In meinem Lieblingsgeschäft möchte ich mir einen warmen Pullover kaufen. Ich sehe mich um. Eine Frau probiert Kleider an. Vermutlich eine Stammkundin. Von Zeit zu Zeit lüftet sie den Vorhang der Umkleidekabine und präsentiert ein neues Outfit. Währenddessen betritt eine weitere Frau den Laden. Sie sieht sich um. Ihr Blick fällt auf die Preise, sie macht auf dem Fuße kehrt und will gehen. Da fällt ihr Blick auf die Sale-Angebote. Zwischen lauter übriggebliebenen Einzelteilen in Restgrößen hängt ein dicker Wollpullover in einem leuchtenden Blau.
«Sie dürfen den Pullover gerne anprobieren!», ermuntert sie die Verkäuferin. «Das ist leider immer noch zu teuer für mich», antwortet die Frau. Aber die Verkäuferin lässt nicht locker. «Sie müssen den Pullover nicht kaufen. Anprobieren dürfen sie ihn trotzdem.» Die Frau ringt mit sich, lässt sich dann aber überreden. Wenige Minuten später steht sie vor dem Spiegel. Sie fährt mit den Fingerspitzen über die Wolle. «So weich», sagt sie. «Ja», sagt die Verkäuferin, «reine Wolle. Der hält schön warm.»
Die Stammkundin kommt aus der Kabine, im Arm einen Haufen Kleidungsstücke. «Ich kann mich wirklich nicht entscheiden!», sagt sie. Dann fällt ihr Blick auf die Frau in dem blauen Pullover. «Die Farbe steht ihnen ausgezeichnet. Sie lässt ihre Augen leuchten. Ich würde den nehmen.»
Buchtipp
Der Text ist auch erschienen in diesem Buch:
Tanja Griesel: Gönn dir – 24 Auszeiten im Advent. Books on Demand, 110 Seiten, 16,90 Euro
Die Frau scheint sich nicht wohlzufühlen in ihrer Haut. «Tut mir leid, ich hätte ihn nicht anprobieren sollen. Ich kann mir so ein edles Teil nicht leisten.»
Schnell streift sie den Pullover ab, greift Mantel und Tasche und will den Laden verlassen. «Warten Sie», ruft die Stammkundin, «bitte, ich brauche eigentlich gar nichts Neues. Ich habe genug. Ich kaufe für mich heute nichts. Dafür schenke ich ihnen den Pullover.»
Die Frau schüttelt den Kopf. So ein teures Geschenk kann sie nicht annehmen. Aber der Pullover ist schon bezahlt und verpackt.
«Frohe Weihnachten», sagt die freigiebige Schenkerin. Die Frau strahlt.
Und ich? Ich bin nur eine Statistin in diesem Weihnachtsmärchen. Aber ich bin gleichsam erstaunt – wie gerührt.

«Liebe ist alles!» als E-Paper
Die Weihnachtsausgabe des «blick in die kirche»-Magazins steht ganz im Zeichen der Liebe. Sänger und Schauspieler Vladimir Kornéev («Hundertdreizehn», «Polizeiruf 110») berichtet im Interview, wie Musik ihm half, das Stottern zu überwinden, was Liebe für ihn bedeutet und wie er den Verlust einer großen Liebe bewältigte. Das Heft stellt junge und alte, hetero- und homosexuelle Paare vor, erzählt von der Liebe zum Handwerk und blickt nach Indien. Es geht um die Rettung von 1.000 Jesidinnen und Jesiden aus dem Irak.
Und natürlich dreht sich das Heft um Weihnachten: Wie ist das in einem Gefängnis? Wie, wenn man alleine feiern will oder muss? Warum ist es trotz allem Streit schön, wenn die Familie sich an Weihnachten trifft? Und was steht noch einmal genau in der Bibel? Wie immer gibt es auch einen Hotelaufenthalt zu gewinnen – diesmal in Hanau inklusive Karten für die Brüder Grimm Festspiele.
Das «blick in die kirche-Magazin» ist die Publikumszeitschrift der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und liegt viermal im Jahr den Tageszeitungen auf dem Gebiet der Landeskirche kostenfrei bei. Die Druckauflage beträgt knapp 225.000 Exemplare, hinzu kommen E-Paper und Webseite.
