Meine Suche

TaufeKonfirmationTrauung
Abendliche Naturszene mit Sonnenuntergang, einem Baum und Menschen
Trier / Fragen: Olaf Dellit, blick in die kirche
Veröffentlicht 03 Apr 2025

Marlene Fritsch hat sich in einem Buch mit der Nacht in all ihren Facetten beschäftigt. Im Interview spricht sie über den Schlaf in Etappen, die Finsterstunde und darüber, warum die Nacht für Religionen eine besondere Bedeutung hat.

Hallo, Frau Fritsch. Wie haben Sie heute geschlafen?

Marlene Fritsch: (lacht) Relativ gut.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass es bis zum 18. Jahrhundert üblich war, in zwei Etappen zu schlafen. Was hat es damit auf sich?

Fritsch: Ich fand das eine spannende Entdeckung. Heute heißt es in vielen Zusammenhängen, man brauche acht Stunden Schlaf, um gesund zu bleiben. Früher war es dagegen nicht unüblich, dass man zweimal vier Stunden geschlafen hat. Es gab noch keine Straßenbeleuchtung, also ist man ins Bett gegangen, wenn es dunkel wurde – nicht zuletzt, weil man vom Tagwerk rechtschaffen müde war. Man schlief ungefähr bis Mitternacht, stand dann noch einmal auf, hat vielleicht noch einmal Hausarbeit gemacht oder am Kamin gesessen. Oder mit anderen, die wach waren, nachts Gespräche geführt.
Man hat versucht, einfach die Zeit zu genießen und anschließend in einer zweiten Etappe zu schlafen. Wahrscheinlich galt das aber vor allem für Menschen, die sich erstens Kerzen leisten konnten und zweitens körperlich nicht völlig erschöpft waren von der Arbeit. Im Französischen und im Englischen gibt es sogar Wörter dafür. Im Englischen heißt es «the Watch», also «die Wacht», eine Zeit, in der man wach und auch wachsam war. Im Französischen gibt es dafür das Wort «dorveiller»: halb schlafen (dormir), halb wachen (veiller).

Heute sind die Nächte hell erleuchtet. Wie war das vor über 100 Jahren? 

Fritsch: Sehr dunkel, zumindest auf dem Land. Straßenbeleuchtung gibt es noch nicht so lange.
Unsere Großeltern kennen das vielleicht noch aus der Zeit des Krieges, als Verdunkelung angeordnet war und kein Lichtstrahl nach außen dringen durfte. Man hat also in einer mondlosen Nacht oft seine eigenen Füße nicht mehr sehen können. Da blieben viele wohl eher drin.

In den Städten war es anders?

Fritsch: Dort gab es immerhin bald die Nachtwächter, die die Laternen angezündet oder einem heimgeleuchtet haben – vor allem jenen, die sich das leisten konnten. Da kommt die Redewendung her.

Da wurde wirklich jemand mit einer Laterne nach Hause gebracht?

Fritsch: Genau.

Sie haben auch erzählt, dass nachts Straßen gesperrt waren.

Fritsch: Unbefestigte Wege und Straßen, in denen es sehr dunkel und gefährlich war, wurden mit Ketten abgesperrt, die durfte man nicht betreten. Man kann sich gut vorstellen: Wenn man seine Füße nicht sehen kann, tritt man im Dunklen schnell in ein Schlagloch oder auf einen Stein und knickt um oder bricht sich etwas.

Buchverlosung
Buch »Heilige Nächte«

In ihrem Buch «Heilige Nächte» (Vier-Türme-Verlag) geht Marlene Fritsch auf Spurensuche. Welche Rolle spielt die Nacht in Geschichte, Kunst, Bibel und Religionen? Sie blickt auf die «Gezeiten der Nacht», aber auch auf Heilige Nächte, von Weihnachten über die Raunächte bis zu Halloween. Eine gut lesbare Entdeckungsreise zwischen blauer Stunde und Dämmerung. Wir verlosen drei Exemplare. Wenn Sie gewinnen wollen, schreiben Sie bis 26. April mit dem Stichwort «Heilige Nächte» an:

Redaktion blick in die kirche
Heinrich-Wimmer-Straße 4
34131 Kassel
E-Mail: gewinnen@blickindiekirche.de

(Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)

Nachts kommen Geister und Werwölfe, sagt man. Was ist die «Finsterstunde»?

Fritsch: Die Stunde, in der es am dunkelsten und kältesten ist. Meistens ist das kurz vor dem Beginn der Dämmerung. In dieser Zeit ist es nicht nur extrem dunkel, man nimmt auch Ängste am deutlichsten wahr in dieser Zeit, was mit verschiedenen Hormonen im menschlichen Körper zu tun hat. Wenn man dann wach wird, empfindet man vieles als bedrohlich, worüber man am Tag dann schmunzeln muss – Gedanken wie Gegenstände im Dunkeln.

Und für die Einsamen sind Nächte noch einsamer?

Fritsch: Wenn man unfreiwillig allein ist, einen Verlust erlitten hat, dann wird einem in der Nacht das leere Bett nebenan noch viel bewusster. Und auch, wie sehr einem die körperliche Nähe des anderen fehlt. Dunkelheit verstärkt Einsamkeit, man fühlt sie intensiver, ähnlich wie die Ängste.

