In der Kneipe: In Bad Hersfeld wurde dort ein Gottesdienst gefeiert mit Bierdeckeln und passender Livemusik

In der Kneipe: In Bad Hersfeld wurde dort ein Gottesdienst gefeiert mit Bierdeckeln und passender Livemusik

blick in die kirche / Olaf Dellit
Veröffentlicht 30 Jun 2024

Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung beschäftigt sich als Studienleiterin am Evangelischen Studienseminar in Hofgeismar mit dieser Frage. Sie weiß, dass die Wünsche unterschiedlich sind.

Zeit mit sich selbst und mit Gott verbringen, Gemeinschaft erleben, spirituelle und intellektuelle Anregungen bekommen – all das könnten Anliegen an den Gottesdienst sein. Oft sei es auch gut, einfach einmal nichts tun und leisten zu müssen und eine Auszeit vom Alltag zu erleben. Anderen tue der Gemeindegesang und das Gefühl gut, sich bei den Liedern „von der Gemeinde tragen zu lassen“.

Überall wird experimentiert

Nicht alle finden das im traditionellen Sonntagsgottesdienst, weiß die Theologin.  Und so wird seit Jahren überall in der Landeskirche mit neuen Gottesdienstformen experimentiert. Sie werden nicht nur am Sonntagvormittag und auch längst nicht immer in einer Kirche gefeiert.

Ein besonderes Experiment hat die Gemeinde in Bad Hersfeld gewagt und zum Kneipengottesdienst eingeladen. Antje Pförtner war dort Vikarin, also in der Ausbildung zur Pfarrerin, und erzählt begeistert von dem Abend. Es sei wichtig, dass die Kirche dorthin gehe, wo Menschen sind, findet sie.

Eine Kneipe, also ein Ort, den Menschen mit Spaß und Freude verbinden, eigne sich gut dafür. Das Gottesdienstteam erzählte den Gästen von einzigartigen Momenten, die es erlebt hatte. Pförtner verband diese mit einem biblischen Text, das war die Predigt für diesen Abend.

Die Gäste in der Kneipe waren eingeladen, ihre eigenen einzigartigen Momente  auf Bierdeckeln, auf denen auch das Vaterunser aufgedruckt war, aufzuschreiben. Darüber konnten sie sich dann mit dem Theologinnen-Team austauschen, wenn sie wollten. Pförtner erinnert sich daran, wie alle gemeinsam das Vaterunser beteten: Stille, nur die Zapfanlage und das Geräusch der Kasse waren zu hören: „Das war ein sehr intensiver Moment.“

„Die kleine Kneipe in unserer Straße“ und „Pure Lust am Leben“ statt „Ein' feste Burg ist unser Gott“, Bierdeckel statt Gesangbuch, Bier statt Abendmahlswein – es war wirklich ein ganz besonderer Gottesdienst, mit 30 Minuten auch eher ein kurzer.

«Die Kirche ist nicht weit weg.»

Aber natürlich geht nicht jeder gerne zum Beten in die Kneipe. Andere mögen lieber den Gottesdienst im Freien, mitten in Gottes Schöpfung, im Wald, am See oder im Kulturladen, bei der örtlichen Kirmes oder beim Schützenfest – oder eben doch klassisch in der Dorfkirche. Wichtig, sagt Theologin Kathrin Wittich-Jung, sei eine Botschaft: „Die Kirche ist nicht weit weg.“ Überraschend, aber zugleich bodenständig, so könne sie im besten Fall sein.

Für viele Menschen sei die Predigt nach wie vor das Herzstück des Gottesdienstes. Wichtig sei dabei eine klare, verständliche Sprache, möglichst ohne Schachtelsätze, findet Wittich-Jung. Gebete wünscht sie sich kurz und klar, aber mit großer Offenheit, damit Menschen ihre Lebensgeschichten darin wiederfinden.

Andere Lieder, Zeiten, Orte – was ist dann überhaupt noch ein Gottesdienst und was nicht? Wittich-Jung legt einen großzügigen Maßstab an. Solange sich Menschen in Gottes Namen versammelten, um ihn und das Leben zu feiern, könne es als Gottesdienst gelten.

Der Gemeinschaftsaspekt sei ebenfalls bedeutsam. In vielen Kirchengemeinden gibt es nach dem Sonntagsgottesdienst die Gelegenheit, noch einen Kaffee zu trinken, sich zusammenzusetzen und miteinander zu reden. Gerne erinnert sich die Pfarrerin an den Gründonnerstag, als in der Kirche Tische standen, Musik erklang und Brot und Wein geteilt wurden – in Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu. Das war Stärkung für Körper und Seele – ein Gottesdienst, der richtig guttat.

Titelblatt des blick in die kirche-magazins Juni 2024
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