v.l.: Dekan Dr. Martin Lückhoff, Behud Yilmaz und Imam Mustafa Macit Bozkurt (Islamischer Verein Hanau) mit einem Plakat zur Aktion in Hanau. Im Hintergrund ist eine der Stellwände zu sehen, an die Zettel mit Klagen und Hoffnungen geheftet werden konnten. (Foto: Kirchenkreis Hanau)

v.l.: Dekan Dr. Martin Lückhoff, Behud Yilmaz und Imam Mustafa Macit Bozkurt (Islamischer Verein Hanau) mit einem Plakat zur Aktion in Hanau. Im Hintergrund ist eine der Stellwände zu sehen, an die Zettel mit Klagen und Hoffnungen geheftet werden konnten. (Foto: Kirchenkreis Hanau)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 21 Feb 2022

Hanau/Kassel (medio). Am 19. Februar jährte sich der Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden, zum zweiten Mal. Der Evangelische  Kirchenkreis Hanau setzte im Rahmen des Gedenkens gemeinsam mit dem Muslimischen Arbeitskreis ein Zeichen für eine offene, tolerante Gesellschaft. Unter dem Motto «Klage und Hoffnung für Hanau» waren den ganzen Samstag über Passanten an verschiedenen Orten dazu eingeladen, ihre Gefühle und Gedanken aufzuschreiben und an Stellwänden öffentlich zu hinterlassen. 

Nach nur zwei Stunden hätten sich die Stellwände am Rande des Marktplatzes Hanau bereits mit zahlreichen Karteikarten gefüllt, heißt es in einer Mitteilung des Kirchenkreises im Süden unserer Landeskirche. Dort war zu lesen: «Ich klage an, dass den Menschen sinnlos Leid zugefügt wird», eine andere Person forderte einfach nur «Gerechtigkeit». Jemand schreibt «Ich fühle mich nicht sicher.», ein anderer «... die Angehörigen nicht ihre Fragen beantwortet bekommen.» Mit der Gedenkaktion hatten der Evangelische Kirchenkreis Hanau und der Muslimische Arbeitskreis Hanau (MAH) gemeinsam dazu eingeladen, schweren Gefühlen Ausdruck zu geben und hoffnungsvolle Gedanken zu formulieren. Das Angebot für Menschen in Hanau fand vormittags auf dem Marktplatz in Hanau und nachmittags auf dem Kurt-Schuhmacher-Platz in Kesselstadt statt.

Dekan Dr. Martin Lückhoff (Kirchenkreis Hanau) sagte: «Kirchenkreis und MAH sind am «Runden Tisch der Religionen» in Hanau vertreten und führen seit vielen Jahren immer wieder gemeinsam Aktionen durch wie beispielsweise den gegenseitigen Friedensgruß in Kirche und Moschee. Im Laufe der Zeit ist zwischen uns ein vertrauensvolles Verhältnis entstanden.» Yilmaz, Initiator des MAH, sagte: «Wir müssen zu der Einsicht gelangen, dass wir uns den Herausforderungen nur gemeinsam stellen können. Nur gemeinsam sind wir stark.» 

Die überwiegend positive Resonanz, im Vorfeld und während der Aktion, sei für die Akteure ein ermutigendes Zeichen und Ansporn zugleich, so Dekan Dr. Lückhoff. Für den Kirchenkreis Hanau seien Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Kirchenkreis nach Hanau gekommen, um Passanten die Gedenkaktion nahe zu bringen. Sie hätten zahlreiche Gespräche geführt, zahlreiche Klagen und hoffnungsvolle Anmerkungen entgegen genommen oder einfach nur zugehört. Für den Muslimischen Arbeitskreis Hanau beteiligten sich an der Betreuung überwiegend jungen Frauen und Männer, die in der Jugendarbeit engagiert sind.  

