«Zu den Konturen der Kirche der Zukunft gehört zuallererst, dass wir weiter eine hörende Kirche sein werden: eine Kirche, die auf Gottes Wort hört und auf das, was Menschen in unserem Kontext beschäftigt», erläuterte die Bischöfin. Es gehöre zu den ermutigenden Erfahrungen, «dass wir in allem Loslassen und Verändern immer wieder erleben: Die Botschaft trägt, fasziniert, spricht an. Weiterhin und immer wieder neu, bei Tauffesten oder im Gospelchor, im Flüchtlingscafé oder in der Schulseelsorge».
Säkularisierung zwingt zu neuen Formaten
Die gegenwärtige Situation benannte Bischöfin Hofmann klar: «Wir verlieren Mitglieder, wir verlieren finanzielle Ressourcen, wir verlieren durch Pensionierung viele Mitarbeitende und wir verlieren gesellschaftliche Relevanz.» Die Landeskirche ringe intensiv darum, wie angesichts veränderter Rahmenbedingungen das gelebt werde könne, was Kirche ausmacht.
Im Blick auf die zunehmende Säkularisierung stellte sie fest, dass immer mehr Menschen mit Religion nichts mehr anfangen könnten. Dieser in allen westlichen Ländern stattfindende Prozess lasse sich nicht aufhalten. «Es wird nicht mehr so werden, wie es früher einmal war», machte die Bischöfin deutlich. Darum brauche es den «Spagat, Kirchesein mit denen zu leben, die sich uns in dem verbunden fühlen, wie wir sind, und uns gleichzeitig um Kontaktflächen zu denen zu bemühen, die nicht mehr da sind oder noch nie da waren und vor allem zu denen, die noch Kirchenmitglieder sind, aber über Austritt nachdenken». Neue Formate müssten regional gedacht, kooperativ und im Miteinander verschiedener Berufsgruppen entwickelt werden.
Kirche habe nach wie vor eine große Reichweite, führte die Bischöfin aus. Viele Menschen schätzten das soziale Engagement und gingen selbstverständlich davon aus, dass Kirche von der Kita bis zur Notfallseelsorge weiterhin Angebote mache, auch wenn sie selbst dazu keinen Beitrag mehr leisteten. «Da müssen wir ganz klar sagen: Wenn ihr wollt, dass wir als Kirche weiterhin in dieser Breite Dienste für unsere Gesellschaft leisten, dann müsst ihr das auch weiterhin finanziell unterstützen, entweder durch euren Mitgliedsbeitrag, also die Kirchensteuer, oder durch verlässliche Spenden oder durch andere Formen der gesellschaftlichen Förderung», so die Bischöfin. Gleichwohl müsse man lernen, «minderheitliche» Kirche zu werden, die sich aber nicht selbst genug ist. Sie plädierte, über den Tellerrand zu schauen und mit anderen Kirchen und zivilgesellschaftlichen Bündnissen gemeinsame Ziele zu verfolgen.
Vor diesem Hintergrund beschrieb Bischöfin Hofmann die Konturen der Kirche der Zukunft.
Sie werde
- eine Kirche in Vielfalt sein. «Es wird nicht überall das gleiche kirchliche Leben geben», so die Bischöfin. Manches gelte es loszulassen, damit sich andere, neue Formen von Kirchesein entwickeln könnten.
- regio-lokal sein. Eine Kirche der Zukunft gelinge nicht, wenn jede Kirchengemeinde für sich agiert, machte die Bischöfin deutlich. «Wir müssen Kirche stärker regional denken und zusammenarbeiten.»
- ökumenisch(er) sein. Da Konfessionen an Bedeutung verlören, gelte es, künftig viele Aufgaben gemeinsam oder in gegenseitiger Ergänzung wahrzunehmen, so die Bischöfin mit Verweis auf die im Mai beschlossene Vereinbarung mit dem Bistum Fulda.
- eine segnende Kirche sein. «Wo wir Menschen ganz konkret durch Worte und Zeichen zusprechen: Gott sieht dich, Gott begleitet und stärkt dich, da lassen sich Menschen gerade in diesen unruhigen, krisenhaften Zeiten anrühren und segnen oder gar taufen», beobachtet die Bischöfin. Dies gelte es zu stärken.
- engagiert Nächstenliebe über Grenzen hinweg leben. Dies gelte besonders für Geflüchtete und Menschen aus anderen Völkern und Kulturen: «Wo wir als Gemeinden unsere Türen für Geflüchtete öffnen, wo wir durch Hausaufgabenhilfe, Sprachunterricht oder Willkommenscafés, manchmal auch durch Kirchenasyl Menschen Zuflucht und Beheimatung bieten, da geben wir ein sichtbares und spürbares Zeugnis der Liebe Gottes, die allen Menschen gilt, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion.»
- sensibel für Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt sein. «Unsere Aufgabe als Kirche ist es, durch konsequente Prävention, beherzte Intervention und entschlossene Aufarbeitung zu einer anderen Haltung und einer anderen Kultur im Umgang mit sexualisierter Gewalt zu kommen», hob die Bischöfin hervor.
- Sorgenetz sein. Sie warb dafür, ein «intensives Ineinander von Kirche und Diakonie» zu gestalten – insbesondere angesichts der immer kritischeren Situation in der Pflege.
Die Kirche der Zukunft wird eine «hörende, betende, feiernde und singende» Kirche bleiben, ist Bischöfin Hofmann überzeugt. «Menschen treffen sich, teilen Evangelium und Leben, singen, beten und feiern miteinander und öffnen sich für die Nöte und Sorgen der Menschen um sie herum», skizzierte sie und ergänzte: «Das wird bleiben, egal, wie wir uns verändern.»
«Konturen der Kirche der Zukunft»
Bericht von Bischöfin Dr. Beate Hofmann zur 6. Tagung der 14. Landessynode am 25. November 2024 in Hofgeismar im Wortlaut.