Wer mag, nimmt den Hörer in die Hand und kann aussprechen, was bislang vielleicht ungesagt war. Oder plaudert einfach darauf los, als ob am anderen Ende der Leitung gleich jemand antworte.
«Der Umgang mit Trauer ist individueller geworden, nicht jeder hat die Möglichkeit oder das Bedürfnis, am Grab einer verstorbenen Person zu trauern», beschreibt Daniel Krooß vom Kulturzentrum Schlachthof den Grund, das Windtelefon in Kassel aufzustellen. Den Wunsch, sich mit der eigenen Trauer auseinanderzusetzen, hätten viele Menschen. Doch oft nehme er eine Hilflosigkeit wahr, mit diesen Gefühlen umzugehen. «Wir möchten neue Räume und Angebote schaffen, sich der eigenen Trauer zu nähern. Das Windtelefon erschien uns ein geeigneter Ort zu sein.»
Ein Gästebuch liegt am Windtelefon aus. Dort stehen diese einladenden Zeilen: «In diesem Buch darf man traurig sein und sich erinnern. Man darf seine Gedanken teilen und aufschreiben.» Und die Einladung wird angenommen, bereits nach sechs Monaten waren die 100 Seiten gefüllt.
Die Einträge lassen erahnen, wie sehr jemand fehlt und welche Bedeutung er im Leben der schreibenden Person hat. Vom Vermissen, fehlender Zeit und großer Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit kann man dort lesen. Es finden sich auch fröhliche Geburtstagswünsche oder Zeilen, wie die an die Oma mit dem augenzwinkernden Hinweis: «Opa geht es gut; er isst immer Salat.» Nicht nur Trauer um Verstorbene hat hier Platz. Auch der Schmerz, die eigene Heimat verlassen zu haben und sich fremd und einsam zu fühlen, findet sich in den Einträgen wieder.
Zusätzlich zum Windtelefon haben die Initiatoren ergänzende Angebote für Trauernde geschaffen. In Kooperation mit dem Museum für Sepulkralkultur in Kassel werden regelmäßig Kunstworkshops veranstaltet. Das Interesse sei groß und die Kurse stets ausgebucht.
Ein wichtiger Aspekt bei der Planung der dreistündigen Workshops sei es, unterschiedliche Zugänge zu ermöglichen. In der Vergangenheit konnten Teilnehmende Gedenksteine gestalten, es gab eine Schreibwerkstatt und zuletzt wurde individueller Trauerschmuck gefertigt. Ab Oktober sollen Trauerfahnen in Linoldruck entstehen.
Das Angebot richtet sich an alle, egal ob der Trauerfall schon Jahre zurückliegt oder noch ganz frisch ist. Auch Alter, Religion und Herkunft der Teilnehmenden spielen keine Rolle. Ein vollkommen ergebnisoffener Umgang schafft Platz, mit der eigenen Trauer umzugehen.
Am 06.11. und 04.12. findet jeweils von 17:30 – 20:30 Uhr eine Trauer-Druckwerkstatt statt. Mehr dazu: www.hier-im-quartier.de/windtelefon/
mywindphone.com
Das erste Windtelefon steht in Japan im Garten des Künstlers Itaru Sasaki. Um mit seinem verstorbenen Cousin über den Wind in Kontakt zu bleiben, stellte er 2010 eine Telefonzelle auf. Ein Jahr später, nach der Tsunami-Katastrophe, machte er den Ort öffentlich zugänglich: «Kaze no denwa», das Windtelefon, wurde zum Ort des individuellen Gedenkens für Trauernde aus dem ganzen Land.
Heute gibt es weltweit über 180 Windtelefone, das zweite in Deutschland steht in Kassel. Die nächsten sind in Arbeit. Die privat betreute Webseite mywindphone.com listet Windtelefone auf der ganzen Welt auf.
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