Notfallseelsorge
Erste Hilfe für die Seele
„Erste Hilfe für den Leib“ arbeitet hoch professionell. In zehn Minuten ist Hilfe vor Ort. An Bord alles, was zum Überleben notwendig ist. Gott sei Dank!
Aber was ist mit der „Ersten Hilfe für die Seele“? Sie gehört untrennbar zum Leib. Auch sie leidet, wenn dem Menschen etwas Schlimmes passiert. Manchmal vielleicht sogar mehr als der Leib?
Erste Hilfe für die Seele hat keine Apparate. Sie hat „nur“ Menschen, die sich den geschundenen Seelen zuwenden.
Christliche Seelsorge tut das seit 2000 Jahren. Seit mehr als 20 Jahren wird dieser Erfahrungsschatz so organisiert, dass er Menschen in Notfällen zugute kommen kann. Das ist Notfallseelsorge.
In der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck gehört die Notfallseelsorge zum „Grundpastoralen Auftrag“ jeder Pfarrerin und jedes Pfarrers.
Notfallseelsorge kommt...
an Unfallorte:
Feuerwehrleute versuchen, den Verletzten aus seinem Auto zu befreien. Die Männer und Frauen vom Rettungsdienst versorgen die anderen Opfer. Die Polizei sichert die Unfallstelle, damit nicht noch mehr passiert, und befragt Zeugen.
Der Notarzt kämpft um das Leben eines Menschen. Ein Toter wird in den Leichensack gelegt.
Daneben Menschen - selbst weniger verletzt - den Schrecken im Gesicht, am ganzen Körper zitternd. Sie bangen um den Ehemann, beweinen den Toten, laufen orientierungslos umher, starren ins Leere, können den Blick nicht von dem Schrecklichen wenden, schreien, Kinder weinen.
Die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst haben alle Hände voll zu tun.
Wer leistet die "Erste Hilfe für die Seele?"
in Häuser:
Der alte Mann ist am Frühstückstisch plötzlich zusammengebrochen. Der Notarzt ist schnell da. Reanimation. Zehn Minuten. Zwanzig Minuten. Ohne Erfolg. Der Notarzt muss gehen. Zurück bleibt eine alte Frau, allein mit ihrem toten Mann. Fast das ganze Leben hatten sie geteilt. Das ist nun vorbei. Von einer Minute auf die andere.
Wer leistet "Erste Hilfe für die Seele?"
mit einer schlimmen Nachricht:
"Wir haben eine schlimme Nachricht für Sie." Polizist*in und Notfallseeslsorger*in müssen den fassungslos erschrockenen Blick des Menschen aushalten, dem gesagt wird: "Ihr Mann, Ihre Frau, Ihr Kind ist tot!"
Die Polizei bleibt, bis alle sachlichen Fragen beantwortet sind: Was ist passiert? Wie ist es passiert? Kann ich die Tote/den Toten noch mal sehen?
Der/die Notfallseelsorger*in bleibt. Die Fragen sind: Warum? Wie kann Gott das zulassen? Wer ist schuld? Wie soll ich jetzt weiterleben? Das alles ist so sinnlos!
...wenn der Seele von einer Sekunde auf die andere eine tiefe Wunde gerissen wird. Dazu braucht es Menschen, die denen beistehen, die verzweifelt versuchen, das Unfassbare zu fassen. Notfallseelsorge gibt keine vorschnellen Antworten, gibt der Verzweiflung aber einen geschützten Raum und versucht, die Hoffnung anzubahnen, dass das Leben trotz und mit dem schlimmen Verlust weitergehen wird. Dies auch, um einer posttraumatischen Belastungsstörung vorzubeugen.
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