Weil es eine kleine sprachliche Hürde zu meistern gilt, haben sie auf ihrer exquisiten Homepage eine hilfreiche Audiodatei platziert: die «Arolsen Archives» sind nicht leicht auszusprechen: «Arolsen Arkeiws», mit Betonung auf der jeweils ersten Silbe. Nun kann man sich den Inhalten zuwenden, und die sind überaus fesselnd und erschütternd.
Die Arolsen Archives (früher: Internationaler Suchdienst) sind das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie beinhaltet Dokumente zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes, zur Zwangsarbeit sowie zu Displaced Persons und Migration nach 1945.
Damit ist das Archiv eine wichtige Wissensquelle. Jährlich werden Anfragen zu rund 20.000 NS-Verfolgten beantwortet, erläutert die Historikerin Alexandra Hirdes beim Durchgang mit Besuchergruppen durch die Dauerausstellung «Ein Denkmal aus Papier».
Was ist zu sehen? Fotos von Vermissten, Zeitungsausschnitte, Zitate, persönliche Gegenstände von KZ-Häftlingen, seien es Briefe, Schmuckstücke oder Fotos. Sie stammen meist aus dem KZ Neuengamme, und bis heute gelingt es immer wieder, einzelne Stücke an Familien zurückzugeben.
«Ich habe auf vielerlei Weise versucht, meine Frau und Tochter zu finden … ohne Ergebnis. Ich selbst habe sie am 5.9.1939 zum letzten Mal gesehen.» So wird aus einem Brief von 1945 zitiert. Wenige Worte, die ein Schlaglicht auf großes persönliches Leid werfen. Wie viele Einzelschicksale hier versammelt sind, zeigt im Ausstellungsraum eine Wand voller Karteikästen mit Namenskarten, so wie sie an anderem Ort in Arolsen tatsächlich aufbewahrt werden: in der riesigen Zentralen Namenskartei (ZNK).
Bereits ab Herbst 1945 wurden hier handschriftlich Personalien und Angaben zu Lebensläufen festgehalten; es sind über 50 Millionen Karten. Wieso eigentlich das kleine Arolsen? Die einfache Erklärung: Kassel, das wegen zentraler Lage ideal gewesen wäre, war zu zerstört, im nahe gelegenen Arolsen hingegen funktionierte der Telefonverkehr nach dem Krieg noch, man konnte sofort mit Dokumentation und Recherche beginnen.
Übrigens kann auch heute jeder sofort mithelfen, an die Millionen von den Nazis verfolgten und ermordeten Menschen zu erinnern. #everynamecounts – (jeder Name zählt) heißt die Internet-Aktion, bei der es darum geht, eingescannte Originaldokumente für eine Datenbank zu erfassen. Bereits 115.000 Freiwillige haben mitgeholfen – man braucht nur einen Bildschirm (nicht mobil) und kann innerhalb von fünf Minuten helfen, das Archiv zu vervollständigen.
Kaum hat man die Seite aufgerufen, liest man Vornamen, Nachnamen, einige wenige Hinweise über Familienangehörige auf Karteikarten – und das traurige Schicksal der Vermissten wird schlagartig bewusst. Jeder Name steht für einen Menschen – «vielleicht war er so alt wie du oder kam aus deinem Ort», heißt es in der Anleitung. Wer hier Zeit investiert, hilft, ein digitales Denkmal zu bauen und setzt zugleich ein Zeichen für Respekt, Vielfalt und Demokratie.
Archivsprecherin Anke Münster stellt fest, dass in den vergangenen Jahren das Interesse an den Archiven noch einmal gestiegen ist – die Enkel- und Urenkelgeneration stellt neue und andere Fragen, geht anders mit der Familiengeschichte um. Ab 2028 soll ein Neubau das Archiv auch räumlich endlich angemessen repräsentieren. Für Schulen gibt es ein digitales Bildungsangebot , das direkt im Unterricht einsetzbar ist – Minigames zur Geschichte, aber stets mit Bezug zur heutigen Lebenswelt.
arolsen-archives.org
Die Arolsen Archives sind das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie beinhaltet Dokumente zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes, zur Zwangsarbeit sowie zu Displaced Persons und Migration nach 1945. Damit ist das Archiv eine wichtige Wissensquelle, besonders auch für jüngere Generationen.
Bis heute beantworten die Arolsen Archives jährlich Anfragen zu rund 20.000 NS-Verfolgten. Die Klärung von Schicksalen und die Suche nach Vermissten war über Jahrzehnte die zentrale Aufgabe der Institution, die 1948 von den Alliierten als „International Tracing Service“ gegründet wurde.
Wichtiger denn je sind die Angebote für Forschung und Bildung, um das Wissen über den Holocaust, Konzentrationslager, Zwangsarbeit und die Folgen der Nazi-Verbrechen in die heutige Gesellschaft zu bringen. Die Arolsen Archives bauen ein umfassendes Online-Archiv auf, damit Menschen auf der ganzen Welt Zugriff auf die Dokumente haben und sich informieren können.
Arolsen Archives, Große Allee 5–9, 34454 Bad Arolsen, Tel. 05691/6290
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