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Die Kasseler Martinskirche wurde in der Bombennacht vom 22. Oktober 1943 stark beschädigt. Die Osanna-Glocke der Kirche läutet jedes Jahr an dem Abend der Nacht zur Erinnerung an die Ereignisse.

Die Kasseler Martinskirche wurde in der Bombennacht vom 22. Oktober 1943 stark beschädigt. Die Osanna-Glocke der Kirche läutet jedes Jahr an dem Abend der Nacht zur Erinnerung an die Ereignisse.

Kassel / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 21 Okt 2025

«Teil der Nagelkreuzgemeinschaft zu sein, bedeutet auch regelmäßige Formate wie das Nagelkreuzgebet oder den Nagelkreuzsonntag in der Martinskirche auszurichten», erklärt Stadtdekan Dr. Michael Glöckner. Er hatte gemeinsam mit einer achtköpfigen Delegation aus Kassel im Frühjahr an einer Pilgerreise («Pilgrimage») nach Coventry teilgenommen, um sich von der dort gelebten Versöhnungsarbeit inspirieren zu lassen. Zur Gruppe gehörten unter anderem Pröpstin Katrin Wienold-Hocke und Dr. Hans Helmut Horn, Vorsitzender des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde Kassel-Mitte.

Der Festgottesdienst fand am Mittwoch, 22. Oktober, um 18 Uhr in der Martinskirche statt. Mitwirkende waren Bischöfin Dr. Beate Hofmann (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck), Stadtdekan Dr. Michael Glöckner, Pastoralreferent Stefan Ahr (Katholisches Dekanat Kassel-Hofgeismar) sowie Kassels Oberbürgermeister Dr. Sven Schoeller. Die Osanna-Glocke wurde geläutet. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von der Kantorei St. Martin unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Eckhard Manz mit der Motette «Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen» von Johannes Brahms.

Im Anschluss an den Gottesdienst stellten sich bei einem Empfang Kasseler Initiativen vor, die sich in der Versöhnungs- und Friedensarbeit engagieren.

Nagelkreuz von Coventry: Unser Foto das Kreuz in der Nikolaikirche, Kiel

Nagelkreuz von Coventry: Unser Foto das Kreuz in der Nikolaikirche, Kiel

Das Nagelkreuz von Coventry

Die Nagelkreuzgemeinschaft geht auf die Kathedrale der englischen Stadt Coventry zurück. Am 14. November 1940 wurde die Stadt bei einem Luftangriff der deutschen Luftwaffe schwer zerstört. Auch die mittelalterliche Kathedrale fiel den Bomben zum Opfer. Der damalige Dompropst Richard Howard rief in seiner Weihnachtsbotschaft zur Versöhnung auf. 

Drei große Zimmermannsnägel aus dem Dachstuhl der zerstörten Kirche wurden zu einem Kreuz geschmiedet – als Zeichen für Frieden und Hoffnung. Dieses Nagelkreuz wurde zum Symbol einer weltweiten Bewegung. Das älteste Nagelkreuz hängt seit 1947 in der Kieler Nikolai-Kirche. In Hessen gibt es weitere Nagelkreuzzentren in Darmstadt und Hanau.

Versöhnungsgebet von Coventry

Vater vergib! - Nach der Zerstörung der Kathedrale von Coventry am 14./15. November 1940 durch deutsche Bombenangriffe ließ der damalige Dompropst Richard Howard die Worte «Vater vergib» in die Chorwand der Ruine meißeln.

Diese Worte bestimmen das Versöhnungsgebet von Coventry, das die Aufgabe der Versöhnung in der weltweiten Christenheit umschreibt. Das Gebet wurde 1958 formuliert und wird seitdem an jedem Freitagmittag um 12 Uhr im Chorraum der Ruine der alten Kathedrale in Coventry und in vielen Nagelkreuzzentren der Welt gebetet.

Wir dokumentieren im Wortlaut: 

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. (Römer 3, 23)

Den Hass, der Nation von Nation trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,

Vater, vergib.

Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,

Vater, vergib.

Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,

Vater, vergib.

Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,

Vater, vergib.

Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,

Vater, vergib.

Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,

Vater, vergib.

Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,

Vater, vergib.

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4, 32)

Die Ereignisse am 22. Oktober 1943 in Kassel

Am 22. Oktober 1943 warfen alliierte Fliegerverbände Bomben im Zweiten Weltkrieg auf Kassel ab. Bei dem Angriff fanden 10.000 Menschen den Tod, große Teile der Stadt wurden weitgehend verwüstet. Traditionell läuteten die Osanna-Glocke der Martinskirche sowie weitere Glocken im Stadtgebiet ab 20.44 Uhr zehn Minuten lang, um an das Ereignis zu erinnern. Um die Uhrzeit begann der Bombenangriff, bei dem über 400.000 Sprengkörper auf Kassel abgeworfen wurden. Bis heute werden immer noch Blindgänger im Stadtgebiet entdeckt.

Zeitzeugen berichten im Video der Stadt Kassel über die Kasseler Bombennacht 1943.

Es war ein Ereignis mit geradezu apokalyptischem Ausmaß, das die Stadt heimsuchte. Um 20.17 Uhr warnten die Sirenen die rund 225.000 Menschen im Stadtgebiet, nur wenige Minuten später griffen die alliierten Fliegerverbände an, heißt es auf den Internetseiten des Stadtportals Kassel über die Zerstörung. Binnen eineinhalb Stunden hatten etwa 500 Flugzeuge mehr als 400.000 Brandbomben abgeworfen - das sind in bestimmen Arealen der Altstadt zwei pro Quadratmeter gewesen. Und der riesige nächtliche Feuerschein war noch aus über 50 Kilometern Entfernung sichtbar.

Kassel war nach diesem Angriff nicht mehr dieselbe Stadt: 85 Prozent der Wohnungen und 65 Prozent der Industrieanlagen waren zerstört. Der in der mittelalterlichen Altstadt entfachte Feuersturm, vernichtete 97 Prozent der größtenteils aus Fachwerk bestehenden Häuser. Die Opferzahlen wurden mit bis zu 10.000 Toten angegeben, hinzu kamen unzählige Verletzte. Das Ausmaß des körperlichen und seelischen Leides in jener Bombennacht ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Fast jeder, der die Bombardierung überlebte, hatte Angehörige oder Freunde verloren. Die meisten der Einwohnerinnen und Einwohner hatten ihr sämtliches Hab und Gut verloren.

Hinweis zur Fotoverwendung: Das auf dieser Seite von Wikimedia verwendete Foto «Nagelkreuz von Coventry» stammt von Concord und wurde im Zuschnitt verändert und der Hintergrund generativ erweitert. Das Foto steht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0