Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 18 Dez 2009

Erfurt (medio). Die Evangelische Kirche ist der Gesellschaft Gedächtnis, Dienst und Orientierung schuldig. Dies hat der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, unterstrichen. Auf dem Adventsempfang der evangelischen Kirchen in Thüringen sagte Hein am  Mittwoch (16.12.) im Augustinerkloster in Erfurt, die Kirche leistete diesen Beitrag nicht nach Belieben; sie sei ihn der Gesellschaft schuldig. «Suchet der Stadt Bestes!» Dieses Wort des Propheten Jeremia sei für die Kirchen bis heute bestimmend, teilte die Pressestelle der Landeskirche mit.

Warnung vor «billiger Versöhnung» – Versöhnungsarbeit darf Frage nach Opfern und Tätern nicht ausblenden

Mit Blick auf den Fall der Mauer und das Ende des DDR-Regimes warnte Hein vor «billiger Versöhnung» unter dem Vorzeichen «Schwamm drüber». Der Staat könne Versöhnung nicht dekretieren, wohl aber Bedingungen schaffen, um Versöhnung zu ermöglichen. «Wer Versöhnung will, blendet die Frage nach Opfern und Tätern nicht aus», betonte Hein.  Versöhnung könne nur dort geschehen, wo sich Opfer und Täter ohne Zwang begegnen und Täter zu dem stehen, was sie getan haben. Solche Versöhnungsarbeit dauere mehr als eine Generation. «Wenn sie ernsthaft sein will, braucht sie keine Tribunale, sondern geschützte Orte. Unsere Kirchen sind bereit, solche Orte anzubieten», erklärte Hein. Zugleich verwies er darauf, dass Erinnern nach 1945 oft viel zu spät stattgefunden habe. «Aus diesen Fehlern sollten wir lernen», forderte der Bischof. Hein erinnerte daran, dass der 9. November stets auch mit dem Gedenken an die Reichspogromnacht verbunden sei: «Erinnerung sucht nicht den Glanz, sondern gibt Orientierung – etwa gegen den drohenden neuen Rassismus. So wird sie zu einer zukunftsweisenden Chance!», so Bischof Hein.

Forderung nach Gleichbehandlung mit anderen Trägern der Wohlfahrtspflege

Hein bekräftigte die Bereitschaft der Kirchen zum Dienst an der Gesellschaft in Bildung und Diakonie. «Aus der Feier des Lebens und aus dem Glauben heraus folgt das gesellschaftliche Engagement der Kirchen.» Die Kirchen bejahten das Prinzip der Subsidiarität und engagierten sich deshalb in Kindertagesstätten, Schulen und Sozialstationen. Dafür erwarteten sie vom Staat Unterstützung und Gleichbehandlung mit anderen Trägern der freien Wohlfahrtspflege. Es gehe den Kirchen nicht dabei um Eigeninteresse, sondern um einen «ernsthaften und  unverzichtbaren Beitrag für das Gemeinwohl.»

Evangelische Kirche ist bereit, sich allgemeiner Wertediskussion zu stellen und sich einzumischen

Hein unterstrich die Bereitschaft der evangelischen Kirche, sich der allgemeinen Wertediskussion zu stellen und sich einzumischen. Diese Diskussion vollziehe sich in der Begegnung mit Menschen, die aus dem christlichen Glauben heraus leben oder ihn auch nicht teilen. «Dem weltanschaulich neutralen Staat kann es nicht gleichgültig sein, ob unsere Gesellschaft orientierungslos ihrer Zukunft entgegengeht oder nicht.» Hein nannte als Beispiel die Themen Familienförderung, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Sonn- und Feiertage. «Es kann doch nicht sein, dass Arbeit und Konsum rund um die Uhr unser Leben bestimmen!» betonte Hein. Das Bundesverfassungsgericht habe hier mit seinem Urteil zur Ladenöffnung an Adventssonntagen vergleichsweise klare Worte gefunden. (17.12.2009)

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Ansprache von Bischof Prof. Dr. Martin Hein «Gedächtnis – Dienst – Orientierung: Was die Evangelische Kirche der Gesellschaft schuldig ist.» im Wortlaut:

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