Eine Aktion, zwei Orte , viele Klagen… 

Klage, Dank und Ausblick seien Elemente jeden Gebets, erläuterte Dr. Lückhoff. Die Gedenkaktion sei ein Angebot für Hanau, sich zu erinnern, zu gedenken und einen Ausblick zu wagen. Die Menschen hätten das Angebot unterschiedlich wahrgenommen: einige schrieben, manche schauten nur oder wieder andere gingen weiter. «Aber wirklich Ausblenden konnte es niemand», so der Dekan. Deutschlandweit werde das Attentat in Hanau als eine Zäsur begriffen und nicht nur hier stelle sich die Frage, wie eine Stadtgesellschaft künftig zusammenleben will. Vielfalt bedeute auch, sich die Unterschiede bewusst zu machen. Und das Zusammenleben müsse von gegenseitigem Respekt getragen sein, so Dr. Lückhoff.

Wie vielfältig Hanau ist, das spiegelten bereits die beiden Orte der Gedenkaktion wider. Am Rande des Marktgeschehens zeigen sich sehr viele Passanten interessiert, die Gespräche seien eher kurz gewesen. Ganz anders das Bild am Kurt-Schuhmacher-Platz in Kesselstadt: Dort in unmittelbarerer Nähe des Anschlag- und Gedenkortes, an dem Blumen niedergelegt werden, sei die Schreckensnacht sehr präsent. Hier hätten sich sehr viele junge Menschen am Aktionsstand versammelt, es sei erstaunlich ruhig und besinnlich gewesen, die Gespräche tiefgründiger, ernster.

An die Stellwände der Gedenkaktion seien sehr viele, sehr persönliche Anmerkungen Klagen und Hoffnungen angeheftet worden. Die Karten sollen nun ausgewertet und öffentlich zugänglich gemacht werden, so Lückhoff. Besonders erfreut zeigte sich der Dekan darüber, dass die Hoffnungen deutlich überwiegen würden. Ich hoffe … «dass WIR stärker sind», steht da oder: «zum Leben finden». Wir leben gemeinsam in einer Welt» schriebt jemand und: «Wir sollten einander zuhören und aufeinander zugehen.»

Viele der Opfer waren im Jugendzentrum JUZ k.town in Hanau-Kesselstadt regelmäßig zu Gast. Das JUZ ist damit auch zu einem Ort geworden, an dem Trauer verarbeitet aber auch Gemeinschaft erlebt werden kann. Jugendliche erzählen davon im Video-Beitrag.

Materialien und Arbeitshilfen

Zum Jahrestag rücken verstärkt Fragen in den Mittelpunkt: Wie kann man der Opfer gedenken? Wie kann man gegen Rechtsextremismus und (Alltags-)Rassismus kämpfen? Wie kann man die Demokratie stärken und für demokratische Werte werben? Vor einem Jahr ist die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck der Initiative «Offen für Vielfalt - Geschlossen gegen Ausgrenzung» beigetreten. Im Themenschwerpunkt «Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung» informieren wir rund um das Engagement der Landeskirche im Rahmen der Kampagne informiert. Interessierte finden darüber hinaus Material und Hilfestellungen zum Thema Vielfalt. Ganz neu gibt es einen Gottesdienstentwurf mit Liturgie und Predigt für Sonntag, den 20. Februar, außerdem auch einen Gottesdienstentwurf der Arbeitsstelle Gottesdienst mit Kindern und Familien und eine Einheit für die analoge oder digitale Konfi-Arbeit

Veranstaltungen und Fortbildungsangebote

21.-25. März 2022
Bildungsurlaub «Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung»
Die Evangelische Akademie Hofgeismar bietet einen vertieften Einstieg in das Feld der rassismuskritischen Bildung.
In Form von erfahrungsbasiertem Lernen wird Wissen über Alltagsrassismus vermittelt, welches hilft Rassismus zu erkennen, sich seiner eigenen Rolle gewahr zu werden und Handlungsstrategien zu entwickeln. 
Die Veranstaltung ist gemäß §11 Abs. 1 i.V.  m. §12 HBUG als Bildungsurlaub in Hessen anerkannt.
Mehr Informationen unter akademie-hofgeismar.de
Anmeldung bis 13. Februar 2022
Nachfragen an: Christina Schnepel, Akademie Hofgeismar, Fon: 05671/881-121, Mail: christina.schnepel@ekkw.de

