Dienstag, 23. November 2010
- Vizepräsident Dr. Knöppel: Sparen weiter nötig
- Landesdiakoniepfarrer Schwarz: Politik muss sozial gerecht sparen
- Fünf Projekte der Aktion «Diakonische Gemeinde» bewilligt
Finanzbericht
Vizepräsident Dr. Knöppel: Sparen weiter nötig
Hofgeismar (medio). Der Leitende Jurist der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Vizepräsident Dr. Volker Knöppel, hält die Fortsetzung der Einsparbemühungen in den Haushalten der Landeskirche für unumgänglich. In seinem Finanzbericht sagte Knöppel auf der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in Hofgeismar, die 2006 eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen der kirchlichen Finanzen müssten fortgesetzt werden. «Unsere Strukturen und finanziellen Verpflichtungen für die Zukunft müssen sich an der zurückgehenden Bevölkerungszahl und somit der geringer werdenden Anzahl unserer Gemeindeglieder orientieren», betonte Knöppel. Eine Ausweitung der Ausgaben sei nicht möglich. Vielmehr müssten Kostensteigerungen im Personal- wie im Sachkostenbereich durch Kürzungen an anderer Stelle kompensiert werden. Eine vernünftige Personalreduzierung unter Nutzung der altersbedingten Fluktuation sei weiterhin notwendig. Auch der Aufwand für Gebäude müsste reduziert werden. Konkrete Pläne für eine Gebäudereduzierung seien zu erstellen und umzusetzen.
Kirchensteuereinnahmen der Landeskirche im EKD-Vergleich im Mittelfeld
Die Pro-Kopf-Gesamtsteuereinnahmen der Landeskirche lagen im Jahr 2009 bei 144,04 Euro. Damit liegt die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck auf Platz 12 der 22 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die höchsten Pro-Kopf-Einnahmen verzeichnet die hessische Schwesterkirche, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, mit 251,66 Euro. Während die Kirchensteuereinnahmen von 2008 auf 2009 um 1,6 Prozent zurückgingen, wird für 2010 ein Rückgang von 5 bis 6 Prozent gegenüber 2009 erwartet. Für das kommende Jahr rechnen die deutschen Wirtschaftsinstitute mit einem leichten Rückgang bei der Lohnsteuer, was sich auch auf die Einnahmen der Landeskirche auswirken dürfte.
Überprüfung der Finanzzuweisungen an die Gemeinden - Einführung der Doppik
Knöppel kündigte vor der Synode eine Überprüfung des 2009 verabschiedeten «Kirchengesetzes zur Einführung von Grundbudgets für Kirchengemeinden und eines Gebäudemanagements» an. Hierzu hatte es aus den Kreissynoden etliche Anträge an die Landessynode aufgrund von Problemanzeigen vor Ort gegeben. Ergebnisse sollen bereits in die Planungen für den Doppelhaushalt 2012/2013 einfließen. Zudem will die Landeskirche bis 2014 die so genannte «Doppik» (Doppelte Buchführung in Konten) für ihr Rechnungswesen flächendeckend einführen. Diese Modell, das einen Wechsel vom «ausgabeorientierten» zu einem «ressourcenorientierten» Konzept darstellt, existiert bereits in den hessischen Kommunen. Im Jahr 2011 werden 14 von 25 Kirchenkreisen diese Umstellung vollzogen haben. (23.11.2010)
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Vizepräsident Dr. Volker Knöppel stellte sich den Fragen von medio-Redaktionsleiter Pfarrer Christian Fischer:
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«Die Kirche – der Staat – und das Geld» - Vizepräsident Dr. Knöppel beantwortet Fragen zum Verhältnis von Staat und Kirche. Lesen Sie hier das Interview von Pressesprecher Karl Waldeck im Wortlaut:
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Lesen Sie hier die Stellungnahme des Finanzausschusses zum Finanzbericht des Vizepräsidenten im Wortlaut:
Landesdiakoniepfarrer Schwarz: Politik muss sozial gerecht sparen
Hofgeismar (medio). «Bei den in der Sache notwendigen Sparbemühungen der Politik muss es sozial gerecht zugehen, das heißt es darf nicht einseitig zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten gespart werden. Hier sehen wir derzeit deutliche Schieflagen.» Diese Forderung hat der Diakoniedezernent der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Landespfarrer für Diakonie und Oberlandeskirchenrat Dr. Eberhard Schwarz, am Dienstag (23.11.) auf der Landessynode in Hofgeismar erhoben.
Schwarz nahm Bezug auf die immer härter werdenden sozialpolitischen Rahmenbedingungen, die auf allen Handlungsebenen insbesondere unter finanziellen Gesichtspunkten schwieriger werden. Die finanzielle Situation der Kommunen und Landkreise sei teilweise desaströs. Dies habe zur Folge, dass nicht nur freiwillige Leistungen auf den Prüfstand kämen, sondern auch Standards von Pflichtaufgaben in Frage gestellt würden. Länder und kommunale Spitzenverbände seien der Auffassung, dass sich die angespannte Situation der kommunalen Finanzen durch Standardänderungen allein nicht lösen ließe. Sie meinten, eine signifikante und nachhaltige Verbesserung lasse sich vielmehr nur durch weitere Kürzungen im Bereich der Sozialausgaben erreichen. Hier seien nach deren Ansicht durchgreifende Veränderungen erforderlich.
