Gottesdienst unter freiem Himmel: Nicht nur die Orte in der freien Natur liegen im Trend. Auch bei den Formen ist viel in Bewegung. (Fotos: privat)

Gottesdienst unter freiem Himmel: Nicht nur die Orte in der freien Natur liegen im Trend. Auch bei den Formen ist viel in Bewegung. (Fotos: privat)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 11 Jul 2022

Palmen, Cocktails und ein Mann im Pool, der von Gott spricht. Ein Anhänger, in den eine komplette Kirche passt und von Ort zu Ort gezogen werden kann. Ein Platz, der schon die halbe Predigt ist: Die Vielfalt von Gottesdiensten in Kurhessen-Waldeck hat stark zugenommen und der Trend geht ins Freie - sogar bei den Taufen. Unsere Redakteure haben sich zum Thema in den Kirchenkreisen der Landeskirche umgehört. Olaf Dellit wurde in Schauenburg-Hoof, Großseelheim und Issigheim fündig. Christian Küster hat besondere Freiluftgottesdienste bei den jüngsten Tauffesten in Schmalkalden, Rotenburg und Bischofsheim in den Sozialen Medien aufgelesen. 

Einige Kilometer südlich von Kassel zieht sich eine Hügelkette durch die Landschaft. «Die Langenberge trennen uns», sagt Pfarrer Bodo Heinemann (Schauenburg-Hoof) über die benachbarten Dörfer. Ein guter Grund, etwas gemeinsam zu unternehmen, in diesem Fall eine Gottesdienstreihe unter dem Titel «Kirche im Grünen». Die Naturparkverwaltung Habichtswald hatte Verbände, Initiativen und eben die Kirche gefragt, ob sie Veranstaltungen organisieren wollten. So gab es 2021 erstmals die Gottesdienstreihe an besonderen Orten rund um die Langenberge, neun Gemeinden aus drei Kirchenkreisen machen mit. Einen besonders schönen Ort machte Heinemann in der Burgruine Falkenstein bei Elmshagen aus. «Das urige Gebäude ist schon die halbe Predigt», sagt er.

Pfarrerin Evelyn Koch aus Großseelheim (Kirchenkreis Kirchhain) kann ihre Kirche einfach mitnehmen. Entstanden ist die «Mobile Kirche» als Idee für einen Innovationsfonds. Sie besteht aus einem Anhänger, in dem säuberlich sortiert alles lagert, was für einen Gottesdienst im Freien gebraucht wird: Tische, Stühle, Bänke, Sonnenschirme, eine Soundanlage, ein mobiler Altar, Kerzen, ein Antependium (Altarbehang) und eine Taufschale gehören dazu – «das komplette Programm», sagt die Pfarrerin. Natürlich brauche es helfende Hände für den Aufbau, erzählt Koch, «das geht aber flugs». Ob Hochzeiten im Freien, ein Tauffest am Fluss oder ein Gottesdienst auf dem Sportplatz – all das ist unkompliziert möglich. Die Kirche im Anhänger wird auch verliehen, wenn etwa ein Altenheim, das Hospiz oder eine andere Gemeinde Bedarf haben.

Über 100 Taufen unter freiem Himmel

Am vergangenen Sonntag (10.7.) gab es besondere Tauffeste unter freiem Himmel: Im Schlosspark in Rotenburg an der Fulda wurde gleich 45 Mal getauft. Eingeladen hatten die Kirchengemeinden des Kooperationsraum Rotenburg-Alheim Beim sommerlichen Fest «einfach himmlisch!» im  Viba-Park in Schmalkalden gab es 18 Taufen und eine Segnung und ganz im Süden der Landeskirche beim Tauffest des Kooperationsraums Bischofsheim auf dem Marktplatz in Bischofsheim waren es 15 Taufen. Außerdem wurde im Kurpark Bad Hersfeld getauft - dort waren es 31.

