Nach Angaben von #LastSeen wurden am 8. Dezember 1941 insgesamt 132 Jüdinnen und Juden aus Fulda deportiert, die meisten kamen ins Getto Riga. Von den 132 Deportierten überlebten nur zwölf den Holocaust.
Die neu entdeckten Fotos aus Fulda hätten eine ungewöhnliche Fundgeschichte, sagte die Projektleiterin Alina Bothe von der Freien Universität Berlin. Sie entstammten einem Video-Interview aus den 1990er Jahren mit der Fuldaer Überlebenden Miriam Berline in den USA. Berline, die 1939 ins Exil ging, sei mittlerweile verstorben. Ihre Familie finde die Originalfotos nicht mehr.
Personen gut zu erkennen
Auf den Fotos seien die Personen gut zu erkennen, doch konnte nur eine identifiziert werden, berichtete Bothe. Es handele sich um eine Krankenschwester, die 1944 aus Riga ins Konzentrationslager Stutthof bei Danzig deportiert wurde, das sie Bothe zufolge wahrscheinlich nicht überlebte.
Zusätzlich zu den beiden neu entdeckten Fotos gebe es drei bereits bekannte Aufnahmen im Archiv des jüdischen YIVO-Instituts in New York. «Es gab mindestens fünf Fotos von dieser Situation am Bahnhof», erklärte Bothe. Man wisse aber nicht, ob noch mehr Bilder existierten und wie sie zu Miriam Berline gelangten. «Viele Emigranten wurden zu Wächtern dieser Fotos.»
Das Projekt #LastSeen
Das Projekt #LastSeen («zuletzt gesehen») startete 2021. Ziel sei es, alle Bilder der Deportationen aus dem Deutschen Reich systematisch zu erfassen und «den Moment des Ausschlusses aus der bürgerlichen Gesellschaft» zu dokumentieren, erläuterte die Projektleiterin. Mittlerweile haben die Forschenden mehr als 400 Bilder aus rund 35 Orten online gestellt.
Dabei handele es sich allerdings nur um «einen Bruchteil» der vermutlich vorhandenen Fotos. So lägen ihnen bisher beispielsweise aus Berlin oder Frankfurt am Main überhaupt keine Bilder von Deportationen vor. Möglicherweise habe man sie verschwinden lassen, oder sie wurden «fehlzugeordnet». Die Historikerin rechnet damit, dass in privaten und öffentlichen Archiven noch viele Fotos liegen.
Das Projekt #LastSeen versuche, die Personen auf den Bildern zu identifizieren und «mit eigenen Geschichten zu versehen». Dazu arbeiteten die Forschenden oft mit Lokalhistorikern zusammen. In Fulda sei das eine freiwillige Jugendgruppe gewesen, die versuchte, eine genaue Geo-Lokalisation vorzunehmen und die biografische Situation der Krankenschwester zu recherchieren.
Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden nach Angaben von #LastSeen zwischen 1938 und 1945 mehr als 200.000 Menschen aus dem Deutschen Reich deportiert, die meisten von ihnen in Gettos und Vernichtungslager im besetzten Osteuropa.