In die Musik fallen lassen: Lea Müller mit ihrer Trompete
Manches Problem wird einfach weggeblasen
Ein Gedanke oder ein Problem, das sie den ganzen Tag beschäftigt hat, ohne der Lösung einen Schritt näherzukommen. Und dann, mitten im Musikstück, löst sich der Gedanke, die Antwort ist plötzlich da. So geht es Lea Müller manchmal, wenn sie ihre Trompete spielt.
Das Blasinstrument hat in der Familie der 29-Jährigen Tradition. Ihr Opa spielte schon lange, als die damals Achtjährige auch zur Trompete griff. Sie erinnert sich an die Tage bei den Großeltern, nach dem Mittagessen musizierte sie erst gemeinsam mit Opa, dann wurden Hausaufgaben gemacht, dafür war die Oma zuständig.
In der Jungbläserkirche in Neuenstein fing die Achtjährige damals an. „Ich fand es cool, in der Gruppe zu lernen“, erinnert sie sich. Im Posaunenchor war sie die Jüngste, während ihr Großvater – über 80 – der Älteste war. Bis heute ist ihr das Gemeinschaftserlebnis der Musik wichtig. Mit anderen zum Lob Gottes zu spielen, wie die Theologin es ganz bewusst formuliert, das sei gut und wohltuend. Aber nicht nur Kirchenmusik, auch weltliche Klänge mag sie und freut sich, wenn sie gemeinsam mit anderen an Arrangements feilt, die Stücke weiterentwickelt und damit dann auftritt. Die Faszination war so groß, dass Müller irgendwann auch Saxophon und schließlich Waldhorn lernte – und lächelnd erzählt, dass manche das Instrument leicht spöttisch „Glücksspirale“ nennen, weil die Töne so schwer zu treffen seien.
Lea Müller hatte sogar einmal überlegt, Musik zu studieren, ist aber jetzt ganz froh, das nicht gemacht zu haben. Vielleicht wäre der Zugang zur Musik ihr dann zu verkopft geworden. Lieber ist es ihr, dass sie sagen kann: „Musik ist etwas, wo ich mich richtig fallen lassen kann.“ So studierte sie Theologie und ist derzeit Vikarin in Bad Hersfeld. Sie will also Pfarrerin werden. Und sicher gibt es im Pfarramt auch mal hartnäckige Gedanken, die sich hoffentlich am Abend auflösen – mit Trompetenmusik.
Ode an die Königin der Instrumente
Freundschaft ist das, was Freude schafft. Manchmal schafft einen auch die Freude – über die lauten Akkorde, die man nicht trifft, und die einem ins Mark fahren ... durch alle Kapillaren unbarmherzig zeigen, dass man noch zu üben hat. Klingt nach Werkstatt.
Also versuch' ich, mich abzulenken ... Streiche mit der Hand über das weiche Holz mit den exakten Kanten, wippe an jeder neuen Wippe, kippe dann eine, kappe die andere, tippe auf dem dritten Manual in die Mitte – erwische die Vox coelestis; die „Stimme des Himmels“ – zart sphärisch, luftig leicht und auch irgendwie verstimmt magisch.
Das sachte Summen deiner Streicherstimmen ist wie die Blüte vom Klatschmohn. Meine Fingerkuppen berühren beim Hören die Tasten so sanft, wie es nicht zu finden ist in der Notation – sondern nur im Prozess von hören und fühlen. Abwechselnd, Gleichzeitig und nie einseitig.
Dein Zinn klingt so rein. Es erzählt von Sehnsucht – vom Sein. Ich arbeite mit dir zusammen und bleib dabei doch als Person allein. Allein nicht im Sinne von einsam, sondern mehr als frei und neutral. Deine Fülle an Farbigkeit ist nicht zu überbieten. EIN Instrument und das orchestral.
Die Orgelmusik zu definieren ist so, wie etwas über die Seele zu formulieren. Viele haben es getan, manche kamen dicht heran. Beide haben allerdings eine Verwandtschaft. Denn sie sind ein Zusammenwirken.
Gefühle, Denken, Empfindungen, Gemüt, Herz, Psyche ... Schreinerei, Intonation, Technik, Komposition, Interpretation ... und was bleibt, ist Faszination und mit jedem noch so kleinen Ton, der sanft durch die Luft schwebt, wird die Seele berührt, von dem was sie verwirrt, was um sie umherirrt und was sie spürt. So ist deine Freundschaft also: ehrlich und rätselhaft.
