Bischöfin Dr. Beate Hofmann während ihres Berichts vor der Synode. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Bischöfin Dr. Beate Hofmann während ihres Berichts vor der Synode. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 08 Nov 2022

Hofgeismar. Wie ist es um die Zukunft der kirchlichen Gebäude bestellt? Dieser Frage ging die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Dr. Beate Hofmann, in ihrem am Montag (21. November) der Synode vorgelegten Bericht nach. «Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause (1. Petr. 2,5): Kirchliche Gebäude zwischen Schatz, Belastung und Freiraum» ist der im Anschluss anregend diskutierte Bericht überschrieben. Darin machte die Bischöfin deutlich, dass der christliche Glaube nicht an den Steinen hänge, sie aber im Sinne des kirchlichen Auftrags gebrauchen sollte. Sie unterstrich die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der kirchlichen Gebäude und lenkte den Blick auf diakonische und ökologische Kriterien. 

Zur Landeskirche gehören rund 3.200 Gebäude

Dem reinen Wortsinn nach stellte die Bischöfin fest: «Wir sind eine steinreiche Kirche.» Die EKKW besitze etwa 3200 Gebäude, darunter 1100 Kirchen, 560 Pfarrhäuser, genauso viele Gemeindehäuser, über 100 Kita-Gebäude, Wohnungen, Verwaltungsgebäude und Tagungshäuser. Fast die Hälfte aller Gebäude stehe unter Denkmalschutz, bei den Kirchen sind es 87 Prozent. Diese «uns anvertrauten Pfunde» seien Fundament und Ermöglichungsraum, kulturelles Erbe und manchmal Schatzkästchen. Aber: Sind sie – vor allem, was die Klimabilanz betrifft – «Mühlsteine um unseren Hals» oder «ungeschliffene Edelsteine, die Ausstrahlungsort unserer Kirche werden könnten?», fragte die Bischöfin. Das Gros der Gebäude gehöre den Kirchengemeinden. Wichtig sei daher, sich auf gemeinsame Ziele zu verständigen; eben dies wolle der im Frühjahr angestoßene Gebäudestrategieprozess erreichen.

Bischöfin Dr. Beate Hofmann im Interview mit Pfarrer Siegfried Krückeberg, Leitender Redakteur Radio des Medienhauses der EKKW.

Blick auf gesellschaftliche und sozialräumliche Funktion der Gebäude richten

Entscheidend sei, den Blick nicht nur auf die Nutzung der Gebäude durch die Kirchengemeinde, sondern auch auf die gesellschaftliche und die sozialräumliche Funktion der Gebäude zu lenken. «Die Kirche gehört zum Dorf», sagte die Bischöfin. Viel Herz hänge in und an diesen Gebäuden, persönliche Geschichten und Glaubenserfahrungen. «Das macht es so schwer, sich von ihnen zu trennen oder über andere Nutzungen nachzudenken.» Die kirchlichen Gebäude seien nicht nur Zuhause der Gemeinde, sondern überdies auch öffentliche Räume für Begegnung, für Kunst, Kultur, Soziales und mitunter auch Politisches.

Aus biblisch-theologischer Sicht stellte die Bischöfin fest: «Unser Glaube kommt aus dem Stall, aus dem Zelt, aus dem Untergrund. Dieser Glaube geht nicht unter, wenn er sich von Gebäuden trennt.» Er verliere Beheimatung, räumte sie ein: «Orte, an denen Menschen geistlich zuhause waren, Anker der Sehnsucht, Gebäude, die als Segensräume und Hoffnungsräume erlebt wurden.» Aktuelle, auch durch die Pandemie hervorgebrachte Entwicklungen wie Taufen am See oder digitale Andachten eröffneten aber Freiräume. «Unser Glaube hängt nicht an den Steinen, auch wenn sie wichtig sind und religiöse Präsenz signalisieren. Gott wohnt nicht in den heiligen Häusern, sondern überall», so die Bischöfin. Diese Erkenntnis schenke die Freiheit, genauer hinzuschauen und auszuloten, welche Gebäude gebraucht werden – verknüpft mit der Frage: «Was für eine Kirche wollen wir künftig sein?»

