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v.l.: Martin Rimbach, Annika Wölfel und Christian Graß in der Markuskirche in Marburg

Martin Rimbach, Annika Wölfel und Christian Graß (von links nach rechts) wollen einen Raum schaffen, in dem auch Menschen Gott und Gemeinschaft erfahren können, denen der Besuch eines normalen Gottesdienstes schwer fällt. Kuscheldecken und Kerzenlicht inklusive.

Marburg / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 24 Mär 2025

Licht und Geräusche, aber auch langes Sitzen sind für viele Betroffene eine Qual. Für diese Menschen haben Engagierte von «UND Marburg» und Pfarrerin Annika Wölfel von der Marburger Markusgemeinde einen «Gottesdienst der sanften Töne» konzipiert, berichtet Nadja Schwarzwäller von der Öffentlichkeitsarbeit des Evangelischen Kirchenkreises Marburg und des Gesamtverbandes der Evangelischen Kirchen in Marburg.

«Wir wollen einen Schutzraum bieten»

Das Ziel des besonderen Angebots: Schutz vor Überforderung, vor zu viel Input und auch vor dem Gefühl, sich erklären oder entschuldigen zu müssen, so Schwarzwäller. «Auch Menschen mit Erkrankungen wie ME/CFS sollen die Möglichkeit haben, Gott und Gemeinschaft zu erfahren», erklärt Martin Rimbach vom christlichen Netzwerk «UND Marburg». ME/CFS steht für «Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom» – eine Erkrankung, bei der die Betroffenen chronisch erschöpft sind. Rimbachs Frau ist davon betroffen.  

Das sei nichts, was sich mit ein paar Stunden mehr Schlaf oder etwas Überwindung wieder in den Griff bekommen lässt, weiß der Marburger. Betroffene seien oft nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen. Rimbachs Frau Joana hat die Erkrankung als Folge von Post-Covid. Es seien fast zwei Jahre vergangenen, bis die Diagnose tatsächlich feststand. Ihr Leben habe sich damit komplett verändert. Oft fehle die Kraft, auch nur ein Telefonat zu führen, berichtet Rimbach. Weil seine Frau den Besuch eines Gottesdienstes so sehr vermisst, haben Joana und er am Konzept mitgearbeitet: «Ich empfinde mich relativ privilegiert, weil ich viel Unterstützung habe und gut mit der Erkrankung umgehen kann», sagt Joana Rimbach. «Einen Raum zu schaffen, auch zu diesem Thema, hilft vielleicht anderen, die keine Stimme haben, die sich nicht bemerkbar machen können.»

Ankündigungsplakat für den Gottesdienst

Ankündigungsplakat für den Gottesdienst

Reguläre Gottesdienste eher laut und bunt

Dass Menschen einen Platz finden, die sonst keinen haben, sei von Anfang an ein Anliegen von «UND Marburg» gewesen, ergänzt Martin Rimbach. Doch die Gottesdienste, die alle zwei Wochen im Marburger Lokschuppen stattfinden, seien eher laut und bunt. Wie und wo könnte es leiser, weniger anspruchsvoll, weniger anstrengend sein, war die Frage. Und das nicht nur für Menschen mit ME/CFS, sondern z.B. auch für Hochsensible oder Menschen aus dem autistischen Spektrum.

Kirchraum der Markuskirche hervorragend geeignet

Fündig wurde man bei der Evangelischen Markusgemeinde in Marbach. Der Kirchenraum erwies sich für die Umsetzung als hervorragend geeignet: Er ist barrierefrei, auch mit dem Rollstuhl befahrbar, und der Altarraum ist groß genug, um mehrere Liegemöglichkeiten zu schaffen. Ob liegen, sitzen, stehen oder sich bewegen - jeder kann tun, was ihm gut tut.

Isomatte, Heizdecke und alles auf Augenhöhe

«Und alle dürfen kommen, wie sie sind und wie sie sich wohlfühlen – das kann auch in der Jogginghose sein», sagt Pfarrerin Annika Wölfel von der Gemeinde. «Wir wollen vermitteln, dass alle von Gott gesehen werden, wie sie sind und so mit ihm in Kontakt kommen können.» Wer seine Isomatte oder eine Heizdecke mitbringen möchte, darf auch das. Es werden Decken ausgelegt, die Beleuchtung kommt von Kerzen. Selbst die Uhrzeit nachmittags um 16 Uhr sei  bewusst gewählt, wenn es nicht mehr ganz so hell ist. Pfarrerin Wölfel und Christian Graß, der bei «UND Marburg» Referent für Experience und Church Life ist, werden den Gottesdienst gemeinsam gestalten und dabei auf großen Yogakissen vor dem Altar sitzen – ganz auf Augenhöhe mit den Besucherinnen und Besuchern.

Sanfte Töne in Marburg

Gedimmtes Licht, leise Musik, eine ruhige Atmosphäre – das gibt es schon in manchen Supermärkten oder Schwimmbädern. Und jetzt auch im Gottesdienst – der wird am nächsten Samstag in der Markuskirche in Marburg gefeiert. Medienhaus-Redakteur Tobias Stübing hat mit Pfarrerin Annika Wölfel darüber gesprochen, was Interessierte bei dem reizarmen Gottesdienst erwartet.

Wohldosierte Elemente eines «normalen» Gottesdienstes

Für den eigentlichen Gottesdienstteil ist eine halbe Stunde vorgesehen. Das sei die Zeit, die die Betroffenen, mit denen sie Kontakt hatte, als für sie machbar angegeben hätten, so Annika Wölfel. Wohldosiert kommen Elemente eines «normalen» Gottesdienstes zum Einsatz: Fürbitten, ein Tagesgebet und ein Segen. Die Predigt sei keine klassische Predigt, sondern eine Traumreise, bei der man sich entspannen könne. Musikalisch wird es nur zwei Lieder zum Mitsingen geben und Marlon Becker, der Küster der Markuskirche, wird auf einem Saiteninstrument für meditative Klänge sorgen.

Nach diesem ersten Teil werde es eine kleine Pause geben und wer danach noch genug Kraft und Konzentration hat, kann noch ein wenig länger bleiben: zu Musik und Atemübungen, bei denen es dann aber keine theologischen Impulse mehr geben wird, so Pfarrerin Wölfel weiter. Der Gottesdienst beginnt am Nachmittag des 29. März (Samstag) um 16 Uhr in der Markuskirche Marbach (Bienenweg 37). Alle sind herzlich eingeladen - natürlich auch Menschen, die nicht erkrankt sind, aber vielleicht einmal ruhigere Töne erleben möchten.

markuskirche.ekmr.de

Weitere Informationen zum Gottesdienst und den Veranstaltern auf der Internetseite der Evangelischen Markuskirchengemeinde Marburg.