Abendvortrag vor der Synode zum Thema «Zerbrechliche Nachbarschaft»

Abendvortrag vor der Synode zum Thema «Zerbrechliche Nachbarschaft» – Das Projekt «Gedenkbuch der Synagogen und jüdischen Gemeinden in Hessen» durch Professor Dr. Stefan Vogt und sein Team Rahel Blum und Stefanie Nathow von der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Hofgeismar / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 27 Apr 2024

Die Mitglieder der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) konnten am Freitagabend (26.4.) während eines Abendvortrags einen ersten Eindruck von dem Projekt gewinnen. Prof. Dr. Stefan Vogt (Goethe-Universität Frankfurt) berichtete gemeinsam mit den beiden Projektmitarbeiterinnen Rahel Blum und Stefanie Nathow über das Projekt, den Forschungsansatz und -stand sowie Planungen für die pädagogische Vermittlung. Das Forschungsprojekt wird u. a. durch die evangelischen Kirchen in Hessen, die katholischen Bistümer und das Land Hessen finanziert.

So konnten die Synodalen erfahren, dass es im Jahr 1930 auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen 450 Synagogen gegeben hat – im Vergleich zu 15 Synagogen heute. Der Blick auf eine Karte führte eindrücklich vor Augen, dass es im Regierungsbezirk Darmstadt doppelt so viele Synagogen gab wie in den beiden Regierungsbezirken Gießen und Kassel zusammen. Das Forschungsteam arbeitet sich vom Süden in den Norden vor und versichert, trotz der umfänglichen Aufgabe dort auch anzukommen.

Laut Prof. Dr. Vogt plane man, die Forschungsergebnisse in mehreren (Doppel-)Bänden zu publizieren. Jede einzelne Synagoge werde darin ausführlich vorgestellt. Dabei beschränke man sich nicht nur auf bauliche Aspekte, sondern versuche, sich dem jüdischen Leben vor Ort aus jüdischer Perspektive zu nähern. So gebe es Informationen und Bilder nicht nur von Gebäuden, sondern auch von rituellen Objekten sowie Porträts von Personen und Geschichten der Verfolgung. Damit sei das Gedenkbuch weit mehr als ein reines Nachschlagewerk. Für die umfangreiche Recherche sei man zum einen auf die Unterstützung von Geschichtskundigen vor Ort, aber auch auf zentrale Quellen aus dem Zentrum Judaicum in Berlin oder auch hebräische Quellen aus Jerusalem angewiesen.

Das Bild von ehemaligen Synagogen sei heutzutage durch die großen Stadtsynagogen z. B. in Frankfurt oder Kassel geprägt. Rahel Blum zeigte anhand von zwei ländlichen Gemeinden, dass als Gotteshäuser auch normale Gebäude genutzt wurden, die von außen nicht als Synagogen erkennbar waren. Es bestand eine unmittelbare Nachbarschaft zur christlichen Gesellschaft. Wie waren die Beziehungen zwischen Christen und Juden? Ambivalent und zerbrechlich, wie die Geschichte zeigt.

Begleitend zum Forschungsprojekt gibt es ein umfangreiches pädagogisches Vermittlungskonzept, das Stefanie Nathow vorstellte. Das Vermittlungsangebot richte sich schwerpunktmäßig an Schülerinnen und Schüler, aber auch Konfirmandinnen und Konfirmanden und junge Erwachsene. Einiges an Arbeitsmaterialien sei auch schon verfügbar, wie die rpi Impulse «Outside the Box!» (2/23), die in Zusammenarbeit mit Anke Kaloudis entstanden sind.

EKKW und Landessynode
Herbstsynode der EKKW 2023 - Tag 2

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Die Landessynode besitzt herausragende Kompetenzen: Sie hat in allen kirchlichen Fragen die letzte Entscheidung. Die geistliche und rechtliche Leitung der Landeskirche teilt sie mit dem Bischof / der Bischöfin, den Pröpstinnen und Pröpsten, dem Rat der Landeskirche und dem Landeskirchenamt. Alle anderen Leitungsorgane sind der Landessynode verantwortlich.

78 Mitglieder gehören der 14. Landessynode an; dabei sind die Nicht-Theologen in der Mehrheit. Das Gros der Mitglieder wird direkt von den Synoden der Kirchenkreise für sechs Jahre gewählt. Die Landessynode tagt in der Regel zweimal im Jahr: im Frühjahr und in der Woche vor dem 1. Advent.