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Die Preisträger*innen 2025 (v.l.): Tovja Mascha Heymann (beste Predigt), Christina Brudereck (Lebenswerk) sowie Anja Bär und Lea Herbert für ihren Podcast «Predigtbuddies»

Die Preisträger*innen 2025 (v.l.): Tovja Mascha Heymann (beste Predigt), Christina Brudereck (Lebenswerk) sowie Anja Bär und Lea Herbert für ihren Podcast «Predigtbuddies»

Bonn / Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 17 Nov 2025

«Die Predigt zeigt, wie viel Riskantes sogar eine Weihnachtspredigt wagen kann», heißt es auf predigtpreis.de. Eingebettet in einen Gottesdienst mit bekannten und unbekannten Liedern und vielstimmigen Lesungen führe sie bis zu einem selten gesungenen Weihnachtslied von Jochen Klepper und mache Ambivalenzen in der Idylle sichtbar. Gehalten hatte Heymann die Predigt in einer Christmette zum Weihnachtsfest 2024.

Neben Heymann erhielt die Theologin Christina Brudereck aus Essen den Ökumenischen Predigtpreis 2025 für ihr «Lebenswerk». Seit Jahren arbeitet sie als Schriftstellerin und Poetin, ihr vielfältiges Werk umfasst Romane, Biografisches, Geschichten, Essays und Gebete. Den Preis für den besten «Faithcast» erhielten Anja Bär und Lea Herbert für ihren Podcast «Predigtbuddies», in dem sie wöchentlich Predigttexte kompakt und lebensnah besprechen. Vergeben wurde der Preis, der jährlich Predigten im deutschsprachigen Raum würdigt, am 30. Oktober 2025 in einer Feierstunde in der Schlosskirche der Universität Bonn.

Blick in die Schlosskirche der Universität Bonn bei der Vergabe des Preises am 30. Oktober 2025

Blick in die Schlosskirche der Universität Bonn bei der Vergabe des Preises am 30. Oktober 2025

Klischees brechen, Räume öffnen

«Erstmal ist der Preis für mich eine enorme Anerkennung meiner Predigt. Sie ist alles andere als konventionell und auch sicherlich durchaus anstoßerregend», sagt Tovja Mascha Heymann. Zugleich betont die Preisträger*in, dass Predigtpreise immer auch etwas über den Geschmack der Jury aussagen und es überheblich wäre zu glauben, die eigene Weihnachtspredigt sei tatsächlich die beste im deutschsprachigen Raum gewesen.

Beim Schreiben und Halten der Predigt sei es Heymann besonders wichtig gewesen, Klischees zu brechen: «Ich will in jeder Predigt trotz alledem versuchen, gängige Predigtklischees zu brechen und mit neuen Formen, verschiedenen Textgattungen in der Predigt einen Begegnungsraum für die Hörer*innen mit dem Evangelium zu schaffen.» Dazu gehöre auch, auf klassische Kanzeln zu verzichten und stattdessen auf Augenhöhe mit den Zuhörenden zu sprechen – manchmal sogar einfach auf einem Stuhl sitzend.

Im Hinblick auf die Bedeutung des Predigens in einer pluralen Gesellschaft hebt Heymann hervor, dass Predigten immer gegenwärtige Herrschaftsverhältnisse kritisieren und Menschen dazu empowern sollten, selbstständig über ihr Leben zu entscheiden. Die Predigt solle Menschen unterschiedlichster Milieus Raum zum Verständnis geben. Heymann erklärt: «Daher wähle ich meist das Narrative, ich erzähle Geschichten, Bildwelten. Diese Gattungen sind offen für alle, weil in Geschichten, wie in guten Filmen und Serien, jeder Mensch sich irgendwo mit seinen*ihren Fragen wiederfindet und vielleicht entstehen dort dann auch Antworten für jede*n ganz individuell.»

Portraitfoto von Tovja Mascha Heymann

Tovja Mascha Heymann ist 38 Jahre alt und seit Dezember 2022 Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Gronau und Niederdorfelden im Kirchenkreis Hanau. Zuvor war sie in Kassel als Pfarrerin tätig, davor in der Kinder- und Jugendarbeit. Ihr Theologiestudium absolvierte sie in Marburg, Berlin und Kiel. Heymann lebt mit ihrer Frau und zwei Kindern in Gronau.

Die prämierte Predigt

In den Mittelpunkt ihrer Predigt stellt Tovja Mascha Heymann zwei zentrale Fragen: Wie kommt Josef in die Weihnachtsgeschichte? Und: Was bedeutet die Geburt Jesu angesichts heutiger Machtfantasien? Heymann greift zunächst den ältesten biblischen Befund im vierten Kapitel des Galaterbriefs auf, der Josef nicht erwähnt, und kontrastiert ihn mit dem vertrauten Bild vom «trauten hochheiligen Paar». Die Predigt deutet die Herkunft Jesu neu: Nicht die Jungfrauengeburt wird stark gemacht, sondern Marias Entscheidung «my Body, my choice», das Kind trotz gesellschaftlicher Schande auszutragen. Josef erscheint als Figur der Verantwortung und Fürsorge für Maria und Jesus, ohne eindeutig festgelegt zu werden.

