Großes Interesse am Thema: Ute Göpel und Hartmut Schneider von der Fachstelle «Kirche im ländlichen Raum» moderierten die gut besuchten Dialogforen. (Fotos: medio.tv/Balzer)

Großes Interesse am Thema: Ute Göpel und Hartmut Schneider von der Fachstelle «Kirche im ländlichen Raum» moderierten die gut besuchten Dialogforen. (Fotos: medio.tv/Balzer)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 10 Apr 2019

Treysa/Reichensachsen/Fulda (medio). Die Forderung einer Initiative aus Witzenhausen, das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat auf Kirchenland zu verbieten, sorgte für lebhafte und kontroverse Diskussionen bei Dialogforen, die die Fachstelle «Kirche im ländlichen Raum» des Referats Wirtschaft-Arbeit-Soziales des Landeskirchenamtes vom 1. bis 3. April 2019 in den Sprengeln der Landeskirche angeboten hat. 

Hintergrund ist ein Antrag der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Witzenhausen an die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck aus dem Jahr 2018, mit dem ein Verbot von Glyphosat in allen künftigen Pachtverträgen festgeschrieben werden soll. Die Landessynode hatte vor einer Erörterung und Abstimmung zu dem Thema mehr Informationen eingefordert und den Antrag an den Rat der Landeskirche verwiesen. Es sollte zunächst das Gespräch mit Landwirten und Pächtern, sowie Menschen aus Kirchenvorständen, -gemeinden und –verwaltungen gesucht werden. Die Fachstelle «Kirche im ländlichen Raum» wurde mit dem Dialog beauftragt und bot die Diskussionsforen zu dem Thema an. Miteinladende waren die Pröpstinnen und der Propst des jeweiligen Sprengels.

Gut besuchte Veranstaltungen - kontroverse Diskussion

Und es ist ein echtes Aufregerthema. Entsprechend gut besucht waren die Veranstaltungen: In Reichensachsen (Sprengel Kassel) drängten sich 120 Personen in einem zu kleinen Veranstaltungsraum, während es in Treysa (Sprengel Marburg) mit 88 Personen und Fulda (Sprengel Hanau-Hersfeld) mit 25 Teilnehmenden bequemer zuging, teilte Pfarrer Karl-Günter Balzer von der Fachstelle mit. Insbesondere aus den Reihen der zahlreich erschienenen konventionell wirtschaftenden Bauern seien Vorwürfe und Forderungen erhoben worden: «Die Kirche» springe auf einen gesellschaftlichen Hype auf. Man folge dem Mainstream und misstraue der Landwirtschaft. «Wir werden ständig von der Gesellschaft in unserer Berufsehre gekränkt», fasste ein Redner die Stimmung der Bauern zusammen. Dabei sei man doch gut ausgebildet und arbeite nach besten Wissen und Gewissen.

Neben diesen emotionalen Äußerungen gab es zahlreiche fachliche Argumente, die für die weitere Anwendung von Glyphosat plädierten: Glyphosat sei eines der am wenigsten schädlichen Herbizide und schone den Boden und schütze in Hanglagen vor Erosionen. Alternative Herbizide seien giftiger. Die Alternative Pflügen sei schlechter, weil dadurch das Leben von Insekten, Würmern und Kleinstlebewesen im Boden geschädigt würde. Auch steige bei der mechanischen Bodenbearbeitung der Verbrauch von Diesel erheblich an.

Die in geringerer Zahl erschienenen Biobauern verwiesen darauf, dass auch ohne den Pflug ein ökologischer Ackerbau möglich sei. Außerdem gelte es, vonseiten der Landwirtschaft einen gesamtgesellschaftlichen Prozess wahrzunehmen. Immer nur zu sagen, dass etwas nicht gehe, würde bedeuten, dass sich auch nichts weiterentwickle. Und «die Kirche» habe durchaus den Auftrag, das Kirchenland als anvertrautes Gut der Schöpfung zu schützen. So sei dieser Antrag der Kreissynode Witzenhausen zu verstehen.

