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An der Maschine: Oliver Nagel an einem der sechs Walzenstühle, die im Erdgeschoss der Rehwald-Mühle stehen

An der Maschine: Oliver Nagel an einem der sechs Walzenstühle, die im Erdgeschoss der Rehwald-Mühle stehen

Bebra / Olaf Dellit, blick in die kirche
Veröffentlicht 19 Dez 2025

Es sind nur ein paar Schritte von der Einkaufsstraße in Bebra über den Hof in das versteckt liegende, hohe Backsteingebäude. Doch es ist auch eine Reise in eine Zeit, die fast vergangen ist. Drei Mühlen gab es in der nordhessischen Kleinstadt einst, die Rehwald-Mühle von Oliver Nagel ist die letzte weit und breit. 

Den sechs Walzenstühlen im Erdgeschoss, den Sichtern, der Schleusenbank und all den anderen Maschinen sieht man an, dass sie schon viele Jahrzehnte laufen. Aber sie sind langlebig und trotzen damit dem Zeitgeist. Oliver Nagel auch. «Eigentlich», sagt er, «hätten wir schon vor zehn Jahren dichtmachen müssen.» Die Liebe zum Handwerk und zur Tradition lässt ihn weitermachen.

Porträt von Oliver Nagel
«Ich mache hier irgendwann das Licht aus.»
Oliver Nagel

Zum Leben für ihn und seine Familie reicht das Handwerk längst nicht mehr, Oliver Nagel ist im Brotberuf, wie man so sagt, als Maschinenbediener in einer Spedition tätig. Dabei passt Müllermeister natürlich viel besser zum Begriff Brotberuf. Mit Brot fing in Bebra alles an. Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete Dietrich Rehwald dort eine Bäckerei. Als er mit der Qualität des Mehls, das er geliefert bekam, unzufrieden war, ließ er kurzerhand eine Mühle bauen. Das war 1910. 

Lange, so berichtet Oliver Nagel, war das ein einträgliches Geschäft. Als seine Eltern gemeinsam mit ihm überlegten, welchen Beruf er ergreifen sollte, war schon ungewiss, ob Müller die richtige Wahl sei. Aber er lernte den Beruf an einer der verbliebenen Berufsschulen und machte auch den Meister.

Die Arbeit in der Mühle sei abwechslungsreich, erzählt Nagel. Er mag die Arbeit mit den Maschinen, auch die Reparaturen. Als er noch hauptberuflich Müller war, konnte er sich die Zeit frei einteilen und  sich zwischendurch auch Zeit für Sohn und Tochter nehmen. «Du bist dein eigener Herr», sagt er.

Doch die kleinen Bäckereien schlossen nach und nach, die nebenan vor fünf Jahren. Für die großen Bäckereiketten reicht die Kapazität der Rehwald-Mühle nicht aus. Heute beliefert Nagel noch zwei Dorfbäcker in der Region sowie einen Futtermittelbetrieb mit dem, was beim Mahlen übrig bleibt. Die Müllerei sei übrigens schon lange ein nachhaltiges Gewerbe, ergänzt Nagel. Es bleibe kaum etwas ungenutzt, in immer neuen Mahlvorgängen wird Mehl aus dem Getreide gewonnen; Nagel nennt die Zahl von 85 Prozent. 

Boden, Rohre und Treppen der Rehwald-Mühle bestehen aus Pitch-Pine-Holz, einem besonders harten Kiefernholz, das wohl aus Kanada, den USA oder Mittelamerika angeliefert worden war. Das Holz ist nicht nur sehr stabil, sondern auch gut gegen Schädlinge. Es enthalte ätherische Öle, erklärt Nagel. Wenn er in das Holz irgendwo ein Loch bohre, breite sich der Geruch aus – auch nach über 100 Jahren. 

Wenn Oliver Nagel die Maschinen startet, wenn die breiten Antriebsriemen in dem Gebäude auf und ab laufen, wenn die Siebe sich rüttelnd hin- und herbewegen und die Walzen die Roggenkörner zerkleinern, wenn es laut wird im alten Gemäuer, fühlt man sich in eine Zeit ohne Handy und Computer versetzt. 

Doch sie wird enden. Oliver Nagel ist Müllermeister in sechster Generation, und in letzter. Seine Kinder werden das Handwerk nicht lernen. «Ich mache hier irgendwann das Licht aus», sagt der Müllermeister. Dann wird von der Tradition nur noch die Erinnerung bleiben, so wie der sich verflüchtigende Duft des Kiefernholzes, wenn man ein Loch bohrt.

Illustration eines Tannenzweigs mit rotem Herzanhänger und dem Titel „Liebe ist alles!“ auf dem Cover des Magazins „blick in die kirche“.
«Liebe ist alles!» als E-Paper

Die Weihnachtsausgabe des «blick in die kirche»-Magazins steht ganz im Zeichen der Liebe. Sänger und Schauspieler Vladimir Kornéev («Hundertdreizehn», «Polizeiruf 110») berichtet im Interview, wie Musik ihm half, das Stottern zu überwinden, was Liebe für ihn bedeutet und wie er den Verlust einer großen Liebe bewältigte. Das Heft stellt junge und alte, hetero- und homosexuelle Paare vor, erzählt von der Liebe zum Handwerk und blickt nach Indien. Es geht um die Rettung von 1.000 Jesidinnen und Jesiden aus dem Irak.

Und natürlich dreht sich das Heft um Weihnachten: Wie ist das in einem Gefängnis? Wie, wenn man alleine feiern will oder muss? Warum ist es trotz allem Streit schön, wenn die Familie sich an Weihnachten trifft? Und was steht noch einmal genau in der Bibel? Wie immer gibt es auch einen Hotelaufenthalt zu gewinnen – diesmal in Hanau inklusive Karten für die Brüder Grimm Festspiele.

Das «blick in die kirche-Magazin» ist die Publikumszeitschrift der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und liegt viermal im Jahr den Tageszeitungen auf dem Gebiet der Landeskirche kostenfrei bei. Die Druckauflage beträgt knapp 225.000 Exemplare, hinzu kommen E-Paper und Webseite.