Freitag, 24. März 2015
- Stellungnahme zur Beihilfe zur Selbsttötung verabschiedet
- Landessynode diskutiert zukünftige Gestalt der Volkskirche
- Impressionen des Tages
Morschen (medio). In einer am Freitagnachmittag (24.4.) verabschiedeten Stellungnahme zur Beihilfe zur Selbsttötung hat sich die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewendet. Die Synodalen bitten darum, kommerzielle und geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung zu verbieten und auf weitergehende gesetzliche Regelungen zur Sache zu verzichten. Hintergrund sind die anstehenden parlamentarischen Beratungen zu einer möglichen rechtlichen Regelung der Beihilfe, teilte die Pressestelle der Landeskirche mit.
Landessynode appelliert an Abgeordnete des Deutschen Bundestages
Stellungnahme zur Beihilfe zur Selbsttötung verabschiedet
Morschen (medio). In einer am Freitagnachmittag (24.4.) verabschiedeten Stellungnahme zur Beihilfe zur Selbsttötung hat sich die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewendet. Die Synodalen bitten darum, kommerzielle und geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung zu verbieten und auf weitergehende gesetzliche Regelungen zur Sache zu verzichten. Hintergrund sind die anstehenden parlamentarischen Beratungen zu einer möglichen rechtlichen Regelung der Beihilfe, teilte die Pressestelle der Landeskirche mit.

Mit ihrer Stellungnahme wenden sich die Synodalen gegen eine kommerzielle und geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid. (Fotos: medio.tv/Küster)
Die Synodalen bitten die Abgeordneten weiter, die Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen durch Seelsorge, Palliativversorgung und Hospizarbeit so auszubauen, dass Menschen die Selbsttötung nicht als letzten Ausweg sehen müssen, heißt es in dem Papier. Außerdem solle eine vertiefte öffentliche Debatte über die Bedingungen und Grenzen menschlicher Selbstbestimmung gefördert werden.
Den Hauptgrund für die öffentliche Debatte sieht Bischof Prof. Dr. Martin Hein in der «Angst vor einem qualvollen, die Würde und Selbstbestimmung des Menschen scheinbar in Frage stellenden Sterbens». Die Leistungen der modernen Medizin hätten nicht nur die Möglichkeiten menschlichen Lebens erweitert, sondern zugleich an ethische Grenzen geführt, sagte Hein in seiner Einbringungsrede zu dem Tagesordnungspunkt. «Wir bezahlen den Traum vom langen Leben mit dem Alptraum des langen Sterbens», so der Bischof.
Gesetzliche Regelungen um Verbot kommerzieller und geschäftsmäßiger Beihilfe erweitern
Verschärft stelle sich die Frage nach der Beihilfe zur Selbsttötung durch Vereine und Einzelpersonen, die bezahlt oder unentgeltlich Medikamente und Know-How zum Suizid zur Verfügung stellen und ihre Dienste teils aktiv bewerben, so Hein weiter. Zudem drängten die unterschiedlichen europäischen und weltweiten gesetzlichen Regelungen zu einer Entscheidung in Deutschland. Die bestehenden deutschen gesetzlichen Regelungen reichten im Wesentlichen aus. «Sie sollten lediglich um das Verbot kommerzieller und geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid ergänzt werden», so Hein in seiner Einbringung weiter. Damit könne einer Normalisierung, Professionalisierung und Kommerzialisierung verhindert und eine dadurch zu befürchtende Absenkung moralischer Standards vermieden werden, die «aus dem Tod eine ´Therapie´ macht», so der Bischof.
Bischof Hein: «Die Kirchen sind nicht die Verhinderer der Autonomie»
Hein befürchtete, dass durch die Möglichkeit einer regelhaften Assistenz zur Selbsttötung auf die Betroffenen ein «verhängnisvoller Entscheidungsdruck» ausgeübt werde. Selbstbestimmung und Autonomie dürften nicht dazu führen, dass der Gedanke an Sozialität und Solidarität verdrängt werde.
«Die Kirchen sind nicht die Verhinderer der Autonomie», so der Bischof wörtlich. Sie würden vielmehr für ein solidarisches Leben einstehen, «in dem wir uns als einzelne aufgehoben und geborgen fühlen können – bis in den Tod.»