«Der Ausgang dieser derzeit geführten und dringend erforderlichen Debatte wird das künftige Gesicht unseres Sozialstaats prägen. Wir dürfen nicht nur über Einsparungen reden. Wir müssen auch die Möglichkeiten einer Einnahmeverbesserung diskutieren. Dies ist insbesondere eine Frage der Steuerpolitik», sagte der Diakoniedezernent.
Schwierige Situation der Evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder
Als schwierig bezeichnete Schwarz auch die Situation der evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder. Auf Grund der finanziellen Situation der Kommunen würde der beschlossene Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz aus Kostengründen teilweise wieder in Frage gestellt. Zudem beklagten die Kommunen fehlende originäre Finanzmittel des Landes und die Nutzung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) für die Betriebskosten. «Es muss immer wieder darauf hingewiesen und in politische Gespräche eingebracht werden, dass das Land Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern nur einen geringen Anteil an den Betriebskosten übernimmt, mit der Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplanes (BEP) und vielen anderen Projekten jedoch erhebliche Anforderungen an die Kita-Arbeit stellt (z. B. KISS Sprachstandsfeststellungen, Quint-Qualität im Bereich der Behindertenarbeit in Kitas, Kita- und Tagespflegeprojekte). Wir als Kirche sind ein verlässlicher Partner für Kommunen», so Schwarz.
Am flächendeckenden Netz von Evangelischen Kindergärten festhalten - Land Hessen soll angemessenes Kinderförderungsgesetz schaffen
«Es soll an einem flächendeckenden Netz von evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder im Gebiet unserer Landeskirche festgehalten werden. Darum werde die Kirche auch weiterhin einen nicht unerheblichen Eigenbeitrag leisten, der derzeit bei ca. 3,7 Millionen Euro liegt. Wir fordern das Land Hessen auf, ein Kinderförderungsgesetz zu schaffen, das alle Einzelfördermaßnahmen bündelt und mit dem die Landesförderung deutlich verbessert wird», sagte Schwarz abschließend.
Hintergrund: Evangelische Tageseinrichtungen für Kinder
Im Bereich der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck gibt es 221 Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft der Kirchengemeinden, evangelischen Stiftungen und evangelischen Vereinen, in denen ca. 14.000 Kinder erzogen, gebildet und betreut werden. Die Fachberatung für die Tageseinrichtungen ist im Diakonischen Werk in Kurhessen-Waldeck verortet. Zu ihr gehört die einrichtungsspezifische Beratung in pädagogischen, rechtlichen, organisatorischen und strukturellen Fragen. Ebenso gehört zur Fachberatungsaufgabe die Organisationsentwicklung (Teamentwicklung, Dienstplangestaltung, Konzeptionsentwicklung) sowie Hilfestellung bei Problemen, Konflikten bis hin zu Kriseninterventionen.
Diakoniedezernat
Dr. Eberhard Schwarz (63) ist Landespfarrer für Diakonie und somit Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes in Kurhessen-Waldeck e.V., und zugleich Diakoniedezernent der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Ihm sind folgende Aufgabenbereiche zugeordnet: Psychologische Beratung; Schwangerschaftskonfliktberatung; Sozialpädagogische Familienberatung; Müttergenesung; Suchtberatung; Kreisdiakoniepfarrer und Kreisdiakoniepfarrerinnen; Bahnhofsmission; Arbeitsgemeinschaft Hospiz; Arbeitsstelle Migration; Zentrum für Freiwilligen-, Friedens- und Zivildienst (ZFFZ); Ambulante pflegerische Dienste; Kindertagesstätten; Regionale Diakonische Werke. (23.11.2010)
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Landesdiakoniepfarrer Dr. Eberhard Schwarz stellte sich den Fragen von medio-Redaktionsleiter Pfarrer Christian Fischer:
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Lesen Sie hier den Bericht von Dr. Eberhard Schwarz im Wortlaut:
Fünf Projekte der Aktion «Diakonische Gemeinde» bewilligt

Im Rahmen der Landessynode erhielten die nächsten fünf Projekte ihre Fördergelder. (Foto: medio.tv/Simmen)
Hofgeismar (medio). Am Rande der Herbsttagung der Landessynode startete das Diakonische Werk Kurhessen-Waldeck e.V. fünf weitere Projekte der Aktion «Diakonische Gemeinde – Armut bekämpfen und gesellschaftliche Teilhabe fördern». Bischof Prof. Dr. Martin Hein überreichte gemeinsam mit dem Landespfarrer für Diakonie, Oberlandeskirchenrat Dr. Eberhard Schwarz, die Auszeichnung an Kirchenkreise, die sich mit dem Thema «Armut» auseinandersetzen.