Wenn es wirklich stockdunkel ist …

Fritsch: In echter Dunkelheit fühlt man sich abgeschnitten, wie taub, wenn es zudem noch still ist. Das kann sich anfühlen, wie lebendig begraben zu sein.

«Nachts führt man andere Gespräche als am helllichten Tag.»
Marlene Fritsch

Es gibt viele Metaphern wie «dunkle Nacht der Seele» für Depressionen oder «Schlafes Bruder» für den Tod. Aber kann die Nacht nicht auch guttun?

Fritsch: Also, ich mag Nächte persönlich sehr gerne. Vieles ist zum Beispiel in der Nacht leichter zu sagen. Die Nacht kann eine vertraute Atmosphäre bieten, sodass man sich als Mensch näherkommt – nicht nur körperlich, sondern auch im Gespräch. Nachts und bei Kerzenschein führt man andere Gespräche als am helllichten Tag.

Können Sie die «blaue Stunde» beschreiben, die Sie so lieben?

Fritsch: Es ist wunderschön, wenn sich die Dämmerung auf die Landschaft legt, der Dunst aufsteigt und das Land wie unter einem weichen Mantel verschwindet. Einerseits kommen die Konturen deutlicher heraus, andererseits legt sich so ein sanfter Glanz darauf. Man kann die Zeit vergehen sehen. Dieses Gleiten in die Nacht, den Unterschied zwischen hell und dunkel intensiv zu erleben, das ist Meditation für mich.

Sie sprechen über die Nacht als «Zeit Gottes». Wie kann man das verstehen?

Fritsch: Auch das liegt daran, dass man in der Nacht die Dinge intensiver empfindet und erfährt. Am Tag geht das allermeiste über die Augen. Die sind aber in der Dunkelheit ausgeschaltet, also ist man aufs Hören angewiesen und nimmt mehr wahr.
Ich glaube, dass in dieser Zeit der Weg nach oben, die Aufmerksamkeit für dieses «Mehr» im Leben, offener ist. Da kommt sozusagen ein göttlicher Sinn dazu, den man in der Nacht deutlicher spürt. Diese Intimität, die es sonst in Gesprächen gibt, entsteht auch im Zwiegespräch mit Gott.

Die großen christlichen Erzählungen, Weihnachten und Ostern, haben mit der Nacht zu tun. Warum ist das wichtig?

Fritsch: In vielen Religionen spielt dieser Kontakt der Menschen zu Gott in der Nacht eine große Rolle. In der Heiligen Nacht oder Weih-Nacht wird es ganz deutlich: Da scheint der Himmel offen, wenn die Engel die Gottesgeburt verkünden.
In der Osternacht ist es noch extremer, weil da deutlich wird, wie das Leben auf der Erde funktioniert. Es ist das, was man in der Osterzeit auch in der Natur beobachten kann: Der Tod ist nicht das Ende, aus dem Dunkel der Nacht leuchtet ein Licht, entsteht neues Leben. Wenn man so will, wird genau das in der Osternacht gefeiert, symbolisiert und personalisiert in Jesus, der von den Toten aufersteht.

Als Schlussfrage: Wir würden Sie sich eine perfekte Nacht wünschen?

Fritsch: Ich würde sie auf jeden Fall draußen verbringen. Wahrscheinlich in einer Sommernacht bei einem Picknick irgendwo, wo man sehr gut den Sternenhimmel sehen und genießen kann. Vollmond dürfte dann auch noch sein.

Marlene Fritsch

Marlene Fritsch

Zur Person

Marlene Fritsch (52) hat Germanistik studiert und wollte ursprünglich Lehrerin werden. Doch ihre Liebe für Bücher überwog, sodass sie Lektorin in einem Verlag wurde und sich schließlich selbstständig machte. Sie arbeitet als Autorin, freie Lektorin und Herausgeberin. In ihrer Freizeit ist Fritsch viel im Freien unterwegs, sie wandert gerne und ist auch Wanderführerin. Weitere Hobbys sind ein Chor und eine Band sowie Kickboxen. Außerdem hat sie eine Fortbildung zur Trauerbegleiterin absolviert. Die Autorin lebt in Trier. 

www.marlene-fritsch.de

Unser Foto zeigt das Titelblatt des Magazins «Durch die Nacht»
«Durch die Nacht» als E-Paper

Wie erleben Menschen die Nacht? Eine Kioskbetreiberin in Hanau, ein Wohnungsloser, eine Apothekerin – das neue blick in die kirche-Magazin widmet sich dem Thema Nacht aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Auch die letzte Nacht Jesu im Garten Gethsemane wird theologisch beleuchtet.

Das Magazin, erschienen am 5. April als Beilage zur Tageszeitung und als E-Paper, begleitet Leserinnen und Leser durch nächtliche Pilgerwanderungen, die Osternacht, medizinische Aspekte des gesunden Schlafs und Probleme wie Lichtverschmutzung. Eine Nachtforscherin erklärt im Interview, warum Menschen früher in Etappen schliefen, was nächtliche Gottesbegegnung besonders macht – und woher die Redewendung «jemandem heimleuchten» stammt.

Das blick in die kirche-Magazin erscheint vierteljährlich in einer Auflage von 225.000 Exemplaren als Beilage der regionalen Tageszeitungen in Kurhessen-Waldeck. Es bietet Interviews, Reportagen, geistliche Impulse sowie Lebenshilfe und Ratgeberthemen – ergänzt durch ein beliebtes Preisrätsel.