Vortrag von Dr. Karin Berkemann am Dienstagabend im Synodalsaal

Vortrag von Dr. Karin Berkemann am Dienstagabend im Synodalsaal

Hofgeismar / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 27 Nov 2024

Die Landessynode hatte Berkemann als Expertin mit entsprechender Außensicht zu dem Vortragsabend am Dienstag der Herbsttagung (26.11.) eingeladen. Anlass war der im Frühjahr angestoßene Gebäudestrategieprozess der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Dr. Karin Berkemann ist eine der Hauptinitiatorinnen des sogenannten «Kirchenmanifestes». Diese nichtkirchliche Initiative von Menschen aus den Bereichen Baukulturforschung, Architektur, Kunstgeschichte und Denkmalschutz ruft dazu auf, den Erhalt und die Nutzung von Kirchen zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu machen. 

«Immer weniger Gläubige nutzen die Kirchenräume, Kirchensteuereinnahmen sinken, immer mehr Bauten werden außer Gebrauch gestellt oder gar abgerissen», schilderte sie die aktuelle Lage und entfaltete verschiedene Funktionen vorn Kirchengebäuden:

  1. Kirchenbauten sind mehrfach codierte Orte: Sie können unterschiedliche Bedeutungen haben (Religion, Kulturerbe, Künste und Handwerk, Stadt- und Ortsbild, Gemeinwesen). Nur weil eine Funktion erlischt, werden nicht die anderen Funktionen sinnlos,
  2. Kirchbauten fordern Teilhabe: Menschen vor Ort haben ein Recht darauf, über ihre Kultur mitbestimmen zu können Dazu zählen auch Kirchen; sie sind keine rein kirchlichen Gebäude
  3. Kirchenbauten sind radikal öffentliche Orte: Sie waren nie nur rein liturgische Orte, sondern Räume, die einen Mehrwert bieten.
  4. Kirchenbauten sind nachhaltiges Kulturerbe: Sie sind eine wertvolle materielle Ressource (Umbau statt Abriss).
  5. Kirchenausstattungen gehören zum Erbe Europas (Kunstschätze, Glocken, Orgeln)
  6. Kirchenbauten sind Dritte und Vierte Orte: Orte zwischen dem eigenen Zuhause und der Arbeitsstelle – für Begegnung und Sinnerfahrung.
Portraitfoto von Dr. Karin Berkemann
«Ich habe wieder Hoffnung für das, was Kirche bedeutet.»
Dr. Karin Berkemann

«Kirchenbauten brauchen eine neue Trägerschaft», resümierte Berkemann und sprach sich für kooperative Allianzen und auch für einen pragmatischen Umgang aus. Vom Ballettstudio bis zur Lagehalle seinen viele alternative Nutzungsformen denkbar. Sie ist überzeugt, dass Kirchen große Potenziale als Begegnungsorte haben. Ihr persönliches Fazit – auch als Reaktion darauf, dass seit Mai dieses Jahres 20.000 Menschen das Manifest unterzeichneten: «Ich habe wieder Hoffnung für das, was Kirche bedeutet.»

Stichwort «Kirchenmanifest»

Mit dem im Mai 2024 veröffentlichten Kirchenmanifest und einer begleitenden Petition wurde erstmals das umfangreiche (bau-)kulturelle und sozial-gesellschaftliche Erbe der Kirchengebäude formuliert. Angesichts von drohendem Leerstand, Verfall oder Abriss von Kirchengebäuden fordert das Manifest eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über den zukünftigen Umgang mit Kirchengebäuden. Das Manifest enthält den Vorschlag, eine gemeinschaftlich getragene Stiftung oder Stiftungslandschaft zu gründen, die diese Gebäude aufnimmt, bei der Ideenfindung für neue Nutzungen hilft, Entwicklungspotenziale sichtbar macht und bei Transformationsprozessen unterstützt.

Zur Person:
Dr. Karin Berkemann

Dr. Karin Berkemann, geb. 1972, ist Diplom-Theologin und Kunsthistorikerin (M.A.). Sie absolvierte die Fortbildung «Architekt in der Denkmalpflege», ist seit 2002 tätig für freie Kirchbau-Projekte und war von 2008 bis 2010 wissenschaftliche Volontärin/Angestellte beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Seit 2013 ist sie Kustodin am Gustaf-Dalman-Institut an der Universität Greifswald, mit dem Lehrauftrag «Kulturlandschaft Palästina», 2016/17 vertrat sie dort den Lehrstuhl «Jüdische Literatur und Kultur». Zudem ist sie freie Bauforscherin sowie Mitbegründerin und -herausgeberin des Online-Magazins moderneREGIONAL.