Sexualisierte Gewalt

Die ForuM-Studie

Am 25. Januar 2024 wurden die Ergebnisse der Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland in der ForuM-Studie veröffentlicht. Dem unabhängigen Forschungsverbund ForuM gehörten verschiedene Universitäten, Hochschulen und Institute an und es waren Forschende aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen (Soziale Arbeit, Geschichtswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie, forensische Psychiatrie, Sexualwissenschaft, Kriminologie) daran beteiligt.

Das Forschungsprojekt bestand aus fünf thematischen Teilprojekten und einem koordinierenden Metaprojekt, das die Arbeit der Teilprojekten und deren Ergebnisse zusammenführte. Die thematischen Schwerpunkte der Teilstudien waren:

  • (A) Der kirchliche und öffentliche Umgang mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche in der Vergangenheit
  • (B) Die bisherige Praxis der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche
  • (C) Die Perspektive Betroffener auf die eigenen Erfahrungen
  • (D) Die Perspektive Betroffener auf Tatpersonen und Strukturen in der evangelischen Kirche
  • (E) Kennzahlen zur Häufigkeit sexuellen Missbrauchs und der institutionelle Umgang damit

Umfassende Informationen zum ganzen Forschungsprojekt, die Dokumentation aller Ergebnisse in Kurz- und Langfassung sowie Hinweise auf weitere Veröffentlichungen finden sich auf der Internetseite des Projektes: www.forum-studie.de

Die Fragen und Antworten zur Aktenrecherche für die ForuM-Studie

Nach der Veröffentlichung der unabhängigen ForuM-Studie gab es Diskussionen um die Datengrundlage aus den Akten der Landeskirchen. Forschende bemängelten, dass nicht alle Personalakten ausgewertet worden seien. Fragen und Antworten dazu, wie die Recherchen in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck abliefen, finden Sie hier:

Werden die fehlenden Akten noch überprüft?

„Wir haben ein großes Aufarbeitungsinteresse! Wir versuchen, die weitere Aktenrecherche so vorzubereiten, dass die künftige unabhängige regionale Aufarbeitungskommission gut damit arbeiten kann. Die EKKW beschäftigt derzeit rund 9.600 Menschen. Rund 600 Akten werden im Landeskirchenamt aufbewahrt, der weitüberwiegende Teil befindet sich in den 12 Kirchenkreisen“, so Prälat Burkhard zur Nieden. Er schätzt, dass annähernd 80.000 Personalakten insgesamt an rund 400 verschiedenen Standorten (inklusive Pfarrämter) der Landeskirche lagern. „Bei all dem gilt es zu bedenken: Auch die weitere Aktenrecherche bildet nur das Hellfeld ab. Wir müssen auch in anderen Bereichen nachschärfen und Betroffene so ansprechen, dass sie wissen, dass sie gehört werden und sich ermutigt fühlen, über das Geschehene zu sprechen“, so zur Nieden.

Was kam insgesamt ans Licht?

Durch die Recherche kamen mehr Fälle ans Licht als für die ForuM-Studie maßgeblich waren, unter anderem solche mit erwachsenen Betroffenen. „Aufgrund der, in der Aktenreche ermittelten sowie der laufenden und geschätzten Fälle gehen wir nach jetzigem Kenntnisstand von 40 bis 50 Tatpersonen aus. Hochgerechnet auf 800 Kirchengemeinden und Einrichtungen der Landeskirche hat es somit in jeder 20. Gemeinde bzw. Einrichtung unserer Landeskirche mindestens eine beschuldigte Person und eine oft unbekannte Anzahl von Betroffenen gegeben“, so Prälat zur Nieden.

Was wurde außerdem überprüft?

Über den Untersuchungsauftrag hinaus wurden alle 820 Personalakten von aktiven Pfarrerinnen und Pfarrern sowie – unterstützt von den sieben pensionierten Polizeibeamtinnen und -beamten – die rund 550 Akten von noch lebenden Pfarrpersonen im Ruhestand auf Auffälligkeiten überprüft. 

Und was wurde dabei gefunden?

Angefordert waren sowohl Verdachtsfälle als auch bestätigte Fälle, die sexualisierte Gewalt gegenüber Minderjährigen betrafen. Wir haben 34 Fragebögen zu beschuldigten Personen bzw. Tätern gemeldet, darunter sind 22 Pfarrpersonen. Hinzu kamen 76 Fragebögen zu betroffenen Personen, wobei diese Zahl nicht der tatsächlichen Anzahl der Betroffenen entspricht. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. 

Wie viele Personen haben die Akten durchgeschaut?

Fünf Mitarbeitende aus dem Landeskirchenamt waren damit beschäftigt. Sie wurden unterstützt von sieben pensionierten Polizeibeamt:innen, die von der EKKW als außenstehende und unabhängige Experten eingesetzt wurden.

