Bischöfin Dr. Beate Hofmann im Telefonraum der TelefonSeelsorge Nordhessen. Die Szene ist nachgestellt, denn die Telefonate sind vertraulich. (Foto: medio.tv/Kopec)

Bischöfin Dr. Beate Hofmann im Telefonraum der TelefonSeelsorge Nordhessen. Die Szene ist nachgestellt, denn die Telefonate sind vertraulich. (Foto: medio.tv/Kopec)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 19 Aug 2022

Kassel (medio). Wer am 17.8. bei TelefonSeelsorge Nordhessen e.V. anrief, konnte die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Dr. Beate Hofmann, als Seelsorgerin am Telefon vorfinden. Wie alle anderen Seelsorgende am Telefon, meldete sie sich anonym mit den Worten: «Hier ist die Telefonseelsorge. Sie haben hier angerufen. Was haben Sie auf dem Herzen?», denn bei der Telefonseelsorge bleiben der Anrufende und der Seelsorgende anonym.

Unter dem Motto «Leitung an der Leitung» besuchte die Bischöfin die TelefonSeelsorge Nordhessen. Sie saß selbst am Apparat, um den Anrufenden zuzuhören und mit ihnen über das zu sprechen, was sie bewegt und belastet. Als Bischöfin und Pfarrerin ist Hofmann die Erfahrung nicht neu. Schon als Vikarin war sie in einem sozialen Brennpunkt tätig. Dort hat sie von Gewaltszenen bis hin zur abgrundtiefen Verzweiflung schon viel erlebt. Die Seelsorge am Telefon sei dennoch etwas anders, denn man wisse von seinem Gegenüber nichts. Es sei schon eine Herausforderung, sofort auf den anderen Menschen einzugehen, so die Bischöfin. «Ein Seelsorgegespräch am Telefon ist jedoch auch intensiver, weil ich den anderen Menschen nur höre und mich ganz allein auf diesen und seine Probleme konzentrieren kann. Es gibt nichts, das ablenkt.»

Die Seelsorgegespräche am Telefon finden in einem kleinen, gemütlich, aber schlicht eingerichteten Büro statt. Auch dort gibt es nichts, das ablenkt. In ihrer einstündigen Telefondienstzeit sprach Hofmann mit drei Anrufenden. Alle drei hätten sich schon mehrfach bei der Telefonseelsorge gemeldet, berichtete Salome Möhrer-Nolte, die Geschäftsführerin der TelefonSeelsorge Nordhessen e.V.. Zweidrittel der Anrufenden wählen nicht zum ersten Mal die Nummer der Telefonseelsorge . Hofmann stellte sich in ihren Gesprächen auf unterschiedliche Probleme ein. Einsamkeit und Depressionen plagten eine Person, die sich einfach nur ein offenes Ohr wünschte. Eine andere Person war schmerzgeplagt und hatte dadurch Selbstmordgedanken. Im Gespräch wurde jedoch deutlich, dass die Person dennoch am Leben hänge.

Viele der Anrufenden bekämen bereits professionelle Hilfe wie eine Therapie. Zwischen den Terminen gäbe es aber immer wieder Momente, in denen sie Hilfe benötigten, erklärt Möhrer-Nolte. «Nicht immer kann und muss der Seelsorgende einen klugen Tipp geben. Manchmal hilft es auch, den Schmerz und das Leid gemeinsam mit dem Anrufenden auszuhalten», berichtet Hofmann von ihren Erfahrungen. «Auch gemeinsam zu schweigen, kann helfen.» «Manchen Menschen hilft es auch, gemeinsam ein Gebet zu sprechen oder einen Psalm vorgelesen zu bekommen», ergänzt Möhrer-Nolte. Die ehrenamtlichen Telefonseelsorgenden gehen individuell auf die Bedürfnisse ein. Die Telefonseelsorge ist in ihrem Menschenbild und ihrer Arbeitsweise den christlichen Kirchen verbunden, sie ist jedoch für jeden unabhängig von Geschlecht, Alter, Weltanschauung oder Konfession da.

«Für mich war es unheimlich lehrreich, zu erleben, dass die Menschen, die anrufen, die Sicherheit haben: Es gibt einen Ort, bei dem ich anrufen kann. Ein Netz, dass mich auffängt», erklärt Beate Hofmann abschließend. Es habe sie jedoch auch betroffen gemacht, in welchen Nöten und Sorgen Menschen sind, die bei der Telefonseelsorge anrufen.

Hintergrund: TelefonSeelsorge Nordhessen

Die TelefonSeelsorge Nordhessen, gegründet 1957, gehört zu den ältesten Einrichtungen dieser Art in Deutschland. 72 ehrenamtliche Telefonseelsorgerinnen und -seelsorger sind es aktuell. Sieben davon arbeiten zusätzlich in der Mailseelsorge mit, 18 in der Chatseelsorge. Die ehrenamtlich Seelsorgenden bekommen alle eine einjährige Ausbildung nach bundesweiten Standards, für die Mailseelsorge braucht es eine Weiterbildung. Aber auch um das Wohl der Seelsorgenden wird sich gekümmert. Sie erhalten einmal monatlich eine Supervision und regelmäßige Fortbildungen.

8.436 Seelsorgegespräche, davon 26 Prozent mit Männern und 73 Prozent mit Frauen, führten die Ehrenamtlichen in Nordhessen 2021. 796 Mails von Ratsuchenden wurden in Nordhessen beantwortet, 545 Chats geführt. Die meisten Anrufenden (19 Prozent) leiden unter Einsamkeit, gefolgt von Beziehungsproblemen (16 Prozent), Depressionen (14 Prozent) und Suizid (5 Prozent). Per Mail und Chat sprechen 30 Prozent von Suizid. (19.08.2022)

Salome Möhrer-Nolte, die Geschäftsführerin der TelefonSeelsorge Nordhessen e.V.,  zusammen mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann. (Foto: medio.tv/Kopec)

Salome Möhrer-Nolte, die Geschäftsführerin der TelefonSeelsorge Nordhessen e.V., zusammen mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann. (Foto: medio.tv/Kopec)

Die TelefonSeelsorge Nordhessen ist telefonisch unter 0800-111 0 111 und unter 0800-111 0 222 anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Weitere Informationen im Internet gibt es unter www.telefonseelsorge-nordhessen.de.

Internetradio:

Sie machen einen so wertvollen Job: die Ehrenamtlichen bei der Telefonseelsorge. Bischöfin Beate Hofmann hat am Sorgentelefon mitgearbeitet. Radio-Reporter Torsten Scheuermann hat mit ihr gesprochen.