Beispiele für Kirchen, die umgenutzt wurden

Auch auf Erfahrungen mit innovativen kirchlichen Projekten, die den sozialen Zusammenhalt beförderten, ging die Bischöfin ein. Beispiele für Umnutzungen von Kirchen im Gebiet der EKKW seien die Neue Brüderkirche in Kassel – sie ist zugleich Gottesdienstraum, Kleiderkammer, Ort für Lebensmittelausgabe und auch Zuhause für eine internationale Gemeinde geworden – sowie die Emmauskirche in Marburg. Letztere wurde an den St. Elisabeth-Verein abgegeben und wird als Raum für geistliche Angebote, für Beratung und Gespräche, aber auch noch für Gottesdienste genutzt. Auch an die 2013 entwidmete Herrenwaldkirche in Stadtallendorf, die infolge für sozialräumlich orientierte Kinder-, Jugend- und Familienarbeit genutzt wurde, erinnerte die Bischöfin. Sie soll künftig auch religionspädagogisch als Spielraum dienen. Zudem seien manche Kirchen «gerade als sakrale Räume Zufluchtsorte für Menschen», erläuterte sie und verwies auf die steigende Zahl der Kirchenasyle. 

Diakonische Nutzungsmöglichkeiten und ökologische Kriterien mitdenken

Vor dem Hintergrund der Synodenbeschlüsse von 2015, in deren Rahmen alle Kirchen der EKKW kategorisiert wurden, gelte es weiterzudenken, denn: «Es fehlt die explizite Wahrnehmung diakonischer und sozialräumlicher Nutzung von Gebäuden und es fehlen ökologische Gesichtspunkte», sagte die Bischöfin. Die Energiekrise führe mancherorts bereits dazu, kirchliche Räume stärker in ihrer Funktion für das Gemeinwohl wahrzunehmen und «Wärmeinseln» anzubieten. Künftig sollten daher auch folgende Fragen leitend sein: Hat die Kirche / das Gemeindehaus eine hohe Bedeutung für das Gemeinwesen? Welche anderen Gruppen könnten das Gebäude nutzen? Welche anderen Räume könnte die Gemeinde nutzen? Zu klären sei, ob bei der Umnutzung von Gebäuden diakonische Ideen gar den Vorrang haben könnten.  Gleiches gelte für ökologische Kriterien. Die aktuellen Klimaberichte zeigten, dass die Zeit zum Handeln schwinde. Künftig sollte bei jedem Bauantrag geprüft werden, ob Photovoltaikanlagen oder andere Formen der Energiegewinnung zu installieren sind, schlug die Bischöfin vor.

Verzicht auf eine Immobilie könne neue Freiheiten schenken

Bei allen Überlegungen gelte es zu bedenken: «Das geistliche Haus lebt von Menschen und Beziehungen, von Netzwerken und Begegnungen.» Konkrete Räume könnten unterstützen. Aber der Glaube, die Kommunikation des Evangeliums und das Kirche-Sein hingen nicht an den Gebäuden, resümierte die Bischöfin. «Manchmal mobilisiert der Verzicht auf eine Immobilie und schenkt neue Freiheiten, Gott an anderen Orten zu entdecken und Menschen anders zu begegnen, im Stall, im Wald, in der Suppenküche, in der Klinik oder dem Pflegeheim. Auf diesen Weg lädt uns unser Gott immer wieder ein, im Versprechen: Gott geht mit, auch da, wo wir aus Vertrautem ausziehen und neue Räume erkunden.» (21.11.2022, Pressestelle)

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier den Bericht der Bischöfin im Wortlaut:

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