Gegen eine Beihilfe zur Selbsttötung spricht für Hein aus theologischer Sicht nicht nur, dass das Leben eine Gabe Gottes ist. Es sei auch verfehlt, das Leben und sein Ende als eine «rein individualethische Frage» zu behandeln und dabei auf das Selbstbestimmungsrecht des Menschen zu verweisen. Die Frage von gesellschaftlichem Interesse müsse in einen sozialen Kontext gestellt werden. Hein betonte, dass auch unermessliches Leiden die Würde des Menschen nicht in Frage stelle. In schwerstes Leid geraten zu können, sei eine Möglichkeit, die elementar zum Geschöpf sein hinzu gehöre: «Der Tod aber ist uns, weil für uns Christen das Leben ein Geschenk Gottes darstellt, entzogen», so Hein.
Nicht der Tod, sondern der Akt des Tötens stellt menschliche Würde in Frage
Hein wies darauf hin, dass in der öffentliche Debatte oft zu wenig beachtet werde, dass nicht der Tod, sondern der Akt des Tötens die menschliche Würde in Frage stelle. Allerdings stoße hier das Recht an seine Grenzen. Hein vertrat die Ansicht: «Eine gesetzliche Regelung im Grenzbereich von Leben und Tod muss Raum für Gewissensentscheidungen offenlassen, ohne Menschen sofort zu kriminalisieren.»
Der Frage des Umgangs mit Leid dürfe man sich, so Hein, nicht über die Frage nach einer Beendigung durch den Tod nähern. Vielmehr sollten Linderung und Begleitung durch Palliativ- und Hospizbetreuung in den Blickpunkt rücken. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Menschen, die über diese Möglichkeiten wüssten, von einem Suizidverlangen meistens Abstand nähmen, so Hein. (24.04.2015)
Lesen Sie hier die Stellungnahme im Wortlaut:
Stellungnahme der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck zur Diskussion um die Beihilfe zur Selbsttötung
«Angesichts der öffentlichen Diskussion und der anstehenden parlamentarischen Beratungen zur möglichen rechtlichen Regelung hat die Landessynode in ihrer Sitzung am 24. April 2015 das Thema Beihilfe zur Selbsttötung erörtert.
Von Beihilfe zur Selbsttötung wird gesprochen, wenn jemand einer Person ein Tötungsmittel vorsätzlich zur Verfügung stellt, das diese dann selbst und freiwillig einsetzt, um sich zu töten.
Die aktuelle Debatte um die rechtliche Bewertung der Beihilfe zur Selbsttötung wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, die unterschiedliche Ebenen in den Blick nehmen. Dazu zählen
- das Bedürfnis von Menschen, über ihr Lebensende selbst zu verfügen,
- der Wunsch nach größerer Rechtssicherheit für Pflegende und ärztliches Personal,
- Interessen von Organisationen, die in Deutschland Beihilfe zur Selbsttötung anbieten wollen,
- rechtliche Regelungen in anderen Ländern,
- demographische Veränderungen in unserem Land,
- die mediale Darstellung von Einzelfällen.
Nach Auffassung der Synode lassen die geplanten Gesetzesinitiativen die grundsätzliche Schwierigkeit erkennen, eine Situation rechtlich regeln zu wollen, die sich rechtlich nicht abschließend regeln lässt.
Die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck bittet nach eingehender Diskussion die Abgeordneten des Deutschen Bundestags,
- kommerzielle und geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung zu verbieten und auf weitergehende gesetzliche Regelungen zur Sache zu verzichten,
- die Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen durch Seelsorge, Palliativversorgung und Hospizarbeit so auszubauen, dass Menschen die Selbsttötung nicht als letzten Ausweg sehen müssen,
- eine vertiefte öffentliche Debatte über die Bedingungen und Grenzen menschlicher Selbstbestimmung zu fördern.»
arrow_forward Nachgefragt:
Bischof Martin Hein im medio-Interview zum Thema Volkskirche und warum die Beschäftigung mit der Beihilfe zur Selbsttötung zurzeit so drängend ist:
Morschen (medio/epd). Die 93 Mitglieder der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck haben sich am Freitag (24.4.) mit der Zukunft der Kirche als Volkskirche befasst. Dabei wurden während eines Studientages in sechs Arbeitsgruppen der Begriff der Gemeinde, das Verständnis der Ämter sowie das Verhältnis Kirche und Öffentlichkeit diskutiert. Die Auseinandersetzung diente vor allem der Vorbereitung auf die Herbsttagung der Landessynode, auf der über Einsparungen entschieden werden soll.
