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TaufeKonfirmationTrauung
Stilisierte Jesus-Darstellung
Marburg / Helmut Wöllenstein, blick in die kirche
Veröffentlicht 16 Apr 2025

Eben noch waren sie alle zusammen, haben gegessen, getrunken, gesungen und gebetet. Sie haben den Passah-Abend gefeiert. Wie eine Familie, im Schein der Lichter, wenn auch schon ein Schatten über ihnen aufzog.
Jetzt geht Jesus allein mit seinen drei besten Freunden. Sie gehen aus der Stadt, durch das kleine Tal des Baches Kidron und auf der anderen Seite wieder hoch, in den Garten. In ihren Garten. Wie oft sind sie hier gewesen, gerade nachts. Unter den knorrigen Olivenbäumen. Wenn es in der Stadt stickig und heiß war und die Leute noch tranken und lärmten. Hier war es still, die Luft wohltuend kühl. Es roch nach Erde, nach Salbei und Thymian. Ein Rückzugsort. Frieden.
Vielleicht wurden noch ein paar Gedanken ausgetauscht, damit sie einen nicht die ganze Nacht wachhielten. Dann schweigen, zu den Sternen sehen, die Augen schließen und schlafen. Man ahnte an diesem Ort, wie es in dem ersten Garten gewesen sein musste, von dem die Bibel erzählt. So zauberhaft war es dort, dass Gott selbst immer wieder einmal seinen Himmel verließ und in der Abendkühle darin spazieren ging.
Aber jetzt war es anders. Jesus kam nicht zur Ruhe. Er kniete auf dem Boden, er betete, er grub die Hände in den Kies. Ganz bewusst hatte er seine Freunde ein Stück weit zurückgelassen. Er musste allein sein, um hier durchzukommen. Doch es half nichts. Das hatte er noch nie erlebt. Er war nicht mehr er selbst. Die blanke Angst hatte nach ihm gegriffen. Er zitterte, weinte. Er warf sich platt auf die Erde. Murmelte, schrie, auch wenn es keiner hören konnte. – Er wollte doch einfach nur leben, einfach nur leben! «Abba, mein Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir.» Sie werden mich töten, mein Blut wird fließen wie bei den Lämmern gestern Abend … Ich bitte dich!

«Die Angst schneidet dich von allen anderen ab»
Helmut Wöllenstein

Wie viele Menschen kennen diese Situation? Du liegst nachts wach. Tabletten helfen nicht. Morgen wirst du operiert. Morgen ist deine Prüfung, du hast schon so oft gut bestanden, aber diesmal …? Du bist an einem vertrauen Ort, in «deinem Garten» und hast doch nichts mehr im Griff. Da ist einfach nur noch Angst. – Und deine Freunde? Die, die zu dir halten wollten? Sind eingeschlafen. Haben sich verabschiedet. Keiner ist da, der mit dir wacht, sorgt oder einfach nur da sitzt. Oder es ist jemand da, und er erreicht dich nicht. Die Angst schneidet dich von allen anderen ab.
Diese Szene gehört für mich seit Kindertagen zu den Jesus-Geschichten, die mich am meisten beeindrucken. Der «Herr Jesus», diese starke Figur, der immer einen Weg weiß, immer die Ruhe behält, der so viel Vertrauen ausstrahlt, auch wenn alles drunter und drüber geht – hier hat er selbst Angst. Nur noch Angst und sonst nichts. Ist allein im Dunkeln, weint und zittert. Wie nahe habe ich ihn manchmal gefühlt. Und wie gut konnte ich dann zu ihm beten, weil er doch schon alles wusste, und ich ihm nichts erklären musste. 
Und dann schaffte er es, mich mitzunehmen, auf seinem Weg, langsam zurück ins Vertrauen. Ins Vertrauen zu seinem Vater, zu dem er beten, mit dem er ringen konnte. Am Ende immer noch oder wieder neu und noch tiefer ins Vertrauen: «Was du willst» – wird auch für mich gut sein. 
Die Geschichte hat kein Happy End. Als es hell wird, kommen die Soldaten, schwer bewaffnet und nehmen Jesus gefangen, als wäre er ein Terrorist. Einer der Freunde hatte diesen Lieblingsort verraten. Ein falscher Prozess wird ihm gemacht, korrupte Zeugen sagen gegen ihn aus. Wieder sind alle Freunde verschwunden. Jesus stirbt am Kreuz.
Erst am Ostermorgen geht ein Licht auf. Das Grab Jesu ist leer. Er lebt. Aber anders als bisher. Unbegreiflich, neu. Ganz der Alte nur darin, dass Gott ihm die Treue gehalten hat. Und dass er Gott treu blieb. Und sich selbst. Dass er seine Freunde nicht verraten hat, dass er nicht zurückgeschlagen oder die anderen verspottet hat, die ihn verspottet haben. Er war sich sicher: Auf diesem Weg kommt der Tod aus der Welt.

Unser Foto zeigt das Titelblatt des Magazins «Durch die Nacht»
«Durch die Nacht» als E-Paper

Wie erleben Menschen die Nacht? Eine Kioskbetreiberin in Hanau, ein Wohnungsloser, eine Apothekerin – das neue blick in die kirche-Magazin widmet sich dem Thema Nacht aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Auch die letzte Nacht Jesu im Garten Gethsemane wird theologisch beleuchtet.

Das Magazin, erschienen am 5. April als Beilage zur Tageszeitung und als E-Paper, begleitet Leserinnen und Leser durch nächtliche Pilgerwanderungen, die Osternacht, medizinische Aspekte des gesunden Schlafs und Probleme wie Lichtverschmutzung. Eine Nachtforscherin erklärt im Interview, warum Menschen früher in Etappen schliefen, was nächtliche Gottesbegegnung besonders macht – und woher die Redewendung «jemandem heimleuchten» stammt.

Das blick in die kirche-Magazin erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 225.000 Exemplaren als Beilage der regionalen Tageszeitungen in Kurhessen-Waldeck. Es bietet Interviews, Reportagen, geistliche Impulse sowie Lebenshilfe und Ratgeberthemen – ergänzt durch ein beliebtes Preisrätsel.