Das eher schlicht gestaltete Buch ist ein Welt-Bestseller – und zudem einer mit einer langen Geschichte: Die Losungen. 3,5 Millionen mal wird sie nach Verlagsangaben weltweit verkauft, in 56 Sprachen sind sie erhältlich. In vielen Haushalten liegt das Losungsbuch, das für jeden Tag im Jahr eine Textstelle aus dem Alten Testament, eine aus dem Neuen Testament sowie ein Gebet, ein Lied oder eine Erläuterung bietet. Alleine in Deutschland beträgt die Gesamtauflage 600.00 Exemplare – ein echter Riese am Buchmarkt also. Es gibt die Losungen für Gehörlose, in Braille-Schrift für Blinde und auch als App.
Kurioserweise kann man sagen, dass eine der ersten Losungen nicht in einem Buch stand, sondern auf einer Tür. Man kann sie heute noch sehen, im Zinzendorf-Schloss in Berthelsdorf in der sächsischen Oberlausitz. Das Schloss gehörte einst Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760), der den evangelischen Glaubensflüchtlingen aus Mähren gestattete, sich im benachbarten Herrnhut anzusiedeln. Daraus entstand die Herrnhuter Brüdergemeine, deren Bischof Zinzendorf später wurde. Heute hat die Kirche weltweit mehr als 1 Million Mitglieder.
Auf einer Tür aus dem Jahr 1731 jedenfalls ist ein Spruch über Maria auf den oberen Teil gemalt, ein zweiter steht im unteren Bereich. Zinzendorf war die Vermittlung biblischer Inhalte wichtig. Anfangs wurden täglich Bibelsprüche im Ort ausgerufen, ab 1731 gab es auch eine Druckversion. Die Tradition ist ungebrochen, die ersten Losungen («Parolen»), die Zinzendorf zunächst selber ausgab, sind für den 3. Mai 1728 nachgewiesen. Später wurden sie dann tatsächlich auch ausgelost.
Natürlich eignen sich nicht alle Sätze des Alten Testaments dafür, man denke beispielsweise an die langen Ahnenreihen. Deswegen wird eine Vorauswahl getroffen, das «Spruchgut». Seit 1824 gibt es diese Zusammenstellung, die alle paar Jahre vom Spruchgut-Ausschuss überarbeitet wird. Und dann geht es tatsächlich zu wie bei einer Tombola.
Aus einer alten Schale, die sonst im Museum in der Herrnhuter Kirche steht, werden Lose gezogen, jeder Losnummer ist ein Vers zugeordnet und wird im Spruchgut-Buch nachgeschlagen. Vier Leute, von der Direktion der Brüderunität bestimmt, sind bei der Auslosung am historischen Tisch in Herrnhut dabei. Einer zieht, der oder die andere verliest den Vers und zwei Protokollanten notieren die Stelle für jeden Tag im Jahr.
Die Vierergruppe trifft sich jeweils im Frühjahr um die Losungen für drei Jahre später zu ziehen. Von 8 Uhr am Morgen bis gegen Mittag dauert die Ziehung am historischen Tisch, der früher einmal im Schloss stand und heute in der Verwaltung der Brüdergemeine. Im Anschluss beginnt die Arbeit des Losungsbearbeiters. Er ordnet jedem alttestamentarischen Vers einen weiteren aus dem Neuen Testament zu, der inhaltlich eine Verbindung haben sollte – den «Lehrtext». Hinzu kommt dann noch zum Beispiel eine Liedstrophe, ein Gebet oder eine Erklärung.
Wenn all das fertig ist, wird daraus beim Friedrich-Reinhard-Verlag in der Schweiz ein Buch, besser gesagt: mehrere Bücher. Denn neben der Standardausgabe gibt es längt auch Versionen für junge Leute, in Großdruck, besonders prachtvoll gestaltete Ausgaben oder als Zettelkasten. CD, Online, App und vieles mehr, die Tageslosungen sind nach fast 300 Jahren quicklebendig. Das konnte der unbekannte Maler nicht ahnen, als er damals einen Spruch auf eine Tür in der Oberlausitz pinselte.
Tageslosung
losungen.de

Die Losungen sind ein Andachtsbuch, das für jeden Tag des Jahres zwei Bibelworte enthält: die Losung aus dem Alten Testament und den Lehrtext aus dem Neuen Testament. Ergänzt werden die beiden Texte durch einen Liedvers, ein Gebet oder einen kurzen Prosatext. Die alttestamentliche Losung wird ausgelost, die anderen Texte thematisch passend dazu ausgesucht. Auf der Internetseite gibt es Infos, digitale Angebote und Bezugsmöglichkeiten für die Druckausgaben.