Es ist strittig, ob es diese Reise wirklich gab. Der Althistoriker Werner Dahlheim etwa schreibt: «Die Erzählung des Lukas, so unsterblich sie auch sein mag, entspringt keiner historischen Recherche.» Sein Kollege Andreas Gerstacker dagegen hält Lukas für vertrauenswürdig. Diese Debatte muss hier nicht entschieden werden. Für diese Rekonstruktion nehmen wir an, dass Maria und Josef sich tatsächlich auf den Weg machten.
Nazareth
Startpunkt war das kleine Nazareth, ein unbedeutender Ort, eher ein Bauerndorf als eine Stadt. Die Einwohner waren leicht an ihrem Akzent zu erkennen und galten Städtern eher als Hinterwäldler. Viele Menschen lebten in Höhlen im Fels, manche mit einem kleinen Haus als Vorbau. Geschlafen wurde auf Matten, die tagsüber zusammengerollt in der Ecke standen, gekocht wurde auf einer Feuerstelle. Josef war Handwerker, eher ein Baumeister als – wie oft übersetzt wird – ein Zimmermann, denn Holzbauten gab es kaum.
Die Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft war in dieser Zeit viel gefährlicher als heute. Es gab Hebammen; schon im Alten Testament werden sie genannt, doch natürlich kein Gesundheitssystem im heutigen Sinne. Die Lebenserwartung von Frauen betrug rund 30 Jahre, zehn Jahre weniger als bei Männern. Frauen wurden oft bereits im Teenageralter schwanger. Diese Gefahren müssen auch Maria bewusst gewesen sein.
Reisen
Reisen zum eigenen Vergnügen waren in der Zeit von Jesu Geburt unbekannt. Vielmehr war das Reisen mit zahlreichen Gefahren, vor allem durch Räuber, verbunden. Daher war man mindestens zu zweit, besser in einer Gruppe oder als Karawane unterwegs.
Die Menschen wussten um diese Gefahren und ersuchten Gott durch Opfer, Fasten und Gebete oft um seinen Schutz. Das galt auch für den Weg von Nazareth nach Betlehem.
Unterwegs
«Die Route hinunter in die Jesreelebene und dann durch die damals dicht bewaldete Jordanebene oder durch die Berge Samarias war schwierig und gefährlich. Löwen und Bären und jede Menge Wildschweine lebten in den Wäldern und Räuber und Diebe hofften, bei wohlhabenden Reisenden ihre Beute zu machen. Die ergiebigen Winterregen machten die Wege zu Schlammpfaden und die Nachttemperaturen können im Winter bis auf 0 Grad fallen.» So beschreibt Burghard Schunkert (siehe Artikel rechts) den Weg.
Für die knapp 150 Kilometer wird das Paar wohl fünf Tage gebraucht haben, möglicherweise auch mehr – für die hochschwangere Maria dürfte es sehr beschwerlich gewesen sein, selbst wenn sie auf einem Esel gesessen haben sollte.
Gekleidet waren die Reisenden wohl in warme Wollkleidung, wenn es Winter war. Im Sommer trug man Sandalen, im Winter umwickelte man die Füße gegen die Kälte, schildert Schunkert. Als Proviant gab es wohl Wasser in alten Weinschläuchen, Oliven, Mandelkerne, getrocknete Datteln und trockenes Brot.
Auf und Ab
Die steinigen Wege führten Maria und Josef auf und ab, etliche Höhenmeter waren zu bewältigen. Nazareth liegt auf einer Höhe von 347 Metern über dem Meeresspiegel, Betlehem auf 777 Metern.
Der Journalist Peter Seewald malt sich die Szenerie so aus: «Die Felder sind abgeerntet, halb verdorrt warten die Ackerdisteln auf die Regenzeit. Von fern wirkt die Landschaft oft wie ein Meer, und die Olivenhaine schimmern darin silbern wie sich kräuselnde Wellen.»
Am Ziel
Auch Betlehem war zur Zeit der Weihnachtsgeschichte klein. Seewald schreibt: «Betlehem ist vor der Zeit Christi ein verschlafenes Nest mit etwa tausend Einwohnern, das an einem weit gefächerten Abhang klebt; dahinter beginnt die Wüste. Exakt 123 Juden, so die Chronik, waren nach der babylonischen Gefangenschaft hierher zurückgekehrt, und nie spielte der 1.000 Jahre alte Ort wirklich eine Rolle.» Das allerdings sollte sich ändern.
Die Herberge
Andreas Gerstacker geht davon aus, dass die Volkszählung, von der Lukas erzählt, sich auf Landbesitz bezog, nicht auf eine Kopfsteuer. Demnach hätte Maria dort Land offiziell deklarieren müssen, um es nicht zu verlieren. Ohne Josef als ihren Vormund wäre das nicht gegangen, möglicherweise hatte er auch selbst solchen Landbesitz.
Jedenfalls könnte das kleine Örtchen wegen dieser Zählung überfüllt gewesen sein. Sie fanden «keinen Raum in der Herberge», erzählt die Bibel. Damit sei kein Gasthaus gemeint, sagen Historiker, sondern eher das «Obergemach», das Gästezimmer. Üblicherweise sei man bei Verwandten oder Bekannten untergekommen, nicht zuletzt, weil Gastfreundschaft ein wichtiges Gebot war.
So seien Maria und Josef im Hauptraum gelandet, dem Teil des Hauses, wo auch die Futterstelle der Tiere war – die Krippe. Diese wiederum war wohl nicht, wie in vielen Krippenspielen, aus Holz gewesen, sondern ein steinerner Trog oder eine Mulde im erhöhten Fußboden. Möglich ist aber auch, dass es eine Stallhöhle war, in der die Reise von Maria und Josef endete und in der das Leben des Jesus von Nazareth begann, das bis heute Menschen in aller Welt Hoffnung gibt.

«Advent: Auf dem Weg» als E-Paper
Im Zeichen des Sterns steht die Adventsausgabe des «blick in die kirche magazins». Die Redaktion hat sich zeigen lassen, wie und wo die weltberühmten Herrnhuter Sterne entstehen. Sie geht der Frage nach, wie man nach den Sternen navigieren kann und unter welchen Bedingungen Maria und Josef gereist sein könnten.
Im Advent ist man nach christlichem Verständnis auf dem Weg zur Krippe. Grund genug, Menschen vorzustellen, die in ihrem Leben noch einmal ganz neue Wege eingeschlagen haben. Und wir stellen Wegbegleiter und -begleiterinnen vor, etwa in der Gehörlosenseelsorge und am Heiligen Abend in der Kasseler Karlskirche, wo ein Fest für alle gefeiert wird, die kommen möchten. Im Interview erzählt Dr. Dagmar Pruin, Präsidentin des Hilfswerks «Brot für die Welt», wie sie sich die Hoffnung auf eine bessere Welt bewahrt und was ihr persönlicher Weihnachtwunsch ist.
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