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Sexualisierte Gewalt

Aufarbeitung

Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist ein umfassender Prozess, der darauf abzielt, vergangenes Unrecht aufzudecken und daraus für die Zukunft zu lernen. Neben der individuellen Aufarbeitung, in der es im Wesentlichen um die Verarbeitung und Bewältigung des Erlebten geht, stehen die institutionelle- und gesellschaftliche Aufarbeitung. Hier steht zunächst die Anerkennung des Leids der Betroffenen im Zentrum. 

Der Prozess zur Anerkennung des Leids der Betroffenen liegt im Wesentlichen in den Händen der Unabhängigen Anerkennungskommission. Darüber hinaus geht es dann aber auch darum, die Mechanismen, die zu den zurückliegenden Fällen geführt haben zu analysieren, um daraus Vermeidungsstrategien für die Zukunft abzuleiten.

Deshalb spielt in allen Aufarbeitungsprozessen die Anhörung der Betroffenen eine zentrale Rolle. Zudem hat die Einschaltung externer Fachleute und unabhängiger Kommissionen in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Funktion, um blinde Flecken aufzudecken und Vertuschung zu verhindern.

Fachstelle der EKKW zum Umgang mit sexualisierter Gewalt

Auch die zentralen (Koordinierungs-)Aufgaben im Horizont der umfassenden Aufarbeitung von Vorfällen sexualisierter Gewalt und den dahinterstehenden strukturellen Ursachen liegen im Wesentlichen bei der Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt der EKKW

Diese sind nachfolgend im Überblick dargestellt:

Unabhängige Anerkennungskommission

Im Herbst 2019 wurde vom Rat der Landeskirche eine Unabhängige Anerkennungskommission berufen. Ihr gehören zurzeit 
ein ehemaliger Richter des Bundessozialgerichts, eine Traumatherapeutin und die frühere Geschäftsführung von pro familia in Kassel an. Aufgabe der Unabhängigen Anerkennungskommission ist es, durch Anhörung von Betroffenen und finanzielle Leistungen das Leid der Betroffenen anzuerkennen. Dies geschieht frei von kirchlichen oder anderen Weisungen und betroffenenorientiert. Die Geschäftsführung liegt bei der Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt der EKKW. Betroffene, die Anerkennungsleitungen erhalten wollen, können sich entweder direkt an die Fachstelle oder auch an die einzelnen Mitglieder der Unabhängigen Anerkennungskommission wenden.

Aufarbeitung von Altfällen

Immer wieder melden sich Menschen, die vor längerer Zeit im Kontext von Kirche, Diakonie oder Jugendverbänden sexualisierte Gewalt erlitten haben. Wenn das Geschehen bereits verjährt oder Beschuldigte schon verstorben sind, dann hört die Unabhängige Anerkennungskommission die Betroffenen an. Es müssen in diesem Zusammenhang keine Beweise vorliegen. Es geht dabei vor allem um die Klärung, ob die berichteten Sachverhalte an diesem Ort und zu dieser Zeit stattgefunden haben können (Prüfung der Plausibilität). Auf der Grundlage der Ergebnisse überlegt die Kommission zusammen mit den Betroffenen, was ihnen helfen könnte, das Geschehen weiter zu verarbeiten oder zumindest Abstand zum Geschehen zu bekommen.  Aufbauend auf diesen Überlegungen legt die Unabhängige Anerkennungskommission dann in der Regel eine Anerkennungszahlung fest, die die Landeskirche bezahlt. Darüber hinaus erwarten Betroffene manchmal auch ein Schuldeingeständnis der Landeskirche und/oder wünschen sich einen persönlichen Kontakt mit der Leitung der Landeskirche. Auch dies wird ggf. durch die Kommission veranlasst.

Wissenschaftliche Aufarbeitung

Im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland war die, Anfang des Jahres 2024 veröffentlichte, ForuM-Studie das erste große, organisationsbezogene Forschungsprojekt zum Thema sexualisierte Gewalt. Solche Forschungsprojekte sollen auch in Zukunft das erlittene Unrecht und dessen Folgen für die Betroffenen benennen, täterschützende Strukturen herausarbeiten und Aufdeckung verhindernde Mechanismen verdeutlichen, sowie Hinweise für präventive Maßnahmen geben.

Unabhängigen Regionale Aufarbeitungskommission

Um eine unabhängige Aufarbeitung zu gewährleisten ist die Beteiligung von Betroffenen, unabhängigen Wissenschaftler:innen und gesellschaftlichen Verantwortungsträger:innen unabdingbar. Deshalb werden zurzeit bundesweit Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen berufen, die wesentliche Aufarbeitungsprozesse initiieren und evaluieren sollen.

Organisationale Aufarbeitung

Wenn es in Ihrer Gemeinde oder Einrichtung einen Vorfall sexualisierter Gewalt (auch in Vorformen) gegeben hat, ist eine nachhaltige Aufarbeitung in allen betroffenen Gruppen und Gremien, dringend notwendig. In der Regel haben solche Vorfälle eine ganze Reihe von irritierenden Reaktionen zur Folge, die bis hin zu einer organisationalen Traumatisierung reichen können. Für die Aufdeckung und Benennung organisationalen Versagens sind Klarheit und oft auch kompromisslose Härte notwendig. Gerade deshalb ist es wichtig, im Anschluss daran auch nach Wegen für das Weiterleben zu suchen, die notwendigen präventiven Maßnahmen für die Zukunft einzuleiten sowie Räume und Orte für konstruktive Erinnerung an das Geschehen zu schaffen. Auch dabei kann externe Beratung wichtige Unterstützung leisten.

Erinnerungs- und Gedenkarbeit

Noch ganz am Anfang stehen zurzeit Überlegungen dazu, wie zukünftig in angemessener Weise des Leides der Betroffenen gedacht und die Erinnerung an schuldbehaftete Strukturen wachgehalten werden kann. Zur Sicherstellung ganzheitlicher und nachhaltiger Aufarbeitung gehört jedoch zwingend auch die Entwicklung einer entsprechenden Erinnerungskultur.