Kassel (medio). Immer mehr Kirchenkreise der Evangelischen Kirche von Kuhessen-Waldeck schließen sich der Initiative «Offen für Vielfalt - Geschlossen gegen Ausgrenzung» an, der die Landeskirche im Januar als offizielle Kooperationspartnerin beigetreten ist. Mittlerweile unterstützen auch die Kirchenkreise Hanau, Kassel, Kirchhain, Marburg und Schwalm-Eder die Kooperation von Unternehmen, kommunalen Institutionen und Vereinen, die sich für Demokratie und Vielfalt einsetzt.
Kirchenkreis Hanau: Solidarität zeigen und Zeichen setzen
Besonders der Evangelische Kirchenkreis Hanau macht zurzeit offensiv für die Kampagne mobil - u.a. im Stadtbild mit den bekannten Türschildern und mit einer Aktion auf der Fanseite des Kirchenkreises im sozialen Netzwerk Facebook. Dekan Dr. Martin Lückhoff ruft gemeinsam mit anderen Religionsgemeinschaften und der Stadt Hanau dazu auf, Solidarität zu zeigen. Am 19. Februar jährt sich der fremdenfeindliche Terroranschlag, bei dem der Hanauer Tobias R. neun Bürger aus Einwandererfamilien, seine Mutter und sich selbst erschoss.
Mit den bekannten Wende-Türschildern, die derzeit in Hanau kostenlos ausgegeben werden, könnten alle Bürger zum Gedenktag ein sichtbares Zeichen für Vielfalt, Respekt und ein friedvolles Zusammenleben setzen. Und die Nachfrage in der Bevölkerung sei groß: Die Stadt Hanau und die evangelische Kirche hätten allein am vergangenen Samstagvormittag (6.2.) mehrere hundert Schilder verteilt, teilte der Kirchenkreis mit. «Offenheit heißt für uns, den Nächsten zu sehen – unabhängig von Geschlecht, Ethnie, sozialem Stand oder Religionszugehörigkeit», so Dekan Dr. Lückhoff.
Initiative der Kirchenmusik der Hanauer Marienkirche
Offen für Vielfalt, geschlossen gegen Ausgrenzung - das ist das Motto der Motette in Marien im Februar 2021. Hanauerinnen und Hanauer äußern sich im Film dazu, was für sie Vielfalt bedeutet. Es musiziert der Hanauer Kantor Christian Mause am Flügel in Begleitung des Violinisten Theo Ruppert. Die Motetten in Marien sind eine etablierte Reihe von Gottesdiensten mit musikalischer Untermalung aus der Hanauer Marienkirche.
Kirchenkreise Kirchhain und Marburg: Haltung zeigen
Gegen rechtsextreme Ströme und gegen Diskriminierung in allen Formen stellen sich auch der Kirchenkreis Marburg und der Kirchenkreis Kirchhain und verbinden mit ihrem Bekenntnis zur Initiative einen Aufruf für ein breites Bündnis gegen Diskriminierung in ihrer Region. «Hessen hat ein Problem mit Rechtsextremismus», machte Dekan Dr. Burkhard zur Nieden vom Kirchenkreis Marburg gegenüber der Oberhessischen Presse deutlich. Der Dekan erinnerte an den rassistisch motivierten Anschlag in Hanau 2020 und an den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke 2019. Das von Nordhessen ausgehende Bündnis soll weiter wachsen, denn «jegliche Form von Rassismus und Ausgrenzung soll verschwinden», betonte Dekan Hermann Köhler vom Kirchenkreis Kirchhain.
Die erste sichtbare Aktion im Kreis sind die Schilder der Initiative: An jeder der 120 Kirchen in Marburg-Biedenkopf soll ein Türschild hängen. Dies mache einen klaren Standpunkt deutlich und jeder, der sich für demokratische Werte, für Respekt und Toleranz einsetze, sei willkommen und aufgerufen, sich zu beteiligen, so Dekan Köhler. Es gehe darum, gemeinsam Haltung zu zeigen, aus vielen Impulsen solle eine wachsende Bewegung gegen Diskriminierung jeglicher Art entstehen. Ziel ihres Engagements sei es, auf Dauer ein breites Bewusstsein zu schaffen. Es gehe nicht um vorschnellen Aktionismus, sondern um einen Sensibilisierungsprozess, um Aufklärung von Alltagsrassismen und die Auswirkungen von ansteigendem Rechtsextremismus auf eine offene Gesellschaft, so die Dekane.
Die Dekane Hermann Köhler (Kirchenkreis Kirchhain, links) und Burghard zur Nieden (Kirchenkreis Marburg) unterstützen das Bündnis «Offen für Vielfalt». (Foto: Ina Tannert)
Kirchenkreis Schwalm-Eder: Zeichen für menschenfreundliche Toleranz
Im Kirchenkreis Schwalm-Eder wurden bewusst am 27. Januar 2021 die ersten drei Schilder der Initiative aufgehängt. «Damit wollen wir bewusst am Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz ein Zeichen für menschenfreundliche Toleranz setzen», sagte Dekan Christian Wachter (Ziegenhain). Der 27. Januar 1945 stehe am Ende einer grausamen Zeit, in der Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland erst mit übler Nachrede und Hetze, später mit Ausgrenzung und Gewalt und am Ende mit gezielter Vernichtung bedroht und getötet wurden, heißt es in einer Mitteilung des Kirchenkreises.
