Die Probleme sind seit langer Zeit bekannt und die Lage wird dramatischer: Einer älter werdenden Gesellschaft steht ein Pflegesystem gegenüber, dem Geld, aber vor allem Personal fehlt. Schon jetzt kann man immer mal lesen, dass Pflegedienste Angebote einstellen oder einschränken. In Kassel beispielsweise können die Diakoniestationen wegen Personalmangels keine häusliche Kinderkrankenpflege mehr betreiben.
Bischöfin Dr. Beate Hofmann setzt der Krise das Konzept der Sorgenetzwerke entgegen, das sie vor fünf Jahren öffentlich vorstellte. Seit Januar 2024 ist Nadine Zollet bei der Diakonie Hessen dafür zuständig, solche Netzwerke zu initiieren und zu unterstützen.
Was aber ist das überhaupt, so ein Sorgenetz? Zollet zerlegt das Wort in seine zwei Bestandteile: Zunächst müsse es ein Bewusstsein für die Sorge in einer Gemeinschaft geben, vor allem für ältere Menschen. Die Kultur eines Stadtteils, einer kleinen Stadt oder eines Dorfes solle durch dieses Sorgebewusstsein geprägt werden. Im Netz sind dann alle verbunden, die sich beruflich oder ehrenamtlich um Pflege und Sorge kümmern, vom Pflegedienst über Apotheken bis hin zu Beratungsstellen und -vereinen. Von Sanitätshäusern und Arztpraxen bis zur Kirche, Vereinen und Kulturschaffenden. «Alle sollen voneinander wissen», erläutert Zollet.
Wenn dann jemand Sorgebedarf hat, ist es egal, wo im Netz er sich meldet. Jeder weiß, wohin er die Person vermitteln kann und wer helfen kann. Das verhindere auch Doppelstrukturen. Übrigens gehe es nicht nur darum, dass Ältere daran teilnehmen, also nicht nur um Teilhabe. Zollet spricht auch von «Teilgabe», das könne zum Beispiel der selbst gebackene Kuchen sein, den die alte Dame spendet.
Und sie nennt noch ein Beispiel, wo das Netz sich gegenseitig trägt. Eine alleinerziehende Frau kauft für die alte Dame nebenan mit ein; diese passt in der Zeit dafür auf ihre Tochter auf.
Nadine Zollets Aufgabe besteht darin, Menschen aus den verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Als Modell dient die Kleinstadt Bad Karlshafen, dort ist der Bürgermeister mit im Boot. Im Idealfall funktioniere es genau so, erläutert Zollet. Die politische Verwaltung habe das Projekt im Blick und kümmere sich um die Koordination. Inhaltlich würden aber alle Beteiligten sich einbringen.
Nadine Zollet
Projektreferentin Sorgenetze im Sozialraum neu denken

In Karlshafen gibt es bereits eine Organisation, auf die sich Zollet stützen kann, das «Kuratorium Helfende Hände», in dem Bürgermeister, Kirchen, Arbeiterwohlfahrt und Rotes Kreuz sitzen. Die Arbeit sei jedoch über Corona mehr oder weniger eingeschlafen, sagt Zollet. Doch es gab die Bereitschaft, das Bündnis für die Sorgenetze wieder aufleben zu lassen. Hinzu kommen viele neue Partner aus Bad Karlshafen.
Ganz einfach ist das Netzwerkknüpfen für Nadine Zollet nicht. Manche Städte und Gemeinden hätten abgesagt, weil es nicht genug Personal gäbe. Und in Bad Karlshafen klappte ein erstes Netzwerktreffen nicht. So klemmte sich Zollet für den zweiten Anlauf ans Telefon und holte alle persönlich ins Boot. Das bedeutete: 37 Telefonate.
Im zweiten Schritt soll das Netzwerk im Ort bekannt gemacht werden, durch diverse Aktionen in der Stadt. Die Expertin hofft, weitere Akteure zu gewinnen. Ob Schüler, die mal für ein Taschengeld den Rasen mähen würden oder Menschen, die jetzt schon – informell – dem Nachbarn helfen. Vieles ist denkbar.
Dass es dringend nötig ist, stabile und langlebige Sorgenetze zu knüpfen, steht für Nadine Zollet außer Frage: «Wir müssen jetzt das Netzwerk schaffen, damit es in zehn Jahren nicht ganz so hart wird.»

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