Die Landessynode der EKKW hatte am 25. November 2008 anlässlich ihrer Herbsttagung in Hofgeismar eine Stellungnahme zur gestiegenen Armut in Deutschland abgegeben. Der Rat der Landeskirche wurde seinerzeit von der Landessynode beauftragt, Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Kirchengemeinden unterstützen, um Initiativen zur Armutsbekämpfung und Konzeptionen zur nachhaltigen Integration sozial benachteiligter Menschen zu entwickeln bzw. fortzuführen. Die Summe von 1 Million Euro über einen Zeitraum von vier Jahren wurde bereitgestellt, um in Kirchengemeinden entsprechende Projekte zu fördern.
Gleichzeitig mit den Bewilligungen starteten in den Kirchenkreisen auch die folgenden fünf Projekte:
Lutherkirche Fulda als Insel der Begegnung und Befähigung
Ziel des Projektes «Die Lutherkirche Fulda als Insel der Begegnung und Befähigung» ist die Gestaltung der Lutherkirche und ihres Umfeldes zu einem Ort, an dem Eltern mit Kindern im Kleinkind- und Grundschulalter befähigt werden, die Pflege-, Erziehungs- und Bildungsaufgaben für ihre Kinder in eigener Verantwortung wahrzunehmen.
«Familiengarten» - ein Kooperationsprojekt der Evangelischen Kirchengemeinde Kassel-Waldau und des Diakonischen Werks Kassel
Ein Gemeinschaftsgarten für Familien mit und ohne Migrationshintergrund entsteht in Kassel-Waldau. Möglichkeiten der Eigenversorgung durch den eigenen Anbau von Nahrungsmitteln, der Vermittlung von hauswirtschaftlichen und handwerklichen Fertigkeiten und Kenntnissen, werden geschaffen. Der Aufbau von sozialen Beziehungen wird gefördert.
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der Stadtkirchengemeinde Korbach
Ziel des Projektes ist die Bekämpfung der Armut von Menschen mit Migrationshintergrund in Korbach durch die Förderung ihrer gesellschaftlichen Teilhabe mittels Sprachförderung, Förderung von Kontakten, Einbindung in Gruppen und Aktionen, Vernetzung mit Angeboten der offenen Jugendarbeit und Beratungsangeboten der verschiedenen Beratungsstellen des Diakonischen Werkes Waldeck-Frankenberg.
Stadtladen der Ev. Kirchengemeinde Marienkirche Gelnhausen
Der Stadtladen - zentral gelegen und frei von sozialen Barrieren - ist konzipiert als ein Ort der Kommunikation, des Kontaktes, der Beratung und der helfenden Begleitung für alle, die dies benötigen. Gebraucht wird ein Ort, der Mut macht und befähigt, für das eigene Leben zu sorgen - durch die Solidarität und die kompetente Begleitung und Unterstützung von Bürgern der Stadt.
Familienhilfe in Rauschenberg
Das auf drei Jahre angelegte Projekt richtet sich an sozial schwache Familien, die an der Armutsgrenze leben. Davon gibt es in Rauschenberg-Kernstadt und Umgebung mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Da die Stadt über eine große evangelische Kindertagesstätte verfügt, ist eine enge Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen sinnvoll, denn diese sind in der Regel die ersten, die Einblick in häusliche Schwierigkeiten erhalten. Die KiTa-Mitarbeiterinnen sind aber aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, den notwendigen, längerfristigen Besuchsdienst zu leisten. Deshalb erscheint es zweckmäßig, eine Fachkraft damit zu beauftragen, die Familien aufzusuchen und den Beratungsbedarf zu ermitteln.
Armut auch in Kirchengemeinden
Die Zahl von Menschen in Deutschland, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind, nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Die sozialidyllische Vorstellung, Armut und soziale Benachteiligung spiele in ländlichen Regionen, wie beispielswese in Kurhessen-Waldeck, keine Rolle, entspricht nicht der Realität. Sozial benachteiligte Menschen leben zwar in unseren Kirchengemeinden zwischen Bad Karlshafen und Bergen-Enkheim, zwischen Korbach und Tann in der Rhön, sind dort aber oft im täglichen Gemeindeleben nicht sichtbar. Die fehlende Teilhabe von ärmeren Menschen am sozialen, politischen und kulturellen Leben setzt sich somit in den Kirchen vor Ort fort. Armut heißt nicht nur materielle Armut, sondern bedeutet darüber hinaus das Abgeschnitten sein von vielen Lebensbezügen. Die Aktion «Diakonische Gemeinde – Armut bekämpfen» zeigt, dass die Landeskirche sich dem Problem stellt, die Not der Menschen ernst nimmt und aktiv eine Unterstützung anbietet. Dabei geht es nicht nur darum, ihre wirtschaftlichen Lebenslagen zu verbessern, sondern sie konkret anzusprechen, ihre Kompetenzen wahrzunehmen und sie bei der Planung und Umsetzung der Projektideen von Anfang an zu beteiligen. (24.11.2010)