Lässt Töne sanft durch die Luft schweben: Kornelia Kupski aus Melsungen
Wo man sich ohne Worte versteht: Lilli Bonas in der Emmauskirche Kassel, wo sie im Jugendchor singt
Den Stress der ganzen Woche raussingen
Rote Wangen, die blonden langen Haare ein bisschen feucht, in Jeans und rotem Nicki, so kommt Lilli zur Chorprobe in der Kasseler Emmauskirche gelaufen. Der Regen, eine kleine Busverspätung – sie muss erstmal durchatmen. Freitag, später Nachmittag.
Lilli, Gymnasiastin, die ab Sommer die 11. Klassenstufe besucht, ist 16 Jahre alt; was das Singen angeht, allerdings bereits ein alter Hase. Seit ihrem sechsten Lebensjahr war sie Mitglied im Kinder-, dann im Jugendchor der Emmauskirche am Kasseler Brasselsberg. An den Anfang kann sie sich kaum noch erinnern, erzählt sie. Aufgewachsen in einer Familie, in der man in die Kirche ging und den christlichen Glauben lebte, gehörte das Singen im Gottesdienst und bald auch im Chor einfach dazu. Ebenso wie die Musik.
Lilli sagt, es gebe ja unterschiedliche Orientierungen in Familien, manche seien sehr sportlich – ihre aber, so erklärt sie lächelnd, sei schon immer deutlich eine Musik-Familie gewesen. Früher hat Lilli auch Klavier gespielt, inzwischen ist sie zur Geige gewechselt, und ihre 14-jährige Schwester, die ebenfalls im Chor singt, spielt Horn. Im Chor singen, das klingt viel zu sachlich. Mit Lillis Worten ist es hier, in der etwa dreißigköpfigen Gruppe „total toll“. Ihre Begeisterung umfasst alles, angefangen bei der Musik – zur Zeit übt das Kantorenehepaar mit den Jugendlichen für ein Queen-Konzert und trifft damit offensichtlich exakt den Geschmack der Sängerinnen und Sänger. Sie seien nicht streng mit den Jugendlichen, sondern das Tun „spielerisch“ und der Kontakt „wie Freunde“.
Dann: die Gemeinschaft! Es seien alles so aufgeschlossene Leute, findet Lilli; Konkurrenz wie in der Schule gebe es nicht, vielmehr seien sich alle bewusst, dass sie nur gemeinsam gut sind, nur im Einklang musizieren können. Und sie genießen das, auch, dass sich hier Jungen und Mädchen unverkrampft begegnen. „Es gibt ja so Hobbys“, sagt Lilli, „da quält man sich hin ...“ Hier aber: von Anfang an gute Laune.
Eine schlimme Zeit waren für den Jugendchor die Corona-Jahre. „Total fertig“ sei sie gewesen, erinnert sich Lilli. „Diese Isoliertheit – und dann kein Chor, das war das Schlimmste.“ Was für eine Befreiung, als es wieder losging.
Auch in einer persönlichen Krise habe der Chor ihr sehr geholfen, sagt Lilli. Sie war 13, als sich psychische Probleme zeigten, eine Essstörung. Zum Glück überwunden – und der Chor, „der war immer da, der trägt einen, egal was ich mache oder wie ich drauf bin“.
Kein Wunder also, dass der Freitag bis heute Lillis Lieblingswochentag ist. „Man kann sich in den Liedern den Stress der Woche raussingen“, so beschreibt sie den Effekt; „Anspannung in Entspannung“. Zwar hat sie ihre besten Freunde in der Schule, schließlich ist man dort täglich zusammen. Aber die ganz besonderen, diejenigen, die einen ohne Worte verstehen, die ganz verlässlichen, die trifft sie am Freitag im Chor.
Und wo wird ihr Weg weiter hinführen? Erstmal Abi, sagt sie. Dann Europareise. Beruf? Vielleicht Psychotherapeutin. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass es davon viel zu wenige gibt. Die Musik will sie sich auf alle Fälle als Hobby erhalten. Auch im Chor singen? Sie nickt. „Das möchte ich. Werde immer Leute finden. Da bin ich zuversichtlich!“
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