Wochenspruch, Bibeltext und Predigt werden gebärdet. Das Thema: Menschen sind wertvoll, Gott gibt ihnen Fähigkeiten. Pfarrerin Clara Sperzel projiziert Texte, Bilder und Videos an die Wand. Im Video geht es darum, wie das Grundgesetz die Würde des Menschen schützt. Es ist ebenfalls in Gebärdensprache übersetzt.
Fotos und Videos sind wichtig, weil gehörlose Menschen besonders auf den Sehsinn angewiesen sind. Lieder werden gemeinsam gebärdet, so wie das Segenslied am Ende. Es wird pro Strophe immer schneller, das macht sichtlich Spaß.
Das gemeinsame Gestalten sei eine Besonderheit bei den Gehörlosen-Gottesdiensten, erklärt Pfarrerin Sperzel: «Die Gemeinde bringt Fragen, Ideen und eigene Geschichten mit. Die Stimmung ist sehr lebendig, oft entwickelt sich ein Dialog innerhalb der Predigt oder bei den Gebeten.»
Clara Sperzel arbeitet seit 2019 in der Gehörlosenseelsorge in Fulda. Dafür erlernte sie die deutsche Gebärdensprache. Die Arbeit erfordere ein hohes Maß an Sensibilität. Bibeltexte, die in der hörenden Gemeinde oft mit abstrakten Worten ausgelegt werden, müssen für Gehörlose auf ihre Kernaussagen konzentriert werden. Das braucht im wahrsten Sinne des Wortes Fingerspitzengefühl.
Seit Sperzel dort arbeitet, sei sie für die täglichen Herausforderungen von gehörlosen Menschen aufmerksamer geworden. Oft sind ihnen Zugänge verwehrt. Gottesdienste in hörenden Kirchengemeinden werden meist nicht in Gebärdensprache übersetzt. Daher sind die Menschen in Fulda so dankbar für dieses kirchliche Angebot. In Kurhessen-Waldeck bestehen acht spezialisierte Kirchengemeinden, meist in größeren Städten. Daher nehmen einige Mitglieder weite Anfahrtswege in Kauf.
Pfarrerin Sperzel sieht ihre Aufgabe vor allem darin, Wegbegleiterin zu sein – in den großen und kleinen Momenten des Lebens; ob Geburtstagsbesuche, Hausbesuche oder Beerdigungen.
Umgekehrt bekommt sie viel Unterstützung. Es berühre sie, wie viel die Menschen zu geben bereit seien. Vor jedem Gottesdienst sind Gemeindemitglieder da und helfen bei den Vorbereitungen: «Diese helfenden Hände machen meine Arbeit leichter und schenken mir das Gefühl, Teil einer lebendigen Gemeinschaft zu sein.»
Das zeigt sich auch darin, dass die Gemeindemitglieder gegenseitig Wegbegleiter sind. Einige kennen sich schon seit über 25 Jahren. Sie tauschen Informationen aus, helfen, Dolmetscher zu finden und unterstützen sich bei Krankheiten. Ein Highlight ist die Adventszeit. Pfarrerin Sperzel erstellt einen digitalen Adventskalender für das Handy und organisiert einen Ausflug, der dieses Jahr zum Würzburger Weihnachtsmarkt führt.
Zu Weihnachten verschenkt die Pfarrerin Karten und kleine Geschenke, oft die Herrnhuter Losung in Gebärdensprache. Auch die Weihnachtsfeier darf nicht fehlen. «Die Feier bei uns ist immer sehr locker und schön, einige bringen Deko mit. Dann essen wir noch etwas oder trinken einen Glühwein zusammen. Es ist einfach ausgelassen», erzählt Reinhard Eckey, Mitglied im Gemeindevorstand, in Gebärdensprache. Er ist es auch, der bei vielen Anlässen aufwendige Torten beisteuert.
«Eine gute Gemeinschaft», bilanziert Pfarrerin Sperzel, «wird nicht nur durch Gespräche getragen, sondern insbesondere durch liebevolle Gesten.»
Bischöfin: Seltene Orte

Die Bedeutung der Arbeit hat Bischöfin Dr. Beate Hofmann bei einer Tagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Evangelische Gehörlosenseelorge in Hofgeismar betont: «Immer wieder erleben Gehörlose: Sie werden abgelehnt und benachteiligt. Sie werden übersehen. Andere sprechen nicht mit ihnen, sondern über sie. Es gibt nur wenige Orte, wo sie sich ganz selbstverständlich in Gebärdensprache verständigen können. Die Gehörlosengemeinden gehören zu diesen seltenen Orten.»

«Advent: Auf dem Weg» als E-Paper
Im Zeichen des Sterns steht die Adventsausgabe des «blick in die kirche magazins». Die Redaktion hat sich zeigen lassen, wie und wo die weltberühmten Herrnhuter Sterne entstehen. Sie geht der Frage nach, wie man nach den Sternen navigieren kann und unter welchen Bedingungen Maria und Josef gereist sein könnten.
Im Advent ist man nach christlichem Verständnis auf dem Weg zur Krippe. Grund genug, Menschen vorzustellen, die in ihrem Leben noch einmal ganz neue Wege eingeschlagen haben. Und wir stellen Wegbegleiter und -begleiterinnen vor, etwa in der Gehörlosenseelsorge und am Heiligen Abend in der Kasseler Karlskirche, wo ein Fest für alle gefeiert wird, die kommen möchten. Im Interview erzählt Dr. Dagmar Pruin, Präsidentin des Hilfswerks «Brot für die Welt», wie sie sich die Hoffnung auf eine bessere Welt bewahrt und was ihr persönlicher Weihnachtwunsch ist.
Das «blick in die kirche-magazin» bietet einem großen Lesepublikum viermal im Jahr ein buntes Angebot an Themen rund um Kirche und Diakonie, aber auch darüber hinaus. Jedes Heft hat ein Titelthema, das in unterschiedlichen Formen entfaltet wird. In Interviews, Reportagen, Berichten und geistlichen Texten informiert und unterhält die Redaktion die Leserinnen und Leser. Ergänzt wird das Angebot mit Ratgeber- und Lebenshilfethemen sowie dem beliebten Preisrätsel. In einer Auflage von 245.000 Exemplaren liegt das Magazin den Tageszeitungen in Kurhessen-Waldeck bei und kann online unter blickindiekirche.de als E-Paper gelesen werden.