Zu Opfern der Nationalsozialistischen Ideologie wurden auch andere Gruppen, die nicht in das ideologische Bild der Nazi-Herrschaft passten: politische Gegner, homosexuelle Menschen oder Sinti und Roma. Dekanin Sabine Tümmler (Fritzlar) sagte: «Als Teil dieser Initiative sehen wir uns dazu verpflichtet, unseren christlichen Glauben in evangelischer Tradition nicht abgrenzend zu verstehen, sondern vielmehr in der Liebe zu Gott und den Menschen zu leben.» Und Dekan Norbert Mecke (Melsungen) ergänzte: «Das Schild aufzuhängen ist das eine. Gottesdienste, Gemeindeveranstaltung und kirchliche Arbeit selbstkritisch auf ihre tatsächliche Vielfältigkeit hin zu prüfen bleibt eine Aufgabe. Denn: Ausgrenzen kann man auch unbewusst», so Mecke.
Zeigen sich offen für Vielfalt (v.l.): Dekan Christian Wachter (Ziegenhain), Dekan Norbert Mecke (Melsungen) und Dekanin Sabine Tümmler (Fritzlar). (Fotos: Kirchenkreis Schwalm-Eder)
Stadtkirchenkreis Kassel: Friedliches Miteinander, Respekt und Toleranz
Auch die Evangelische Kirche in Kassel unterstützt die Initiative: «Wir begrüßen es sehr, dass die Landeskirche der Toleranz-Initiative beigetreten ist», sagte Dekan Dr. Michael Glöckner vom Stadtkirchenkreis Kassel. Gerade vor dem Hintergrund des Mordes an Dr. Walter Lübcke und den Attentaten in Hanau und Halle sei es wichtig, ein starkes Zeichen für ein friedliches Miteinander, für Respekt und Toleranz zu setzen. «Als Christinnen und Christen treten wir in unserer Stadt für diese Werte ein», ergänzte Dekanin Barbara Heinrich. «Als Grundlage und Selbstverpflichtung unserer Arbeit haben wir diese in unseren Leitsätzen schon vor mehr als 20 Jahren festgeschrieben.» Dort heißt es unter anderem: «In unserer Stadt setzen wir uns ein für Frieden zwischen Alt und Jung und den Menschen verschiedener Herkunft», teilte der Stadtkirchenkreis mit.
Zahlreiche Kampagnen-Schilder seien bereits an die Kasseler evangelischen Gemeinden verteilt und aufgehängt worden. In der Vergangenheit seien zudem bereits zwei Kasseler Kirchengemeinden von der Initiative als «Vielfalt-Verstärker» ausgezeichnet: Im Jahr 2019 die Hoffnungskirchengemeinde für das Projekt Interkulturelle Teams für das Gemeinwesen und 2020 die Kirchengemeinde der Friedenskirche für den interreligiösen Austausch mit der Mevlana-Moschee am Mattenberg.
Vor dem Stadtdekanat und Stadtkirchenamt am Lutherplatz in Kassel (v.l.): Verwaltungsdirektor Alexander Reitz (Stadtkirchenamt), Dekanin Barbara Heinrich und Dekan Dr. Michael Glöckner. (Foto: Heike Schaaf)
Beitritt der Landeskirche zur Initiative am 17. Januar 2021
Die Landeskirche war am 17. Januar 2021 während ihrer digitalen Landessynode der Initiative offiziell als Kooperationspartnerin beigetreten. «Wir wollen dazu beitragen dass sich Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und Einmaligkeit gleichberechtigt begegnen, Vorurteile abbauen und entkräften und Vielfalt als Reichtum erleben können», heißt es in der Begründung des Beitritts. Kirchengemeinden sollen ermutigt werden, sich zu positionieren und konkrete Schritte für Vielfalt und gegen Ausgrenzung zu finden und zu gehen.
Unser Foto zeigt die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann, und Maximilian Zindel von der Initiative «Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung» am Haus der Kirche in Kassel (Foto: medio.tv/Schauderna)
Hintergrund: «Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung»
Die Initiative «Offen für Vielfalt - Geschlossen gegen Ausgrenzung» hatte sich 2018 als Reaktion auf rechtsradikale Exzesse in Chemnitz 2018 in Kassel gegründet. Getragen von heimischen Unternehmen, Vereinen und Organisationen hatte sie unter anderem zum Todestag des im Juni 2019 ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke die Aktion «Demokratische Werte sind unsterblich» im Jahr 2020 ins Leben gerufen. Sichtbarstes Zeichen war ein 200 Quadratmeter großes Banner mit dem Motto am Kasseler Regierungspräsidium. Kasseler Bürger wurden zudem eingeladen, eine ganzseitige Zeitungsanzeige mit dem Motto auszuschneiden und ins Fenster der Wohnung zu hängen. Die Initiative, die auch beim Prozessauftakt gegen Lübckes mutmaßlichen Mörder Stephan E. vor dem Gericht Präsenz zeigte, ist seither ständig gewachsen.
Die Initiative versendet kostenlos Türschilder. Bestellung per Mail an kontakt@offenfuervielfalt.de oder telefonisch unter 0561 301 2525. Mehr Informationen im Internet unter www.offenfuervielfalt.de (09.02.2021)
Internetradio:
Offen für Vielfalt - Radioreporter Siegfried Krückeberg hat mit Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Dekan Dr. Martin Lückhoff über die Initiative in der Stadt Hanau gesprochen:
Thema:
In unserem ekkw.de-Themenschwerpunkt finden Sie die Beitrittserklärung der Landessynode, Materialien und Veranstaltungstipps rund um die Kampagne «Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung»: