Eine Frau Sitzt in einem Zimmer bequem auf einem Stuhl und entspannt.
blick in die kirche / Olaf Dellit
Veröffentlicht 30 Jun 2024

Na, wie lange liegt Ihre letzte „seelische Erhebung“ zurück? Ein merkwürdiger Begriff, aber er steht in unserem Grundgesetz, das gerade 75 Jahre alt geworden ist – und stammt sogar aus einem noch älteren Gesetz. Klingt altmodisch, ist aber hochaktuell, wenn es um den Schutz der Sonntagsruhe geht, für den die Kirchen kämpfen.

Noch viel älter ist ein anderer Text, der  anschaulich macht, worum es geht. Ganz am Anfang der Bibel wird erzählt, wie Gott die Welt in sechs Tagen schuf. Und am siebten Tag tat er – nichts. Gott ruhte, sagt uns die Bibel, und er erklärte den Tag für heilig.

Arbeitsmediziner gab es damals noch nicht, aber sie bestätigen heute die Weisheit des Wechsels von Arbeit und Ruhe.So sieht Dr. Michael Vollmer, der sich in der Allianz für den freien Sonntag Hessen engagiert, einen Zusammenhang zwischen seelischen Störungen und dem gestörten Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung bzw. Aktivitäten und Erholung. Studien belegten die besondere Bedeutung von Sonn- und Feiertagen und zeigten, dass andere freie Wochentage nicht denselben positiven Effekt hätten.

Warum aber ist es nicht egal, ob ich an einem Mittwoch oder eben am Sonntag arbeitsfrei habe? „Der Sonntag ist das Andere des Alltags“, so formuliert es Fachreferentin Martina Spohr, die bei der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck für das Thema zuständig ist. Am Sonntag sei das ganze öffentliche Leben verlangsamt, es sei wahrnehmbar leiser, etwa weil Baustellen schweigen und kaum Lastwagen unterwegs sind.

In einer Arbeitswelt, in der immer häufiger Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit erwartet wird, kann der Sonn- ein Schutztag sein. „Man ist nicht gefordert und nicht fremdbestimmt“, sagt Spohr. Das gelte auch für das Einkaufen, der Konsumdruck fällt am Sonntag aus.

«Man ist nicht gefordert und nicht fremdbestimmt.»
Martina Spohr

Auch da gilt: Es ist nicht egal, ob am Sonntag die Geschäfte geöffnet sind oder nicht. Das sieht übrigens auch das Bundesverfassungsgericht so, wenn es in schönstem Juristendeutsch festhält, durch offene Läden am Sonntag gehe „eine für jedermann wahrnehmbare Geschäftigkeits- und Betriebsamkeitswirkung aus, die typischerweise den Werktagen zugeordnet wird“.

Damit hängt direkt zusammen, dass auch weniger Menschen arbeiten müssen, wenn Geschäfte geschlossen sind. Dieser Aspekt ist Martina Spohr besonders wichtig, denn Sonn- und Feiertage seien auch beste Gelegenheiten für die Beziehungspflege in Familie und Freundeskreis. Wenn alle verlässlich am selben Tag der Woche frei haben, ist es einfacher, sich zu verabreden und sich zu begegnen. (Natürlich gibt es notwendige Ausnahmen für bestimmte Berufe, etwa im Krankenhaus.)

Der Sonntag, so wie Fachfrau Spohr ihn versteht, kann und soll das ermöglichen, wofür in der Woche zu wenig Raum ist: Musik, Poesie, Nachdenken über Gott, die Welt und über sich selbst – und das sind nur einige Beispiele. Für Christen gehört oft auch der Gang in den Gottesdienst dazu. Doch der Kirchenbesuch sei nicht der wichtigste Grund, warum die Kirchen sich für den Schutz dieses Tages gegen kleinere und größere Angriffe aus Wirtschaft und Politik zur Wehr setzen, so wie derzeit im hessischen Landtag, sagt Spohr.  

Der Sonntag sei für alle gut, nicht nur für religiöse Menschen. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, der Sonntag sei auch für nicht-religiöse (profane) Zwecke wichtig, für „die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung“.

Nach der Arbeit auf andere Gedanken kommen, sich Neues ausdenken und einfach mal ausruhen: Es war schon eine ziemlich gute Idee, die Gott da mit dem siebten Tag hatte.

Allianz für den freien Sonntag

Aktiv für den Sonntagsschutz seit 2006. Die Allianzen für den freien Sonntag gibt es seit 2006. Sie setzen sich dafür ein, dass der Sonntag ein arbeitsfreier Tag bleibt. Es gibt sie nicht nur als Bundesallianz, sondern auch in vielen Ländern und Regionen in Deutschland. Und darüberhinaus: Stark ist auch die Allianz in Österreich sowie als Zusammenschluss auf Europäischer Ebene als European Sunday Alliance. 

Titelblatt des blick in die kirche-magazins Juni 2024
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