Vizepräsident Dr. Volker Knöppel (Foto: medio.tv/Schauderna)

Vizepräsident Dr. Volker Knöppel (Foto: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 26 Nov 2019

Hofgeismar (medio). Vizepräsident Dr. Volker Knöppel hat am Dienstag der Landessynode seinen Finanzbericht vorgelegt. Den Schwerpunkt des Berichts bildeten diesmal die Ergebnisse der so genannten Freiburg-Studie über die «Langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens». Der Vizepräsident ging dabei der Frage nach, wie sich die Mitgliederzahlen und das Kirchensteueraufkommen in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck langfristig entwickeln würden und welchen Einfluss man darauf nehmen könne. Weitere Themen des Berichts waren die aktuelle Kirchensteuerentwicklung, die Staatsleistungen und die Finanzanlagen der Landeskirche.

Stabiles Wirtschaftswachstum ermöglicht positive Kirchensteuerentwicklung

Dr. Knöppel erläuterte, dass sich die Kirchensteuereinnahmen in den vergangenen Jahren positiv entwickelt hätten. So sei im Jahr 2018 gegenüber dem Jahr 2017 eine Steigerung von 4,94 Prozent zu verzeichnen gewesen. Diese positive Entwicklung der Kirchenlohn- und -einkommenssteuer sei auf das hohe Beschäftigungsniveau und das stabile Wirtschaftswachstum zurückzuführen. Mit Blick auf die ersten zehn Monate des laufenden Jahres sei noch ein Wachstum von 2,04 Prozent zu beobachten, das allerdings hauptsächlich auf rückwirkend geleistete tarifliche Sonderzahlungen in verschiedenen Branchen zurückzuführen sei. Der Vizepräsident dankte herzlich den Gemeindemitgliedern für ihre Entrichtung der Kirchensteuer und anderer Zuwendungen: «Durch diesen Solidarbeitrag wird unsere vielfältige Arbeit erst ermöglicht.»

Der Vorsitzende des Finanausschusses der Landeskirche, Pfarrer Frieder Brack, im Interview zur Finanzlage und zukünftigen Finanzplanung der Landeskirche.

Freiburg-Studie prognostiziert Halbierung der Mitgliederzahl bis zum Jahr 2060

Mit Hilfe der so genannten Freiburg-Studie erläuterte Dr. Knöppel, wie sich die Mitgliederzahlen und das Kirchensteueraufkommen in der Landeskirche langfristig entwickeln würden. Die von den evangelischen Landeskirchen und den katholischen Bistümern in Auftrag gegebene Studie hatte in ihrer Projektion das Jahr 2060 in den Blick genommen. Dabei sei die zukünftige Entwicklung der Mitgliederzahlen hauptsächlich von zwei Faktoren bestimmt: von demografischen und kirchenspezifischen Faktoren. Dr. Knöppel machte deutlich, dass aufgrund der demografischen Entwicklung die Gemeindegliederzahlen in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck voraussichtlich um 38 Prozent zurückgehen würden. Geburtenrückgang, Wegzüge und Sterbefälle seien jedoch Entwicklungen, auf die die Kirche keinen Einfluss nehmen könne. Weitere 18 Prozent des prognostizierten Mitgliederrückgangs seien hingegen auf kirchenspezifische Faktoren wie einen Rückgang der evangelischen Taufen und eine Zunahme der Austritte aus der Kirche zurückzuführen. Dieser Bereich sei besonders in den Blick zu nehmen, da hier eine «echte Einflussnahme» möglich sei.

Mitgliederrückgang wird zu weniger Kirchensteuereinnahmen führen

Der Vizepräsident führte weiter aus, dass der prognostizierte Rückgang der Kirchenmitglieder um 56 Prozent unweigerlich Auswirkungen auf die Kirchensteuereinnahmen haben werde. Zurzeit zahlten 386.000 der Mitglieder Kirchensteuern. Diese Zahl werde sich laut Prognose bis zum Jahr 2060 auf 160.000 reduzieren. Aufgrund dieser Annahme rechne man mit einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen von 17 Prozent gegenüber dem Jahr 2017. Ziehe man künftige Teuerungen und Personalkostensteigerungen mit in Betracht, sei für das Jahr 2060 ein Kirchensteuerkaufkraftverlust von 60 Prozent zu erwarten. Dr. Knöppel hielt fest, dass es zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben durch Kirchensteuern keine Alternative gebe, wenn man ein breites volkskirchliches Angebot aufrechterhalten wolle. Fundraising und Freiwilliges Kirchgeld könnten den zu erwartenden Verlust der Kirchensteuereinnahmen nicht kompensieren. Das habe zur Folge, dass nach Abschluss des Reformprozesses 2026 ein weiterer Anpassungsprozess in Gang gesetzt werden müsse.

Die Taufquote erhöhen und Angebote für «Wiederentdecker von Kirche» schaffen

In der Gesamtschau der Ergebnisse zog der Vizepräsident folgendes Resümee: «Wie Sie sehen, ist die Freiburg-Studie ein Weckruf.» Man könne dieser Projektion nur entgegenwirken, wenn man die Taufquote erhöhe und die Kirchenbindung von Menschen jungen und mittleren Alters stärke. Mit Angeboten für «Wiederentdecker von Kirche» und mit spezifischen Angeboten für die benannte Altersgruppe müsse man auf die Menschen zugehen. Dr. Knöppel zeigte sich davon überzeugt: «Wir brauchen den Mut zu neuen Wegen.» 

Ablösung der Staatsleistungen nur bei voller Leistungsäquivalenz

Der Vizepräsident berichtete, es gebe politische Initiativen, die eine Ablösung der Staatsleistungen anstrebten. Auch im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung sei die Absicht formuliert, mit den Kirchen über diesen Sachverhalt ins Gespräch zu kommen. Dr. Knöppel erklärte, er könne sich eine Ablösung der Staatsleistungen grundsätzlich vorstellen; allerdings müsste die volle Leistungsäquivalenz berücksichtigt werden, denn: «Würde dieser Grundsatz keine Beachtung finden, käme der landeskirchliche Haushalt noch einmal weiter unter Druck.»

Ethisch nachhaltige Finanzanlagen

Angesichts der anhaltenden Niedrigzinspolitik und vor dem Hintergrund drohender Negativzinsen habe laut Dr. Knöppel das Finanzdezernat im Landeskirchenamt damit begonnen, schrittweise die Liquidität auf den Girokonten und den Sparbüchern abzubauen und zugunsten von Fondsanlagen umzuschichten. Der Vizepräsident betonte, dass man bei der Auswahl der Finanzpartner und der Finanzanlagen strikt die Einhaltung des EKD-Leitfadens für ethisch nachhaltige Geldanlagen einhalte. (26.11.2019)

Im Wortlaut:

Hier können Sie den Finanzbericht von Vizeräsident Dr. Knöppel im Wortlaut lesen:

PDF-Dokument

Interview:

Vizepräsident Dr. Knöppel im Interview zur Tagung der Landessynode mit Radio-Reporter Torsten Scheuermann:

Hintergrund:

Die Studie «Kirche im Umbruch. Zwischen demografischem Wandel und nachlassender Kirchenverbundenheit» (Freiburg-Studie) mit der langfristigen Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens der Universität Freiburg in Verbindung mit der EKD finden Sie hier:

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