24.-25. März 2022 (online)
«Respektvoll miteinander umgehen – Umgang mit Konflikten»
Konzept für Kinder im Grundschulalter. Ein Beitrag zu «Offen für Vielfalt».
Konflikte gehören zum Kindsein dazu. Und Konflikte sind auch nichts «Schlechtes» – vorausgesetzt, wir können angemessen mit ihnen umgehen. Dies gelingt oft nicht einmal den Erwachsenen. Wie wäre es, dies schon mit Kindern einzuüben? In zwei Online-Modulen wird es eine «Mini-Schulung» in Gewaltfreier Kommunikation nach Marshall Rosenberg geben.
Informationen im Anhang. Anmeldung bis 14. März 2022
Nachfragen an: Kerstin Schröder, Arbeitsstelle Kirche mit Kindern und Familien, Mail: Kindergottesdienst.Arbeitsstelle@ekkw.de

5. April 2022, 10-16.30 (Bad Hersfeld oder digital)
United against Racism! - Fachtag zum Umgang mit Alltagsrassismus und rechten Positionen in Jugendarbeit und Schule
Der Umgang mit rechtpopulistischen Weltbildern braucht klare Positionierungen. Wie kann ich als Pädagog*in eine Haltung entwickeln, die Grenzen aufzeigt, dabei eigene Grenzen wahrnimmt und trotzdem zum Um-Denken einlädt?
Inhalte: Sensibilisierung für Alltagsrassismus, Umgang mit rassistischen/rechten Positionen mit der eigenen Zielgruppe, Entwicklung von Handlungsstrategien.
Informationen unter evjugend.de.
Anmeldung bis zum 19. März 2022 unter seminareonlinebuchen.de
Kooperation: Referat Kinder- und Jugendarbeit, Evangelische Akademie Hofgeismar
Nachfragen an: Dino Nolte, Referat Kinder- und Jugendarbeit, Fon: 0561/9378-355, Dietrich.Nolte@ekkw.de

6.-8. Mai 2022 (Kassel)
Rassismus – das hartnäckige Erbe der Kolonialzeit 
Zwar gilt die deutsche Kolonialherrschaft offiziell als beendet, jedoch wirken kolonialrassistische Menschen- und Weltbilder auch unter postkolonialen und postmigrantischen Bedingungen in unserer Gesellschaft fort. Das Seminar bietet u.a. die Möglichkeit, sich mit rassistischen und (post)kolonialen Handlungspraxen aus macht- und herrschaftskritischer Perspektive auseinanderzusetzen.
Mehr Informationen und Anmeldung unter gewaltfreihandeln.org
Anmeldeschluss 20. März 2022
Nachfragen an: Dr. Ljubinka Petrovic-Ziemer, gewaltfrei handeln e.V., Fon: 05694/8033

23.-24. Juli 2022, Hofgeismar
Weiterbildung in 5 Modulen zu Anti-Bias-Multiplikator*innen
Ziel des Anti-Bias-Ansatzes ist ein vorurteilsbewusster Umgang mit Vielfalt, um aktiv Diskriminierung entgegen zu wirken. Die Weiterbildung qualifiziert für Beruf und Alltag. Der Ansatz stammt aus der interkulturellen und Diversity-Arbeit und nimmt sowohl die individuelle als auch institutionelle und gesellschaftliche Ebenen in den Blick. Die Teilnehmenden erarbeiten ein Anti-Bias-Projekt. Die Module der Weiterbildung bauen inhaltlich aufeinander auf und können nicht einzeln gebucht werden.
(Module: 14.-15.10.2022 / 2.-3.12.2022 / 20.-21.1.2023 / 10.-11.3.2023 in Hofgeismar und Spangenberg).
[Download Flyer]
Nachfragen an: Sabine Schött, Referat Erwachsenenbildung, Fon: 06181/99126-78, Mail: Sabine.Schoett@ekkw.de

(21.02.2022)

Linktipp:

Weitere Informationen zum Thema finden Sie beim Kirchenrkreis Hanau im Internet unter:

kirchenkreis-hanau.de/(...)