Die zweite Frage führt mitten in die Gegenwart: Während Lieder wie «Herbei, o ihr Gläubigen» den triumphalen Retter besingen, finden die Gläubigen «nur ein Kind in tiefster Nacht» und nicht den «mächtig-grabschenden Donald oder bombenden Putin oder kettensägenden Elon», beschreibt Heymann die Szene. Die Predigt setzt damit ein Zeichen gegen autoritäre Strömungen und erinnert daran, dass Gottes Kommen nicht in Macht und Gewalt, sondern in Verletzlichkeit geschieht: «Sie fanden nur ein Kind, das dem Tod nicht entrinnen kann.»

Gerade weil sie integraler Bestandteil eines gesamten Gottesdienstes ist, entfalte die Predigt ihre Wirkung im Zusammenspiel mit bekannten und unbekannten Liedern sowie vielstimmigen biblischen Lesungen zum Fest, heißt es in der Beschreibung auf predigtpreis.de. So würden Ambivalenzen in der vermeintlichen Idylle sichtbar werden und auch «die Aufwertung unfromm Besuchender» bekomme ihren Sinn – bis hin zum fast nie gesungenen Weihnachtslied von Jochen Klepper aus dem Jahr 1938.

Preis für vielschichtige Weihnachtsbotschaft

Prof. i.R. Dr. Eberhard Hauschildt, Jury-Mitglied, hebt Heymanns Verknüpfung von vier verschiedenen Ebenen hervor: die Weihnachtsgeschichte, das Lied «Stille Nacht, heilige Nacht», die Sehnsucht nach einer rettenden Heldenfigur und die Erfahrung einer Frau, die allein ein Kind bekommt. Ihr gelinge es, die Ebenen so zu verbinden, dass die Zuhörenden die Zusammenhänge bildlich vor Augen haben, so Hauschildt, der auch die Laudatio bei der Preisvergabe sprach.

Heymann dränge der Gemeinde nicht eine bestimmte Weihnachtstheologie auf, sondern gebe «verschiedenen Stimmen Raum». Die Preisträger*in belehre die Gemeinde nicht, sondern erinnere an zentrale Aussagen aus dem Lukasevangelium und dem Galaterbrief. Ihre Predigt zeige «eine gleichzeitig behutsame wie entschlossene Haltung gegenüber denen, die sie zu hören bekommen.»

Portraitfoto von Prof. Dr. Eberhard Hauschildt
«In dieser Predigt drängt Tovja Heymann nicht die Gemeinde dazu, die richtige Weihnachtstheologie anzunehmen, sei es die von Stille Nacht oder Kleppers Lied oder eben gewissermaßen die Heymann-Theologie. »
Prof. i.R. Dr. Eberhard Hauschildt, Jury-Mitglied

«Die Vorstellung einer Gegenwartshirtin ‚Josie‘, die trotz ihrer kritischen Einstellung gegenüber angeblichen Retterfiguren dann ‚Maris‘ Wunden wäscht und das Kind in den Schlaf wiegt», habe Hauschildt besonders berührt. Überrascht sei er vom Ende der Predigt gewesen, bei dem die Gemeinde das wenig bekanntes Lied von Jochen Klepper singt. Es handele sich um ein Weihnachtslied, «wo statt einem ‚Halleluja‘ das ‚Kyrie eleison‘ (Herr erbarme dich) gesungen wird», erläutert das Jury-Mitglied. In der vierten Strophe heißt es dort: «Die Welt ist heut an Liedern reich. Dich aber bettet keiner weich und singt dich ein zu lindem Schlaf. Wir häuften auf dich unsre Straf. Kyrieleison.»

Der Ökumenische Predigtpreis

Der Ökumenische Predigtpreis Bonn wird jährlich von der evangelischen und katholischen Fakultät der Universität Bonn und dem Alt-Katholischen Seminar vergeben. Mit der Würdigung soll die Redekunst in Kirche und Gesellschaft im deutschsprachigen Raum gefördert werden. Ausgezeichnet werden Predigten, die durch theologischen Gehalt, biblische Fundierung, Glaubwürdigkeit und Erfahrungsnähe überzeugen und zur ethischen Orientierung sowie zum Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft beitragen. Die Preisvergabe erfolgt jährlich in einer Feierstunde in der Schlosskirche Bonn.

Bereits ausgezeichnet wurden mit dem Preis Persönlichkeiten, wie der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch (1925-2005), der Literaturhistoriker und Altphilologe Walter Jens (1923-2013), die Theologinnen Margot Käßmann und Annette Kurschus sowie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer.