unabhängige Beratung, die den Menschen den Raum gibt, zu ihrem Recht zu kommen.
Für die Flüchtlinge hier vor Ort, die bei uns ankommen, brauchen wir Rahmenbedingungen, die ihnen keine weiteren Traumatisierungen zufügen, sondern sie sicher wohnen und leben lassen. Wir merken, dass wir bestimmte Standards brauchen, wie z. B. Flüchtlingsunterkünfte ausgestaltet sein sollten. Wir müssen zusehen, dass wir eine möglichst hohe Integration ermöglichen. Menschen, die integriert sind oder die durch bestimmte Wohnformen eine größere Chance haben, sich integrieren zu können, sind kein sozialer Sprengstoff, sondern tragen zu einer sozialen friedlichen Kultur bei. Das sind wichtige Punkte, die wir mit den politisch Verantwortlichen in den Kommunen, aber auch auf Landesebene erreichen wollen.

Scheuermann: Was fordern Sie für die Flüchtlingsarbeit hier vor Ort?

Rühl: Ich bin sehr, sehr dankbar, dass der Rat der kurhessischen Landeskirche und unser Kollegium eine Summe von 300.000 Euro auf drei Jahre zur Stärkung der Flüchtlingsberatung eingesetzt hat. Damit helfen wir ganz konkret, weil  ein großer Bedarf in der Flüchtlingsberatung da ist. Damit Menschen hier erstens würdig willkommen geheißen werden können, zweitens auch die Chance haben, die nötige rechtliche Betreuung zu bekommen und damit den möglichen Rechtsrahmen auch ausnutzen zu können, um zu ihrem Recht zu kommen. Mein Antrag an die Synode wird sein, dass wir den Rechtshilfefonds  nochmals deutlich stärken. Für die nächsten Jahre  mit weiteren 150.000 Euro. Diese Summen, 300.000 Euro und nochmal 150.000 Euro, sind für eine  etwas kleinere und finanzschwächere Kirche erhebliche Beträge, mit denen sie sich für die Flüchtlinge sehr deutlich einsetzt.

Scheuermann: Vielen Dank für das Interview!

(21.11.2014)


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