Wenn man Pfarrer Dr. Burkhard von Dörnberg aus Issigheim (Kirchenkreis Hanau) nach Open-Air-Gottesdiensten fragt, sprudelt er fast über vor Ideen, die in seiner Gemeinde schon ausprobiert wurden. Der Hawaii-Gottesdienst, den es seit einigen Jahren gibt, sei ausweislich einer Google-Suche sogar der einzige seiner Art in Europa, erzählt von Dörnberg. In einer Gärtnerei stehen dann Palmen und eine Cocktail-Bar. Die Predigt kann, so wie einmal von Jugendarbeiter Martin Ohl-Norris, auch aus dem Wasser kommen.  Ein Tiersegnungs-Gottesdienst, bei dem ein Hund mit auf der Bühne steht und ein Spielplatzgottesdienst mit Volleyball während der Predigt stehen auf dem Gottesdienstplan; ebenso wie die Begleitung vieler dörflicher Feste, vom Feuerwehrjubiläum bis zum Maifeiertag. Aber auch im Winter geht das – seit Jahren wird eine Hirtenweihnacht im Freien und mit Lagerfeuer gefeiert – einstmals auch mit Schafen, bis der nahe Bauernhof deren Haltung einstellte. 

Nicht im Freien, aber an einem ganz besonderen Ort wurde der Gottesdienst zum Feuerwehrfest gefeiert: in einem Circuszelt. Passend hatte von Dörnberg einen Akrobaten gefunden, der während der Predigt jonglierte und damit den Predigttext illustrierte, in dem Gott verspricht, die Menschen nicht fallen zu lassen. Vieles davon hat die Gemeinde schon vor Corona auf die Beine gestellt, erzählt der Pfarrer, aber in der Pandemie sei vielerorts mehr gewagt worden: «Ich glaube, viele Gemeinden entdecken das jetzt.» Das passt auch in die Konzeption der Landeskirche, die mit der Initiative «Spielraum Gottesdienst» neue und kreative Gottesdienst-Formen fördert. 

Gerade die freie Natur bot in der Pandemie Freiheit, berichtet Pfarrerin Evelyn Koch. Wer in einem (Kirchen-)Gebäude Angst vor einer Ansteckung hatte, kam gerne zum Freiluft-Gottesdienst. «Die Menschen singen befreiter auf», hat sie beobachtet. Generell sei die Situation an der frischen Luft lockerer – da komme auch schon mal ein Spaziergänger mit Hund und andere Menschen, die eher nicht in die Kirche gingen. 

Auch Pfarrer Heinemann spricht vom «Durchatmen», wenn er von Freiluft-Gottesdiensten während der Pandemie erzählt. Tatsächlich seien dann und wann auch mal neue Gesichter zu sehen gewesen, aber man erreiche doch vor allem die, die der Kirche näherstehen. Der Pfarrer findet, dass neue Wege im Freien gut ausprobiert werden können. «Mach dich mal innerlich ein wenig locker», könne das Motto sein. Vielleicht mal Gospel statt «Geh aus, mein Herz», mehr spielerische Elemente und mehr Bewegung. Wichtig seien aber auch Momente der Stille – gerade im Freien, wenn man dem Vogelgezwitscher und den vielfältigen Klängen der Natur lausche. Diesen besonderen spirituellen Erfahrungen könne Raum gegeben werden. «Dem Wunder der Natur nachspüren», nennt der Pfarrer das.

«Es muss etwas passieren», ist für Pfarrer Dr. Burkhard von Dörnberg aus Issigheim für besondere Gottesdienste klar. So gebe es oft keine klassische Predigt, sondern einen Dialog mit theatralischen Elementen. Viele klassische Zutaten, etwa die Psalm-Lesung, blieben aber auch bestehen. Wichtig sei, die thematische Bindung an den jeweiligen Ort durchzuhalten. Dabei gelte: «Der Gottesdienst wird insgesamt als ein Kunstwerk gedacht.» Und dann kann es passieren, dass die Predigt aus einem Pool unter Palmen kommt. (11.07.2022)

Internetradio:

Taufen unter freiem Himmel sind gerade sehr angesagt. Zum Beispiel an einem Fluss, einem Brunnen oder am Bärensee bei Hanau. Hier lassen sich am 23. Juli 2022 rund 15 Kinder und Jugendliche taufen. Radio-Reporter Siegfried Krückeberg hat Aurelia und Joleen gefragt, worauf sie sich am meisten freuen:

Spielraum Gottesdienst:

In der Landeskirche sind zurzeit alle dazu eingeladen, die gottesdienstliche Landschaft in unseren Orten und Regionen weiterzuentwickeln, Bewährtes zu stärken oder anderes zu lassen. Was es dabei zu beachten gilt, finden Sie im ekkw.de-Servicebereich:

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