Bischof Hein: Auch kleiner werdende Kirche kann «wie die Hefe im Sauerteig» wirken
Vorbereitung auf Herbsttagung
Landessynode diskutiert zukünftige Gestalt der Volkskirche
Morschen (medio/epd). Die 93 Mitglieder der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck haben sich am Freitag (24.4.) mit der Zukunft der Kirche als Volkskirche befasst. Dabei wurden während eines Studientages in sechs Arbeitsgruppen der Begriff der Gemeinde, das Verständnis der Ämter sowie das Verhältnis Kirche und Öffentlichkeit diskutiert. Die Auseinandersetzung diente vor allem der Vorbereitung auf die Herbsttagung der Landessynode, auf der über Einsparungen entschieden werden soll.
Bischof Hein: Auch kleiner werdende Kirche kann «wie die Hefe im Sauerteig» wirken

Bischof Martin Hein (l.) im Gespräch mit Medienhausleiter Pfarrer Christian Fischer. (Foto: medio.tv/Schauderna)
Für Bischof Martin Hein ist Volkskirche eine Kirche, die mitten in der Gesellschaft leben will und die sich nicht in eine Nische zurückzieht. Volkskirche sei ein qualitativer Begriff, der auch den Öffentlichkeitsanspruch des Evangeliums deutlich mache, so Hein in einem Interview mit der landeskirchlichen Medienagentur «medio». Auch eine kleiner werdende Kirche könne «wie die Hefe im Sauerteig» wirken und damit große Wirkungen erzielen. «Mir ist wegen der abnehmenden Zahlen nicht bange, auch wenn ich sie sehr ernst nehme», so Hein.
Für Hein hat die Frage nach der religiösen Orientierung und nach dem eigenen Glauben in der Gesellschaft auch weiterhin Bedeutung. Die Sinnfrage werde gegenwärtig aber stark überspielt durch eine Fülle von unterschiedlichen Angeboten, die nur kurzfristig wirkten. Hier müsse Kirche wieder verstärkt anknüpfen. «Wir stehen für eine Hoffnung, die stärker ist als der Tod, und das muss man in der gegenwärtigen Welt laut sagen», so der Bischof.
Propst Wöllenstein: Studientag will Entscheidungsfähigkeit für die anstehenden Reformprozesse stärken
In seiner thematischen Einführung sagte Propst Helmut Wöllenstein, unter dessen Vorsitz ein Ausschuss den Studientag vorbereitet hatte, dass die Landeskirche weiterhin Volkskirche bleiben wolle. Der Studientag verfolge das Ziel, durch einen Meinungsbildungsprozess die Entscheidungsfähigkeit für die anstehenden Reformprozesse zu stärken, so der Propst. Ziel sei es, die Felder auszumessen, auf denen Entscheidungen getroffen werden und die Konsequenzen abzuschätzen, so Wöllenstein.
Theologe Hauschildt: Volkskirche nicht mehr «Kirche aller», sondern «Kirche für alle»
Der Bonner Theologe Prof. Dr. Eberhard Hauschildt wies in einem Eingangsreferat darauf hin, dass die Volkskirche für eine plurale Gesellschaft öffentlich bedeutsam sein müsse. Anders als nach Kriegsende stehe der Begriff Volkskirche allerdings nicht mehr für eine «Kirche aller», sondern für eine «Kirche für alle», sagte er. Trotz dieser Entwicklung habe sich beispielsweise die Notfallseelsorge in den vergangenen Jahren etabliert. Eine nationale Trauerfeier wie im Fall des Flugzeugabsturzes der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen sei unwidersprochen in den Kölner Dom gelegt worden.
Zu überdenken sei in Zukunft auch der Beruf des Pfarrers, sagte Hauschildt. Hier gebe es viele Teilzeitstellen oder Stellen, die mit Zusatzaufträgen verbunden seien. Angesichts des derzeit mangelnden Theologennachwuchses werde die Kirche künftig stärker auf Menschen zurückgreifen müssen, die keine umfassende akademische Ausbildung hätten. In manchen Gegenden im Osten Deutschlands repräsentierten mittlerweile Ehrenamtliche das Gesicht der Kirche vor Ort. «Der Pfarrer der Zukunft muss gut in der Begleitung Ehrenamtlicher sein», sagte Hauschildt zum Wandel der pfarramtlichen Aufgaben. (24.04.2015)
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Bischof Martin Hein im medio-Interview zum Thema Volkskirche und warum die Beschäftigung mit der Beihilfe zur Selbsttötung zurzeit so drängend ist:
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Präses Rudolf Schulze im medio-Interview zum Themenschwerpunkt der Frühjahrstagung «Volkskirche»:
radio Internetradio:
Hören Sie hier einen Beitrag zum Thema von medio-Reporter Siegfried Krückeberg:
(alle Fotos: medio.tv/Küster)