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Aufzeichnung des Vortrags aus dem Livestream der Tagung vom 8. Mai 2025
Hofgeismar / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 09 Mai 2025

Als «Grenzland» bezeichnete Tiitus, Bischof von Südestland, sein Heimatland: zwischen NATO, Europäischer Union und Russland, zwischen West und Ost, geprägt vom lutherischen Schweden, katholischen Polen und orthodoxen Russland. «Aber wir sind auch ein Grenzland im Sinne unseres Wertebereichs, weil Estlands fester Kurs in den letzten Jahrzehnten auf westliche europäische Werte ausgerichtet war, während paradoxerweise immer noch Elemente des sowjetischen Erbes erhalten geblieben sind», sagte der Geistliche.

Bischof Marko Tiitus (r.) mit der Wanderfriedenskerze, die er mit nach Estland nehmen wird. Daneben Präses Dr. Michael Schneider.

Bischof Marko Tiitus (r.) mit der Wanderfriedenskerze, die er mit nach Estland nehmen wird. Daneben Präses Dr. Michael Schneider.

Beteiligung junger Menschen an der Gestaltung kirchlichen Lebens

Auch die Estnische Evangelisch-Lutherische Kirche sei eine Art «Grenzkirche», die die Tradition einer Volkskirche mit dem aktuellen Selbstverständnis einer missionarischen Kirche in der säkularen Gesellschaft verbinde, erläuterte Tiitus. War Estland vor dem Zweiten Weltkrieg ein überwiegend lutherisch geprägtes Land, so seien dort heute alle christlichen Kirchen Minderheitskirchen. Nur 29 Prozent bezeichneten sich als religiös, nur 26 Prozent fühlten sich einer christlichen Kirche zugehörig, berichtete der Bischof. Er sehe es als einen Auftrag für die Kirche, sich auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu konzentrieren. Die EELK wolle die Beteiligung junger Menschen an der Kirchenleitung und der Gestaltung des kirchlichen Lebens erhöhen, «weil ihnen die Zukunft gehört und sie hoffentlich in einer friedlicheren, gerechteren und menschlicheren Welt leben werden als wir».

Vortrag im Wortlaut

Vortrag von Bischof Marko Tiitus am 8. Mai 2025 zur Situation in Estland und in der Estnischen Kirche im Rahmen der Frühjahrstagung der Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in Hofgeismar. Das Dokument enthält den Vortrag in deustcher und englischer Sprache.

Gefühl der Bedrohung und Unsicherheit

Die aktuelle Situation sei angespannt: «Heute lebt die estnische Gesellschaft an der Grenze von Krieg und Frieden, von Unsicherheit und Hoffnung», schilderte Tiitus vor der Landessynode. Seit Beginn des Ukrainekriegs herrsche ein Gefühl der Bedrohung. «Radikalere nationale Verteidigungsexperten in Estland argumentieren, dass die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts mit Russland nicht eine Frage des ‚Ob‘, sondern des ‚Wann‘ ist», sagte Tiitus. So berichteten ihm örtliche Geistliche aus der Grenzregion zu Russland von den Sorgen ihrer Gemeindeglieder. «Wir versuchen, diese Ängste zu mindern, indem wir versichern, dass es derzeit keine reale Kriegsgefahr in Estland gibt», sagte Tiitus. Und doch habe auch seine Kirche zunehmend das Bedürfnis, sich für Krisen zu wappnen.

Portraitfoto von Bischof Marko Tiitus
«Wir bereiten uns auf das Leben, auf den Frieden und auf die Zukunft vor.»
Bischof Marko Tiitus

Gleichwohl wolle er nicht den Eindruck erwecken, dass die Vorbereitung auf einen Krieg derzeit die Hauptbeschäftigung der estnischen Kirche sei. «Ganz und gar nicht – wir bereiten uns auf das Leben, auf den Frieden und auf die Zukunft vor», betonte Bischof Tiitus. «Mehr denn je können wir jetzt verstehen und wertschätzen, dass das Aufwachen in einem freien und unabhängigen Estland ohne fliegende Bomben und Raketen keine Selbstverständlichkeit ist. Es ist das Ergebnis von richtigen Entscheidungen, die wir in den letzten 30 Jahren getroffen haben. Es ist möglich geworden, weil wir nicht allein sind, weil wir Partner in der Europäischen Union und der NATO haben, mit denen wir stark sind», machte Tiitus deutlich. All das sei aber auch «ein Geschenk Gottes».

In seinem Vortrag hob Bischof Marko Tiitus – er ist einer der drei Präsidenten der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) – auch die Bedeutung internationaler Beziehungen und die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen hervor. «Als kleine Kirche einer kleinen Nation wissen wir, dass wir nur mit unseren Freunden, Partnern, Unterstützern und den Verbänden und Gemeinschaften, in denen wir Mitglieder sind, stark sein können.» Dort könne die EELK ihren Beitrag leisten, um gemeinsam für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Mitgefühl in Europa und in der Welt einzutreten, erläuterte er: «Und noch wichtiger, um gemeinsam Zeugnis zu geben durch Wort und Tat vom Kommen des Reiches Gottes durch das Leben und die Lehren Jesu Christi.»

Hintergrund

Marko Tiitus ist Bischof von Südestland und zudem einer der drei Präsidenten der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Die Partnerschaft mit der Estnisch Evangelisch-Lutherischen Kirche (EELK) besteht seit den neunziger Jahren und verbindet die Kirche mit den anderen Partnerkirchen der EKKW, z.B. durch die gemeinsame Teilnahme an der sogenannten «Bischofskonsultation» oder den Frauenkonsultationen. Daneben bestehen lebendige Beziehungen zwischen den Kirchenkreisen Kirchhain-Ida Harju, Schmalkalden-Lääne und Werra-Meißner-Valga. Zudem entwickelt sich derzeit eine Partnerschaft zwischen dem Kirchenkreis Hofgeismar-Wolfhagen und der Propstei Jarva.

www.eelk.ee

Die Estnisch Evangelisch-Lutherische Kirche im Internet.