Wie lief die Aktenrecherche konkret ab?

Untersucht wurden alle Disziplinarakten und alle sonstigen einschlägigen Unterlagen von Pfarrpersonen, die zwischen dem 01.01.1946 bis zum 31.12.2020 zu irgendeinem Zeitpunkt in der Landeskirche beschäftigt waren oder Versorgungsbezüge erhielten. Wenn sich aus der jeweiligen Disziplinarakte oder aus den sonstigen einschlägigen Unterlagen (Protokolle der Propstkonferenzen, diverse Handakten, Akten der Unabhängigen Unterstützungskommission (UUK) bzw. Unabhängigen Anerkennungskommission (UAK), Kirchengerichtsakten, etc.) Hinweise auf sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige ergeben haben, dann wurde die jeweilige Personalakte hinzugezogen und durchgearbeitet. 

Hätte denn die EKKW eine komplette Durchsicht stemmen können?

„Dafür hätten wir mehr Personal gebraucht als jene sieben qualifizierten ehemaligen Polizeibeamtinnen und -beamten, die uns bei der Aktendurchsicht unterstützt haben. Trotz Reduktion auf eine Analyse der Disziplinarakten und der sonstigen einschlägigen Unterlagen haben wir aber über das Forschungsdesign hinaus recherchiert (siehe: Was wurde außerdem überprüft?)“, erläutert Prälat Burkhard zur Nieden.

Was genau sollte denn überhaupt geliefert werden?

Ursprünglich sah das Forschungsdesign ein Screening von Personalakten in einer Stichprobe von Landeskirchen vor. Dies sollte auf der Basis einer vorgeschalteten Erforschung und Datenerhebung in den Landeskirchen geschehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ForuM-Studie haben das Vorhaben dann aber in Absprache mit den Landeskirchen geändert, weil es bereits bei der Datenerhebung in einigen Landeskirchen angesichts der komplexen Fragebögen zu Problemen und Verzögerungen gekommen war. Infolgedessen waren die Landeskirchen aufgefordert, ihre bereits bekannten Fälle sexualisierter Gewalt zu erfassen und alle Disziplinarakten sowie alle sonstigen einschlägigen Unterlagen für Pfarrpersonen zu überprüfen. Mit einer Landeskirche vereinbarten die Forschenden ein weitergehendes Screening auch von Personalakten.
Im Zuge der Veröffentlichung der Studie gab es Kritik daran, dass nicht alle Landeskirchen ihre kompletten Personalaktenbestände überprüft hätten. Wie oben erwähnt, war das aber auch nicht von den Forschenden angefordert worden.

Dieses PDF-Dokument enthält eine Aufstellung der wesentlichen Schritte im Verlauf des Teilprojekts E der Aufarbeitungsstudie „ForuM“.

Hat die EKKW alle Personalakten gesichtet?

Die EKKW hat nicht systematisch sämtliche Personalakten von Pfarrpersonen, Kirchenbeamt:innen und kirchlichen Mitarbeitenden gesichtet. Das war aber in der Projektbeschreibung auch nicht ausdrücklich gefordert. Das Forschungsdesign hat sich im Laufe des Verfahrens geändert. Letztlich wurden mehr Akten untersucht als das neue Design vorsah.

Sexualisierte Gewalt
Fragen und Antworten zur Aktenrecherche für die ForuM-Studie

Nach der Veröffentlichung der unabhängigen ForuM-Studie gab es Diskussionen um die Datengrundlage aus den Akten der Landeskirchen. Forschende bemängelten, dass nicht alle Personalakten ausgewertet worden seien. Fragen und Antworten dazu, wie es in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ablief.

Sexualisierte Gewalt
Bischöfin Dr. Hofmann zur ForuM-Studie

Auch in der EKKW gab und gibt es sexualisierte Gewalt. Die ForuM-Studie beschreibe und analysiere «das jahrzehntelange institutionelle Versagen», sagt Bischöfin Dr. Hofmann nach Veröffentlichung der Studie: «Auch unsere Kirche hat versagt und jahrzehntelang nicht auf die Betroffenen und ihr Leid gehört, sondern vor allem die Täter, ihre Familien und das Ansehen unserer Institution im Blick gehabt und falsche Entscheidungen getroffen.»

Sexualisierte Gewalt
So geht die EKKW mit dem Thema sexualisierte Gewalt um

Wie verhält sich die EKKW zu sexualisierter Gewalt? Was wurde in den vergangenen Jahren zum Schutz davor unternommen und wie arbeitet die Landeskirche geschehene sexualisierte Gewalt auf? Diese und weitere Fragen sind in dieser Woche von besonderem Interesse. Anlass ist die ForuM-Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie.