Ein Ort des Schweigens – und der späten Stimmen
Korntal bei Stuttgart – ein scheinbar idyllischer Ort, wird zum Synonym eines der größten Missbrauchsskandale innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland. In den Heimen der pietistischen Brüdergemeinde Korntal wurden ab den 1950er Jahren Hunderte Kinder misshandelt, gedemütigt, zur Arbeit gezwungen – und vielfach zum Schweigen gebracht. Erst im Jahr 2013 wurde das systematische Unrecht öffentlich, nachdem über 150 Betroffene den Mut fanden, ihre Stimme zu erheben. Über 80 Täterinnen und Täter konnten seither identifiziert werden.
Die Reaktionen in der Gemeinde fielen zunächst verhalten bis ablehnend aus, doch der Druck auf die Verantwortlichen wuchs. Ein Aufarbeitungsprozess wurde eingeleitet – von vielen Betroffenen jedoch als «Missbrauch nach dem Missbrauch» bezeichnet, weil sie sich nicht ernst genommen und erneut verletzt fühlten.
Veranstaltungsdetails & Filmladen Kassel

Mittwoch, 28. Mai 2025, Uhrzeit: 17:30–20:00 Uhr, Ort: Filmladen Kassel, Veranstalter: Fachstelle der EKKW zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in Kooperation mit dem Filmladen Kassel (Goethestraße 31)
Dokumentation gibt Betroffenen das Wort
Die Regisseurin Julia Charakter widmet sich in ihrem Film «Die Kinder aus Korntal» den Stimmen jener, die jahrzehntelang nicht gehört wurden. In eindringlichen Interviews berichten sechs Betroffene von ihren persönlichen Erlebnissen, den Traumata und dem langen Kampf um Anerkennung. Der Film thematisiert auch die Leerstellen des offiziellen Aufklärungsberichts und wirft Fragen nach Gerechtigkeit, Verantwortung und kirchlicher Kultur auf.
Mit sensibler Bildsprache und respektvoller Nähe gelingt es dem Filmteam, einen Raum der Würde und Wahrhaftigkeit zu schaffen. Der Film enthält belastende Inhalte und spricht eine klare Inhaltswarnung aus.

Detlev Zander hat mehr als zehn Jahre seines Lebens im Kinderheim der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart verbracht. Sein ganzes Leben wurde von den dort erlebten Gewalterfahrungen geprägt. Im Jahr 2014 entschloss er sich, die Vergangenheit der Korntaler Einrichtung ans Licht zu bringen und brachte damit den Beginn einer Aufarbeitung in Gang.
«Dialog ist für mich ein Grundpfeiler, wenn die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der EKD und Diakonie gelingen soll.»
Delev Zander
Im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland engagiert er sich heute als Sprecher der Betroffenenvertretung.
Gespräch mit Regisseurin, Prälat und Betroffenen
Im Anschluss an die Filmvorführung findet ein moderiertes Gespräch statt. Neben der Regisseurin Julia Charakter und dem Kameramann Jonas Eckert wird auch Detlev Zander, einer der Protagonisten des Films und langjähriger Betroffenenvertreter, für Fragen und Austausch zur Verfügung stehen. Zudem wird Burkhard zur Nieden, Prälat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, an der Diskussion teilnehmen.
Die Veranstaltung möchte nicht nur informieren, sondern vor allem Raum geben für gemeinsames Nachdenken, Zuhören und Verstehen. Ziel ist es, die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt und deren Folgen weiterzuführen – offen, ehrlich und mit Blick auf die Betroffenen.