Fragen zur praktischen Durchführung und finanziellen Folgen eines Verbots

In einem weiteren Gesprächsgang wurde nach der praktischen Durchführung für Landwirte und Kirchenvorstände gefragt. Eine Kontrolle, ob Glyphosat angewendet werde oder nicht, sei praktisch unmöglich, wurde von den Beteiligten festgehalten. Von Seiten der Landwirte wurde als Problem angemerkt, dass kirchliche Pachtflächen oft in größeren Ackerflächen eingebettet seien. Es sei schwierig, diese anders zu behandeln oder zu vermeiden, dass Glyphosat auf ihnen auftreffe.

Eine weitere Folge des Verbotes von Glyphosat sei, dass es durch den Mehraufwand wie eine Erhöhung des Pachtpreises wirke. In wissenschaftlichen Untersuchungen würden dafür etwa 70 bis 90 Euro pro Hektar veranschlagt. Daraus wurde von Seiten der Landwirtschaft die Frage abgeleitet, ob denn «die Kirche» aus Gründen der Glaubwürdigkeit bereit sei, auf diesen Betrag zu verzichten. Und polemisch fügte ein Redner hinzu: «Warum verzichten sie nicht ganz aufs Verpachten und legen stattdessen Blühwiesen zur Bewahrung der Schöpfung an?»

Sachliche und versöhnliche Erwägungen kamen zum Ausdruck

Gegen Ende der Veranstaltungen kamen sachliche und versöhnliche Erwägungen zum Ausdruck. Konventionelle Landwirte und Biobauern äußerten sich dergestalt, dass man in einem guten Miteinander und mit Respekt voreinander gesunde Lebensmittel erzeuge. Von anwesenden Pfarrern und Synodalen wurde überwiegend vorgeschlagen, die Problematisierung der Anwendung von Glyphosat und anderen Herbiziden in die Verantwortung der Kirchenvorstände zu legen. Dabei wünsche man sich eine Unterstützung durch die Landeskirche. Deshalb sei es wünschenswert, die landeskirchliche «Handreichung zum Pachtverfahren» zu erweitern. Dort werden schon jetzt z. B. ökologische, ökonomische, soziale und weitere Aspekte den Kirchenvorständen als Empfehlung zur Verfügung gestellt.

Verärgert reagierten einige Anwesende, dass immer wieder pauschal von «der Kirche» wie von einer Obrigkeit gesprochen werde. Dabei hatte Ute Göpel von der Fachstelle «Kirche im ländlichen Raum» einführend den demokratischen Prozess der Willensbildung erläutert. Ihre Kollegin Monika Nack trug in einem einführenden Vortrag den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Da es zu allen Aspekten der Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit von Glyphosat zahlreiche sich widersprechende Studien von namhaften Behörden und Instituten gibt, müsse man allerdings als Fazit festhalten: «Nichts Genaues weiß man nicht.»

Dokumentation des Dialogs wird der Landessynode zur Verfügung gestellt

Hartmut Schneider, ebenfalls von der Fachstelle, der zusammen mit Ute Göpel die kontroversen und teils emotionalen Diskussionen moderierte, wies wiederholt darauf hin, dass die Anliegen, Fragen, Kritiken und Vorschläge dokumentiert werden, um sie der Landessynode vor einer Beratung zur Verfügung zu stellen. Die anwesenden Landwirte lobten das Verfahren und die Dialogbereitschaft «der Kirche». In Fulda brachte es ein älterer Landwirt so auf den Punkt: «Ich danke der Evangelischen Kirche, dass Sie sich mit der Landwirtschaft zusammen setzt.» (10.04.2019)

Handreichung:

Die Handreichung zum Pachtverfahren in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck finden Sie hier:

PDF-Dokument

Linktipp:

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf den Service-Seiten des Referats Wirtschaft-Arbeit-Soziales unter:

arbeitswelt-ekkw.de